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Arzneimittel und Therapie
Metastasierendes Kolorektalkarzinom: Oxaliplatin für die First-line-Therapie
Das Thema ist von Bedeutung: 60000 Männer und Frauen in Deutschland erkranken jedes Jahr an einem kolorektalen Karzinom. Das Risiko, im Laufe des Lebens an Dickdarmkrebs zu erkranken, liegt damit durchschnittlich bei 6 Prozent. Zum Vergleich: Frauen haben ein etwa zehnprozentiges Mammakarzinom-Risiko.
Wie bei den meisten Krebserkrankungen gilt auch hier: Je früher das Karzinom entdeckt wird, umso besser ist die Prognose. Der Blick auf die Fünf-Jahres-Überlebensraten zeigt dies überdeutlich: Wird im Lokalstadium diagnostiziert und operiert, liegen sie bei über 90 Prozent. Liegen bereits regionale Metastasen vor, reduziert sich die Chance auf 60 Prozent. Bei Fernmetastasen leben nach fünf Jahren lediglich noch 6 Prozent der Patienten.
Das besondere Problem beim Kolorektalkarzinom: Zum Zeitpunkt der Diagnose haben bereits 20 Prozent der Patienten Fernmetastasen, bevorzugt in Leber und Lunge, 41 Prozent regionale Metastasen. Nur bei etwa einem Drittel wird der Tumor bereits im lokalen und damit gut operablen Stadium entdeckt. Beim Rektumkarzinom sind die Zahlen nur unwesentlich günstiger.
Koloskopie für alle?
Große Fortschritte in der Diagnostik sind noch nicht zu verzeichnen. Dabei ist der "richtige" Ansatz längst bekannt, gilt doch die Adenom-Dysplasie-Karzinom-Sequenz längst als gesichert. Werden Adenome rechtzeitig entfernt, lässt sich das Risiko drastisch senken. Das klingt jedoch einfacher, als es in der Praxis ist. Denn Adenome lassen sich sicher nur mit einer Koloskopie feststellen. Es gibt daher Stimmen, die zumindest eine einmalige Koloskopie im Lebensalter von 45 bis 50 Jahren für sinnvoll halten. Damit sollen die Risikopatienten herausgefiltert werden - und einer regelmäßigen Adenomentfernung unterzogen werden.
Nicht mehr umstritten: Chemotherapie
In der Therapie des lokalen Kolorektalkarzinoms ist die Strategie klar: Operative Entfernung lautet hier die Devise. Weitaus umstrittener war dagegen lange Zeit das Vorgehen beim metastasierenden kolorektalen Karzinom. Erst in den 80er Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine adjuvante Chemotherapie dem "Best Supportive Care" klar überlegen ist. Die mittlere Überlebensdauer, so zeigten damals die Studien, lässt sich mit 5-Fluorouracil, der damals einzigen wirksamen Substanz, von fünf auf elf Monate verlängern. Höhere Ansprechraten lassen sich durch die Kombination mit Folinsäure erreichen. Über viele Jahre galt deshalb die Kombination von 5-FU und Folinsäure als "Standard" beim metastasierenden Kolorektalkarzinom.
Oxaliplatin: ein DACH-Platin mit synergistischer Wirkung
In den letzten Jahren ist nun Schwung in die Chemotherapie gekommen. Neue Substanzen mit anderen Wirkmechanismen bieten sich als Kombinationspartner zur herkömmlichen Standardtherapie an. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Topoisomerase-I-Hemmer Irinotecan eingeführt. Nun steht mit Oxaliplatin (Eloxatin®) ein neuer Wirkstoff zur Verfügung, der die Aussichten für Patienten mit Kolorektalkarzinom verbessern kann.
Oxaliplatin wirkt - ähnlich wie Cisplatin -, indem es DNA-Platin-Intrastrang-Addukte bildet, die die DNA-Synthese inhibieren. Es ist allerdings aufgrund seiner chemischen Struktur deutlich wirksamer. Bei Oxaliplatin handelt es sich nämlich um ein so genanntes DACH-Platin, als dessen Carrier-Ligand ein "großräumiges" DiAminoCycloHexan (DACH) fungiert. Im Vergleich dazu ist Cisplatin ein eher kleines Molekül. DACH-Platin-Addukte sind daher sperriger als Cisplatin-Addukte und hemmen die DNA-Synthese effektiver.
Dass Oxaliplatin, die erste zugelassene DACH-Pt-Verbindung, eine synergistische zytotoxische Wirkung in Kombination mit 5-Fluorouracil zeigt, konnte sowohl in vitro als auch in vivo beobachtet werden. In Deutschland zugelassen ist Oxaliplatin seit Ende August zur First-line-Behandlung des metastasierenden kolorektalen Karzinoms. Bei dieser Indikation kann die Zahl der Remissionen sowie das progressionsfreie Überleben klar erhöht werden. So ließ sich in einer Studie bei 200 nicht vorbehandelten Patienten durch die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin zu 5-FU und Folinsäure die Ansprechrate, definiert als partielle und komplette Remission, mehr als verdoppeln (34 Prozent versus 12 Prozent). Das progressionsfreie Überleben erhöhte sich von 4,3 auf 7,9 Monate, das Gesamtüberleben von 17,6 auf 19,4 Monate.
Neutropenien extrem selten
Doch keine Chemotherapie ist ohne Nebenwirkungen. So treten häufig Diarrhöen auf, je nach Applikationsschema zwischen 13 und 43 Prozent. Extrem selten sind dagegen Neutropenien. Sie wurden nur von 1 bis 2 Prozent der behandelten Patienten entwickelt. Febrile Neutropenien wurden überhaupt nicht beobachtet. Der Nachteil von Oxaliplatin: Ein Teil der Patienten entwickelt eine periphere sensorische Neuropathie. Die neurologische Verträglichkeit muss deshalb in besonderem Maße überwacht werden, um rechtzeitig reagieren zu können - mit einer Dosisreduktion oder einer Unterbrechung der Therapie.
Quelle: Prof. Dr. Dieter Hölzel, Prof. Dr. Clemens Unger, Prof. Dr. Hans-Joachim Schmoll. Pressekonferenz "Was kommt nach 40 Jahren 5-FU beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom?", München, 10. September 1999, veranstaltet von sanofi-synthelabo, München.
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