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Die Seite 3
Das lässt aufhorchen: Bei der Einnahme des "Millionensellers" Johanniskraut können Wechselwirkungen mit anderen z. T. lebenswichtigen Arzneimitteln auftreten. In der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift "Clinical Pharmacology & Therapeutics" veröffentlichte Professor Ivar Roots, klinischer Pharmakologe an der Uniklinik Charité, seine von der Firma Lichtwer unterstützten Untersuchungen zu diesem Phytopharmakon (siehe auch unseren Bericht in DAZ 47 S. 10).
Das Antidepressivum Johanniskraut, das Lifestyle-Phyto, das in manchen Augen harmlose und sanfte Therapeutikum gegen Depressionen, steht in Verdacht, die Pharmakokinetik von Präparaten wie Phenprocoumon, Digoxin oder Amitriptylin zu beeinflussen. Dass dies theoretisch sogar zu lebensbedrohlichen Zwischenfällen führen könnte, so z. B. bei den gerinnungshemmenden Mitteln oder bei Digitalispräparaten, ist leicht vorstellbar. In unserem Interview mit Professor Roots erfahren wir, dass es zwar nur sehr wenige Berichte gibt, wo dies tatsächlich zu einem Problem wurde, aber bisher hat man da noch gar nicht so richtig in diese Richtung geschaut. Man muss diese Erkenntnisse also durchaus ernst nehmen.
Was haben wir in der Pharmakologievorlesung gelernt: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Für Johanniskraut scheint sich dies zu bestätigen. Bis heute wissen wir allerdings nicht einmal, was genau im Johanniskrautextrakt das wirksame Prinzip ist. Der Hyperforin/Hypericin-Streit ist noch nicht entschieden - vielleicht sind es ja auch ganz andere Stoffe, die zur Wirkung beitragen, z. B. die Flavonoide. Man kann daher auch noch nicht sagen, worauf die Wechselwirkungen beruhen. Der Pharmakologe der Charité könnte sich vorstellen, dass Johanniskrautextrakt u. a. die Aktivität von P-Glykoprotein stimuliert. Das wiederum könnte bedeuten, dass auch der Metabolismus anderer Arzneistoffe nach Einnahme des Phytopharmakons beeinflusst werden könnte, z. B. der von Kontrazeptiva. Boulevardzeitungen würden daraus schon die Schlagzeile "Schwanger nach Einnahme von Johanniskraut" basteln. Doch dafür reichen die heutigen Erkenntnisse nicht.
Dennoch, Professor Roots rät dazu, die Interaktionen ernst zu nehmen. Man sollte es dem Patienten nicht selbst überlassen, welche Arzneimittel er zusammen mit Johanniskraut einnimmt. So empfiehlt Roots zwar nicht die Verschreibungspflicht für Johanniskrautpräparate einzuführen, wie "Die Woche" in der vergangenen Woche unkorrekt berichtete, aber über die Apothekenpflicht nachzudenken oder zumindest Hinweise in den Beipackzettel aufzunehmen, seien angebracht.
Alle Johanniskrautpräparate raus aus den Regalen von Aldi, Schlecker und Co., zurück in die Apotheke? Als apothekenpflichtiges Arzneimittel mit pharmakologischer Wirkung müsste für das Präparat eine "ordentliche" Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz vorliegen mit dem Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Den dürften von den derzeit auf dem Markt befindlichen Johanniskrautpräparaten nur ein kleiner Teil vorweisen. Der Johanniskrautmarkt würde kleiner. Bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnisse nicht die Verschreibungspflicht erforderlich machen...
Peter Ditzel
Natur wirkt
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