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Berichte
Neue entzündungshemmende Arzneistoffe
Entzündungsprozesse, die eine komplexe Reaktion auf Noxen darstellen, laufen im menschlichen Körper permanent ab. Einen Sonderfall stellen chronisch entzündliche Erkrankungen dar, die auf Autoimmunreaktionen zurückgehen. Wegen ihrer weiten Verbreitung und volkswirtschaftlichen Bedeutung stehen rheumatische Erkrankungen im Vordergrund des Interesses. In der Behandlung rheumatischer Erkrankung sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSARs) die unterste Stufe einer therapeutischen Pyramide. Langwirksame Antirheumatika (Basistherapeutika) wie Goldverbindungen oder Penicillamin stellen die zweite Stufe dar, gefolgt von Immunsuppressiva und Glucocorticoiden.
Hemmung von TNF-α
Die Entzündungskaskade bietet viele Ansatzmöglichkeiten, therapeutisch zu intervenieren. Zu Beginn und damit an zentraler Stelle steht der Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α), der in T-Lymphozyten, Monozyten und Makrophagen gebildet wird. Neue Arzneistoffe wie der monoklonale Antikörper Infliximab (Remicade ®) und der lösliche TNF-Rezeptor Etanercept (Enbrel®) greifen hier ein, indem sie den TNF- α neutralisieren.
Die Signaltransduktion in den TNF-α-produzierenden Leukozyten ist zum Teil erforscht, sodass sich Angriffspunkte für potenzielle Arzneistoffe zeigen. Nach der Aktivierung eines Rezeptors durch ein arthritogenes Peptid wird die NIK (NF-kappa- B-induzierende Kinase) phosphoryliert und aktiviert. Diese phosphoryliert die IKK (I-kappa- B-Kinase) und nachfolgend das I-kappa-B-Protein, das darauf den nukleären Transkriptionsfaktor NF-kappa-B freisetzt. Dieser Faktor wandert in den Zellkern und aktiviert das genetische Programm zur Synthese des TNF-α, an dessen weiterer Prozessierung eine p38-MAP-Kinase und TACE (TNF-α Converting Enzyme) beteiligt sind.
Bisher bekannte Wirkstoffe, die in diese komplexe Signalkaskade eingreifen, sind Glucocorticoide, Thalidomid und Antioxidanzien wie Vitamin E und Capsaicin. Hemmstoffe der p38-MAP-Kinase durchlaufen die ersten klinischen Studien.
Weitere Angriffspunkte
An anderen Stellen der Entzündungskaskade greifen folgende Substanzen ein:
- Rezeptorantagonisten und Hemmstoffe des Konversionsenzyms von IL-1β,
- Hemmstoffe von Matrix-Metalloproteinasen, die besonders bei rheumatischen Erkrankungen für die Zerstörung des Knorpelgewebes verantwortlich sind,
- Hemmstoffe von Selektinen und Integrinen, die die Extravasation von Leukozyten in das entzündete Gewebe vermitteln,
- Hemmstoffe der induzierbaren NO-Synthase.
Bei der Beeinflussung der Arachidonsäurekaskade ist der selektive COX-2-Hemmstoff Rofecoxib (Vioxx®) Ende letzten Jahres auf den deutschen Markt gekommen. Im Gegensatz zu nicht selektiven Hemmstoffen der Cyclooxygenase (COX) wie beispielsweise Acetylsalicylsäure oder Indometacin hofft man bei den COX-2-Hemmern auf ein besseres Nebenwirkungsprofil, beispielsweise eine geringere Inzidenz von Ulcera.
Da die COX-2 aber auch in zahlreiche physiologische Prozesse eingreift, bleibt abzuwarten, ob selektive COX- 2-Hemmer für Rheumapatienten einen wirklichen Vorteil darstellen. Auch von dualen Hemmstoffen der COX und der 5-Lipoxygenase oder von NO-freisetzenden NSARs erwartet man eine bessere Magenverträglichkeit, da – anders als bei den etablierten NSARs – eine Anlagerung von Leukozyten an postkapilläre Venolen des Magenendothels bei diesen Stoffen nicht beobachtet wurde.
Aus seiner eigenen Forschung berichtete Professor Lehr abschließend von Hemmstoffen der zytosolischen Phospholipase A2, des Schlüsselenzyms der Arachidonsäurekaskade. Bestimmte Indol-2-carbonsäure-Derivate mit Phospholipid-ähnlicher Struktur zeigen in In-vitro-Untersuchungen an Thrombozyten gute Resultate bei der Hemmung dieses Enzyms. Insgesamt bietet die in vielen Teilen gut erforschte Entzündungskaskade vielfältige Angriffsmöglichkeiten für Arzneistoffe, sodass bei der gezielten Suche nach neuartig wirkenden Stoffen weiterhin gute Resultate zu erwarten sind.
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