Praxis

D. FrohneEin neues Dopingmittel? – Leistungsst

Im Sportfernsehen und in der Tagespresse (z. B. [14]) wurde kürzlich über eine Sportgerichtsverhandlung des Deutschen Fußballbunds (DFB) berichtet, in der Dopingvorwürfe gegen einen Spieler des 1. FC Nürnberg geklärt werden sollten¹. Bei ihm waren in Urinproben (A und B) Spuren eines auf der Verbotsliste stehenden anabolen Steroids gefunden worden. Unabhängig davon, ob der Spieler eine entsprechende Substanz eingenommen hat oder nicht, wurde in der Verhandlung bekannt, dass ein Spielerbetreuer, der sich als Ernährungsberater und "Experte für leistungsspezifische Sporternährung" bezeichnete, dem Spieler zur Leistungssteigerung das Nahrungsergänzungsmittel Tribulus terrestris in Kapseln zu 750 mg gegeben hat ("das Mittel macht 10 bis 15% mehr Leistung aus"). Um was handelt es sich bei dem in Deutschland bisher wenig bekannten pflanzlichen Präparat, das sich in der rechtlichen Grauzone der Nahrungsergänzungsmittel [7] tummelt, die wegen der unklaren Abgrenzung von den Arzneimitteln auch in der Apotheke Probleme aufwerfen können [13]?

Tribulus terrestris L., der Erdburzeldorn (Abb. 1), ist ein Vertreter der Zygophyllaceae (Jochblattgewächse). Die einjährige Pflanze, wegen der mit kantigen Auswüchsen versehenen Teilfrüchte auch Erdsternchen, Bettlernuss oder Dreispitz genannt, kommt verbreitet in Südeuropa vor und dürfte ihre Heimat im Mittelmeerraum und im westlichen Asien haben.

Da die Früchte sich leicht im Fell von Tieren festsetzen oder sich zwischen die Hufe von Weidetieren klemmen, ist die Pflanze in weiten Teilen des wärmeren Europas, Asiens und Amerikas zu finden [8]. Aber auch in Nord-, West- und Südafrika kommt sie vor und ist vor allem in Südafrika als eine für Weidetiere gefährliche Giftpflanze bekannt [4].

Drogen und Inhaltsstoffe der Zygophyllaceen

Zur Familie der Zygophyllaceen gehören auch einige pharmazeutisch interessante Pflanzen:

  • Larrea divaricata Cav., der Kreosotbusch, liefert die als Antoxidans gebrauchte meso-Nordihydroguajaretsäure (NDGA) und andere Lignane sowie den in den USA volksmedizinisch gebräuchlichen Chaparral-Tee (Herba Palo ondo).
  • Peganum harmala L., die Steppenraute, enthält Indolalkaloide vom β-Carbolintyp (Harmanalkoloide) und ist als Gift- und Rauschgiftpflanze von Interesse.
  • Guajacum officinale L. und G. sanctum L. sind die Stammpflanzen der obsoleten Droge Guajaci lignum, des Guajakholzes, das als Lignum sanctum einmal ein Remedium gegen die Syphilis war [22]. Ein Extrakt aus dem Holz wird neuerdings wieder als Schmerzmittel empfohlen (Präparat Cefadolor®), während das aus dem Holz gewonnene Harz Grundlage eines Tests ist: Eine Lösung des Harzes in absol. Alkohol ist ein Reagenz auf oxidierende Substanzen. Es dient vor allem zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl (Hämokkult-Test).

Das Inhaltsstoffspektrum der Zygophyllaceen ist also vielschichtig: Lignane und Harmanalkaloide kommen ebenso wie Saponine in der Familie vor, wobei auch das Saponinspektrum charakteristisch ist: Neben Triterpensaponinen sind Steroidsaponine, die ansonsten bei dikotylen Pflanzenfamilien eher selten sind, ein typisches Familienmerkmal [5].

Tribulus terrestris-Inhaltsstoffe ...

Auch für Tribulus terrestris sind Steroidsaponine nachgewiesen. Aglyka dieser als Terrestroside A bis K bezeichneten Verbindungen sind Diosgenin und Tigogenin (Abb. 2); ferner werden Neotigogenin und Neohecogenin, nach älteren Angaben auch Gitogenin, Ruscogenin und Chlorogenin genannt [9] (neuere analytische Arbeiten: [3, 23]). Aus der Tribulus terrestris-Präparation "Tribestan" (s. u.) wurde auch ein sulfatiertes Diosgenin-rhamnoglucosid isoliert [12].

Weitere Inhaltsstoffe sind verschiedene Flavonoide: Quercetinglykoside, ein Kämpferol-3-rutinosid und ein Kämpferol-3-glucosid (Astragalin), Tribulosid und Rutosid. In Kraut und Samen wurden Harmanalkaloide gefunden; der Gehalt war allerdings, verglichen mit der Steppenraute, sehr niedrig [9]. In den Früchten sind ferner Lignanamide (Tribulusamid A und B) nachgewiesen, denen hepatoprotektive Eigenschaften zukommen sollen [11].

... und -Wirkungen

Die Früchte gelten als diuretisch wirksame Droge [17] und sind in der Ayurveda-Medizin auch als Mittel gegen Urolithiasis bekannt [1]. Wässrige Extrakte erwiesen sich im Tierversuch als analgetisch wirksam [21]. Hinweise auf eine Wirkung als Aphrodisiakum finden sich vereinzelt in der Literatur, ohne dass dies auf bestimmte Inhaltsstoffe zurückgeführt wird, z. B. bei [10] in einer tabellarischen Übersicht, bei [15] als Aphrodisiakum und Geriatrikum der ayurvedischen Medizin genannt. Auch bei [19] heißt es ohne nähere Literaturangabe: Präparate aus Tribulus terrestris sollen die Spermatogenese beim Mann und die Ovarialfunktion bei der Frau stimulieren und werden in der GUS als Sexualtonikum und bei Dysmenorrhö eingesetzt.

Lediglich in einer Arbeit aus dem Jahr 1988 [6] werden in Versuchen an jungen und älteren Schafböcken eine Steigerung des Blut-Testosterongehalts und eine Stimulierung der Hodenreifung beschrieben. Für die Versuche wurde ein unter der Bezeichnung "Tribestan" im Handel befindlicher, nicht näher charakterisierter Extrakt aus Tribulus terrestris eingesetzt.

Anpreisung im Internet

Im Gegensatz zu diesen eher dürftigen Informationen über Wirkungen von Tribulus terrestris steht die Tatsache, dass entsprechende Präparate im Internet in großer Zahl angeboten und mit z.T. abenteuerlichen Aussagen angepriesen werden². Die folgenden Beispiele stellen nur eine kleine Auswahl dar:

  • "Tribulus terrestris ist ein potentes medizinisches Kräutergewächs, von dem wissenschaftlich bewiesen wurde, dass es die natürliche Testosteronausschüttung erhöht. Studien haben gezeigt, dass das luteinisierende Hormon (LH) vermehrt ausgeschüttet und so dem Körper signalisiert wird, mehr Testosteron in die Blutbahn zu schicken."
  • "Tribulus terrestris wird schon seit Jahrhunderten in Griechenland, Indien und China als Aphrodisiakum, als Diuretikum, als Antiseptikum und als Heilpflanze gegen Störungen der Leber, der Nieren und des Herz-KreislaufSystems eingesetzt. Allgemein anerkannte, in Studien nachgewiesene Wirkungen: - Verbesserung der Manneskraft bei Männern mit Potenzproblemen - Verbesserung der Fruchtbarkeit und Reduktion von Wechseljahrbeschwerden bei Frauen - Verbesserter Muskelaufbau sowie Leistungssteigerung bei Bodybuildern durch erhöhten Testosteronspiegel."
  • "Tribulus wurde ursprünglich in Bulgarien angebaut. Der Extrakt enthält hochwirksame Saponine, pflanzliche Steroide, welche traditionell zur Steigerung der Libido genutzt wurden. Neuerdings nutzen immer mehr Kraftsportler Tribulus mit großem Erfolg, wie z.B. das Bulgarische Powerlifting Team."
  • "Dynamite for your muscles! Testen Sie die Neuheit aus den USA. Diese Neuentwicklung aus den USA beruht auf einem Originalrezept aus Bulgarien und wird aus hochkonzentriertem Tribulus-terrestris-Extrakt hergestellt. Es war lange Zeit das wohl bestgehütetste Geheimnis osteuropäischer Athleten und wird seit Jahren von vielen World Champions mit großem Erfolg eingesetzt. ... Schon nach 4 - 5 Tagen erhöht sich der körpereigene Testosteronspiegel um bis zu 75%! Das bedeutet im Training spürbaren Kraftzuwachs, aufgepumpte Muskulatur und eine stark verkürzte Regenerationszeit."
  • "In unserem Mega Tribulus wird statt des üblichen Tribulus-Pulvers ein Extrakt mit sehr hohem Saponingehalt 80 mg (!) verarbeitet, der Ihnen ganz besonders gute Ergebnisse bringt!" Die angebotenen Präparate präsentieren sich als Tabletten (250 mg; 2-mal tgl. vor dem Essen), als Kapseln ohne nähere Angabe, aber mit Vitaminen und Zink "optimiert", als Tabletten zu 625 mg, standardisiert auf 20 bis 29% Steroidsaponine, zusätzlich mit Kudzu (Pueraria lobata) kombiniert, einer Droge, die als Alkohol-, neuerdings auch als Raucher-Entwöhnungsmittel angepriesen wird [16, 2], oder als Tabletten mit 80 mg Saponin, wobei der "Mega Preis" für eine Monatspackung "nur" 79,90 DM beträgt. Zu möglichen Nebenwirkungen heißt es nur in einem Falle: "Überdosierungsprobleme sowie Nebenwirkungen sind bisher nicht bekannt."

Werbeaussagen problematisch

Vergegenwärtigt man sich den eher dürftigen Kenntnisstand über Wirkungen von Tribulus terrestris, so kann man über die Anpreisungen entsprechender Präparate für Bodybuilder und andere Interessenten nur den Kopf schütteln. Auch wenn Saponine - das gilt für Triterpensaponine wie auch für Steroidsaponine - vielfältige Wirkungen entfalten können und wir Saponindrogen mit sekretolytischen, diuretischen, antiexsudativen oder antiphlogistischen Effekten kennen [20], so dürften die Aussagen über den Erdburzeldorn recht problematisch sein. Problematisch ist aber vor allem auch die Tatsache, dass auf mögliche unerwünschte Wirkungen nicht hingewiesen wird.

Toxisches Potenzial

Wie schon erwähnt [4], ist Tribulus terrestris in Südafrika, aber auch in anderen Ländern (z. B. in Argentinien [18]) eine bekannte Giftpflanze. Bei Schafen und Ziegen kommt es, wenn das Kraut in größeren Mengen mit der Nahrung aufgenommen wird, zu der in Südafrika als "geeldikkop" bezeichneten Erkrankung. Ihr liegt eine hepatogen bedingte Photosensibilisierung zugrunde, die u.a. durch eine Gelbsucht und Flüssigkeitsabsonderungen im Bereich der Augen und Ohren charakterisiert ist.

Die ikterogene Wirkung wird, wie auch bei einigen anderen Pflanzen, z. B. dem Beinbrech oder der Ährenlilie, Narthecium ossifragum L., den Steroidsaponinen zugeschrieben. Sie führen vermutlich über eine Störung der Gallensaftausscheidung zur Anreicherung von Abbauprodukten von Porphyrinderivaten und damit (sekundär) zu einer Photosensibilisierung [19]. Leberschädigungen sind im übrigen auch nach dem Trinken von Chaparral-Tee (von Larrea divaricata) beobachtet worden [4].

Wenn man sich also die Möglichkeit vergegenwärtigt, dass es durch die Steroidsaponine oder auch Sapogenine von Tribulus terrestris zu Vergiftungen bei Tieren kommt, so würden entsprechende Intoxikationen beim Menschen nach unkontrollierter Einnahme nicht überraschen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass von der Einnahme von Tribulus terrestris-Präparaten als "Nahrungsergänzungsmittel" dringend abzuraten ist, da weder die erwünschten (behaupteten) Wirkungen hinreichend belegt noch unerwünschte Wirkungen mit Sicherheit auszuschließen sind.

Literatur [1] Anand, R., et al.: Evaluation of antiurolithiatic activity of Tribulus terrestris. Int. J. Pharmacognosy 32, 217-224 (1994). [2] Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Dtsch. Apoth. Ztg. 139, 3098-3100 (1999). [3] Fang, S., et al.: Application of electrospray ionization mass spectrometry combined with sequential tandem mass spectrometry techniques for the profiling of steroidal saponin mixture extracted from Tribulus terrestris. Planta Med. 65, 68-73 (1999). [4] Frohne, D., H. J. Pfänder: Giftpflanzen, 4. Aufl., S. 399. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1997. [5] Frohne, D., U. Jensen: Systematik des Pflanzenreichs, 5. Aufl., S. 193. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1998. [6] Georgiev, P., M. Dimitrov, S. Vitanov: Effect of Tribestan (from Tribulus terrestris) on plasma testosterone and spermatogenesis in male lambs and rams. Veterinarna-Sbirka 86 (3), 20-22 (1988). [7] Hahn, A., M. Wolters, G. Hanke: Nahrungsergänzungsmittel. Möglichkeiten und Grenzen. Dtsch. Apoth. Ztg. 139, 2470-2482 (1999). [8] Hegi, G.: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Bd. V/1, S. 42-44. (vorm. F. J. Lehmanns Verlag), Paul Parey Verlag, Hamburg 1981. [9] Hegnauer, R.: Chemotaxonomie der Pflanzen, Bd. VI, S. 711-716, 1973, Bd. IX, S. 783, 1990. Birkhäuser-Verlag, Basel, 11 Bde. ab 1962. [10] Lewis, W. H., M. P. F. Elvin-Lewis: Medical Botany, p. 331. John Wiley & Sons, New York 1977. [11] Li-Jian Xin, et al.: Tribulusamide A and B, new hepatoprotective lignanamides from the fruits of Tribulus terrestris: indications of cytoprotective activity in murine hepatocyte culture. Planta Med. 64, 628-631 (1998). [12] Mashchenko, N. E., et al.: A sulfated glycoside from the preparation "tribestan". Chem. Nat. Comp. 26, 552-555 (1990). [13] Meyer, A. H., A. Reinhardt: Verkauf von "RP1-Glucuronsäure" - Massenverfahren gegen Apotheken droht. Apoth. Ztg. 15 (45), 1 u. 8 (1999). [14] Muras, U.: 1. FC Nürnberg droht Schadensersatz. Die Welt vom 18. 9. 1999. [15] Rätsch, C.: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, 2. Aufl., S. 585. AT Verlag, Aarau 1998. [16] Saller, R., J. Reichling: Pueraria lobata - Eine Heilpflanze gegen Alkoholmissbrauch? Dtsch. Apoth. Ztg. 136, 677-679 (1996). [17] Shamima, H., A. M. Khan, S. Hashmi: Pharmacognostical standardisation of Tribulus terrestris L. (Fruits): A diuretic drug. New Botanist 23, 1-4, 31-36 (1996). [18] Tapia, M. O., M. A. Giordano, H. G. Gueper: An outbreak of hepatogenous photosensitization in sheep grazing Tribulus terrestris in Argentina. Vet. Hum. Toxicol. 36, 311-313 (1994). [19] Teuscher, E., U. Lindequist: Biogene Gifte, 2. Aufl., S. 163. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1994. [20] Teuscher, E.: Biogene Arzneimittel. 5. Aufl., Stuttgart 1997. [21] Twaij, H. A. A., et al.: Analgesic studies on some Iraqi medicinal plants. Int. J. Crude-Drug-Res. 25, 251-254 (1987). [22] Vöttinger-Pletz, P.: Lignum sanctum. Zur therapeutischen Verwendung des Guajak vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Govi-Verlag, Frankfurt/M. 1990. [23] Wilkins, A. L., et al.: Photosensitivity in South Africa. IX. Structure elucidation of a beta-glucosidase-treated saponin from Tribulus terrestris, and the identification of saponin chemotypes of South African T. terrestris. Onderstepoort J. Vet. Res. 63, 327-334 (1996).

Fußnoten ¹ Für den Hinweis auf den Artikel in der "Welt" danke ich Herrn Apotheker Menard, Hamburg. ² Für die Durchführung der Internet-Recherche bin ich Herrn Dr. H. J. Pfänder, Kiel, zu Dank verpflichtet.

Als Mittel zur Leistungssteigerung wird die südeuropäische Pflanze Erdburzeldorn (Tribulus terrestris) u. a. im Internet beworben. Kürzlich kam sie sogar im Zusammenhang mit Doping von Sportlern ins Gerede. Die angepriesenen Wirkungen der Pflanze sind jedoch fragwürdig, darüber hinaus besitzt sie ein erhebliches toxisches Potenzial. 60

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