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Patientenforum Leipzig: Arzneimittel auf Zuteilung?
"Merken Patienten etwas vom Druck der Arzneimittelbudgets, der auf den Ärzten lastet?", fragte der Geschäftsführer des SAV, Ulrich Bethge, zum Einstieg in die Diskussion die Vertreterin der Patienten auf dem Podium, Karin Eichhorn. Die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft berichtete, "besonders am Ende des Jahres bekommen wir die Auswirkungen schlimm zu spüren. Das trifft vor allem Patienten, bei denen gerade eine Interferon-Behandlung begonnen wurde".
"Gibt Ihnen das zu denken?", wollte Bethge von Gerhard Potuschek, Vorsitzender der Barmer Ersatzkasse in Sachsen, wissen. Die Frage sei doch, "wie gestalten wir Budgets und wie verhalten sich die Ärzte innerhalb der Budgets". Er vertrat die Meinung: "Da sehe ich allerdings noch deutliche Reserven." Dagegen konterte Horst Christoph, Geschäftsführer der Kassenärztlich Vereinigung Sachsen, Bezirksstelle Leipzig: "Die Reserven waren vielleicht einmal vorhanden, die Zeit ist längst vorbei." Seit 1994 habe die Ärzteschaft deutliche Sparbemühungen unternommen, dennoch sei die Budgetlinie eines in den folgenden Jahren stagnierenden und sogar rückläufigen Budgets um bis zu 19 Prozent überschritten worden.
Arzneibedarf ist explodiert
"Der Wille, ganz massiv zu sparen, ist überhaupt nicht zu bestreiten", meldete sich die Vorsitzende des SAV, Monika Koch, zu Wort. Wie Auswertungen der sächsischen Verordnungsdaten durch die Apothekenabrechnungszentren zeigten, sind die Kassenärzte in Sachsen dem allgemeinen Trend gefolgt: "Sie weichen einerseits zunehmend auf Generika aus. Unverkennbar sind außerdem erhebliche Verordnungsrückgänge bei so genannten Arzneimitteln mit umstrittener Wirksamkeit", so Koch.
Andererseits sei der Bedarf an Arzneimitteln nach zwei Jahren negativer Umsatzentwicklung der sächsischen Apotheker "gewissermaßen explodiert, weil unsere Ärzte nicht bereit waren, die Patienten in Sachsen auf Dauer vom Fortschritt in der Arzneimitteltherapie auszuschließen." Wie die Apothekerin an Zahlen nachwies, ist beispielsweise der Umsatz mit Rheumasalben in Sachsen vom 1. Quartal 1998 von 3,8 Millionen DM auf 1,4 Millionen DM im IV. Quartal 1999 gesunken. Die Verordnungen von Venentherapeutika fielen im gleichen Zeitraum von sechs Millionen DM auf 3,1 Millionen DM. Der Rückgang der Umsätze mit Ginkgo-Präparaten betrug in den letzen zwei Jahren 36 Prozent.
Diese Rückgänge wurden jedoch durch den Einsatz neuer innovativer Arzneimittel mehr als überkompensiert. Damit haben, wie Koch und der Geschäftsführer der KV Sachsen betonten, die Ärzte im Interesse ihrer Patienten gehandelt. So haben sich die Apothekenumsätze mit Betaferon seit Anfang 1998 von 1,5 auf 3,4 Millionen DM, mit H2-Antagonisten von 7,7 auf 11,5 Millionen bis zum III. Quartal 1999 erhöht. Den Rückgang im IV. Quartal 1999 erklärten Ärzte und Apotheker mit dem drohenden Budgetregress und einer Verlagerung der Verordnungen auf das neue Jahr.
Fazit der SAV-Vorsitzenden: "Wenn die Budgets nicht an den medizinischen Fortschritt und die Entwicklung der Alterspyramide angepasst werden, muss die Qualität der Arzneimitteltherapie leiden. Das bestätigt die Datenanalyse eindeutig."
Den Ärzten droht Kollektivregress
Wie Christoph hinzufügte, droht den Ärzten in Sachsen trotz deutlicher Sparbemühungen ein Kollektivregress, der ohne Reduzierung der Zuzahlungen wahrscheinlich nicht eingetreten wäre. Das Arzneimittelbudget für 1999 betrug in Sachsen 2,061 Milliarden DM. Es wurde voraussichtlich (nach Kassenangaben) um 8,5 Prozent bzw. 177 Millionen DM überschritten. Die Apotheker beziffern die Überschreitung auf 6,58 Prozent. Damit würde die Ärzte in jedem Fall ein Kollektivregress in Höhe von rund 18.000 DM pro Praxis treffen.
Hinzu komme, so Christoph, "wenn die Richtgrößenprüfung mit aller Konsequenz angewandt wird, gehen 10 bis 15 Prozent unserer Praxen kaputt, denn wir haben Ärzte dabei, die mit einem individuellen Regress in Höhe von 100000 bis 120000 DM belastet werden. Einzig und allein, weil sich der betroffene Arzt nur bemüht hat, seine Patienten optimal zu versorgen!" Der Kassenvertreter räumte ein, dass in Sachsen "keine wahnsinnige Mengensteigerung" für die Arzneimitteltherapie vorliege. Er beharrte aber darauf: "Es ist noch Luft im System!"
Koch hielt dagegen: "Die Entlastung der Versicherten durch die veränderten Zuzahlungsregelungen waren politisch gewollt. Das muss bei jeder Betrachtung der Ausgabenentwicklung berücksichtigt werden." Auch die geplante Negativliste werde nicht zur Kostendämpfung beitragen können. Für die meisten Stoffe der Negativliste seien schon heute keine Fertigarzneimittel mehr am Markt. "Wenn sie Patienten innovative Therapien nicht verweigern wollen, müssen die Budgets angepasst werden."
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