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Doppelte Geburtstagsfeier in Hamburg

HAMURG (tmb). Am 3. November 1998 beging das Pharmazeutische Institut der Universität Hamburg im Rahmen einer akademischen Feier mit zahlreichen Gästen gleich zwei Jubiläen. An diesem Tag feierte Prof. Dr. Jobst B. Mielck seinen 60. Geburtstag. Zugleich wurde die 30jährigen Geschichte des Institutes in seinem jetzigen Institutsgebäude gewürdigt.


Prof. Dr. Detlef Geffken, geschäftsführender Direktor des Instituts, berichtete über den Beschluß, das Gebäude umfassend zu modernisieren. Dies sei nicht nur wegen des großen Sanierungsbedarfes bedeutsam, sondern auch als wichtige Aussage zur Sicherung des Universitätsstandortes Hamburg für die Pharmazie zu sehen.
Mit Blick auf die künftige pharmazeutische Ausbildung stellte DPhG-Präsident Prof. Dr. H. P. T. Ammon, Tübingen, in seinem Grußwort den jüngsten Bericht zur Novellierung der Approbationsordnung (siehe Bericht in dieser DAZ-Ausgabe) vor. Er sprach sich dabei nachdrücklich für die Integration der Pharmakologie in die Pharmazie aus, die leider nicht an allen Standorten als eigenes pharmazeutisches Fach vertreten sei. Doch seien bei einer Ausdünnung des Faches politische Konsequenzen zu befürchten.
Außerdem würdigte Ammon die vielfältigen wissenschaftlichen Anregungen, die die Pharmazie aus der Pharmakologie erfahre. Als weitere Aufgabe für die Pharmazie müsse ein wissenschaftliches Fundament für die Klinische Pharmazie geschaffen werden.
In einem weiteren Grußwort wies der Präsident der Hamburger Apothekerkammer Dr. Hans-Jochen Gelberg auf die gute und enge Beziehung zwischen der Hamburger Universität und der Kammer hin. Diese zeige sich bereits in verschiedenen gemeinsamen Veranstaltungen; die Beziehungen sollten demnächst weiter verbessert werden.
Auch bei der Weichenstellung für die Zukunft des Apothekerberufes sei stets zu beachten, daß die Pharmazie eine Naturwissenschaft sei und bleiben müsse. Wegen der nötigen Anwendungsberatung dürften die klassischen Aufgaben der Pharmazie nicht über Bord geworfen werden.
Der Dekan des Fachbereiches Chemie Prof. Dr. Wittko Franke würdigte die lange Geschichte der Pharmazie in Hamburg und das vielfältige Engagement des Jubilars. Er dankte Prof. Mielck sowohl für seine qualitativ hochwertigen international anerkannten fachlichen Leistungen als auch für den persönlichen Einsatz bei vielen Gelegenheiten. Auch unangenehme Aufgaben erfülle er mit Besonnenheit auf typisch hanseatische Art.
In einer Festrede während der akademischen Feier gab Prof. Dr. Harald G. Schweim, Köln, einen umfassenden und teilweise sehr persönlich geprägten Einblick in die Geschichte des Hamburger Pharmazeutischen Institutes (siehe nachfolgenden Artikel), der den auswärtigen Gästen manche amüsante Anekdote und vielfältige interessante Hintergründe zur Entwicklung der universitären Pharmazie in Hamburg vermittelte.

Bedeutung der Grundlagenforschung


Prof. Dr. G. Zinner, Braunschweig, führte einige "Gedanken und Bemerkungen zur Grundlagenforschung" aus. Die Grundlagenforschung werde vielfach geschmäht, statt dessen werde von Politikern oder Geldgebern nach schnell verwertbaren oder vermarktbaren Ergebnissen gefragt. Doch sei Forschung nicht nur an solchen Ergebnissen zu messen, sondern gemäß Lichtenberg zu definieren als "Erweiterung der Grenzen der Wissenschaft". Die gängige Aufteilung in Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung entspringe vermutlich einer verbreiteten Neigung zu Dualitäten. Doch solle die Grundlagenforschung nicht von der Anwendung abgegrenzt werden, sondern nur von ihr unabhängig sein.

  • Angemessener als eine Zweiteilung der Forschung erscheine ein dynamisches Forschungsdreieck in Anlehnung an den Philosophen Mittelstraß. Darin stünden eine
  • erkenntnisorientierte reine Grundlagenforschung,
  • eine anwendungsorientierte Grundlagenforschung und
  • eine produktorientierte Anwendungsforschung jeweils miteinander in Wechselbeziehung.


Weiterhin mahnte Zinner, jede wissenschaftliche Tätigkeit vor ihrem geschichtlichen Hintergrund zu sehen und sich der Forscher bewußt zu sein, die die Grundlagen für spätere Entwicklungen gelegt haben. So sei die Bedeutung der Grundlagenforschung zu würdigen, die ohne Kenntnis der späteren Entwicklung die Voraussetzungen für praktisch verwertbare Arbeiten schafft.

Die Tablette - ein faszinierendes Forschungsobjekt


Der weitere Verlauf der Feier stand im Zeichen des 60. Geburtstages von Professor Mielck. APV-Vizepräsident Dr. Armin Laicher gratulierte im Namen der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik und würdigte den Einsatz des Jubilars für diese Organisation, insbesondere bei der Organisation von APV-Kongressen und in der achtjährigen Zeit als Leiter der "Acta Pharmaceutica Technologica". Die APV setze auch in Zukunft auf sein Engagement. Die anschließende Laudatio für Mielck hielt Prof. Dr. C. Führer, Braunschweig. Er zeichnete kurz die Stationen des bisherigen Lebensweges von Mielck nach und erläuterte Besonderheiten seines bevorzugten Forschungsobjektes, der Tablette. Mielck ist in Hamburg geboren und aufgewachsen, studierte in Kiel und Zürich und verbrachte seine Kandidatenzeit in Preetz und Hamburg. Weitere Stationen waren Helsinki, Gainesville (USA) und wiederum Hamburg und Zürich, wo er bei Professor Speiser tätig war. Bereits sieben Jahre nach seiner Promotion wurde Mielck auf den Lehrstuhl in Hamburg berufen, den er seit 1974 innehat und von Professor Sucker übernahm. Die Treue zu Hamburg habe der konsequenten Entwicklung der Abteilung für Pharmazeutische Technologie gutgetan. So habe die dort geleistete Arbeit vielfältige, auch internationale Anerkennung gefunden.

Lehre regt Forschung an


Führer wies auf die persönliche Atmosphäre innerhalb der Abteilung hin und machte dabei die enge Verknüpfung von Forschung und Lehre deutlich. Entgegen verschiedenen politischen Aussagen sei diese Verbindung eine unabdingbare Voraussetzung, um das fachliche Wissen zu vermitteln. Zudem rege die Lehre die Forschung an.
Inhaltlich steht der größte Teil der Forschungsarbeit des Jubilars im Zusammenhang mit der Tablette. Diese verhältnismäßig junge, erst vor etwa 150 Jahren entwickelte Arzneiform wirft eine Vielzahl von theoretischen und praktischen Fragen auf. Sie ist ein Produkt einer empirisch-technischen Entwicklung, so daß noch immer nach den Gesetzmäßigkeiten zu fragen ist, die dieser Empirie zugrundeliegen. Dabei fließen Erkenntnisse aus verschiedenen angrenzenden Fachgebieten ein.
Ausgangsstoff der Tablettierung ist ein disperses Pulver, das aus sich berührenden Feststoffpartikeln und einer Gasphase besteht. Bei der Verdichtung wird die Gasphase überwiegend ausgetrieben und die Feststoffpartikel werden irreversibel verformt. Aufgrund der Heterogenität des Systems besteht eine heterogene Kraftverteilung, die als Materialspannung darzustellen ist. Gerade die inhomogene Kraftverteilung innerhalb des zu tablettierenden Gutes ist als optimale Voraussetzung für die irreversible Verformung und das Erstellen einer Tablette anzusehen. Zur Beschreibung dieser Vorgänge haben sich kristallographische Daten als besonders aussagekräftig erwiesen. Führer erläuterte, daß Mahlprodukte und mikronisierte Produkte als Ausgangsstoffe für die Tablettierung problematisch sind, vielmehr sollten definierte Massenkristallisate eingesetzt werden, wofür jedoch eine erhebliche Entwicklungsarbeit zu leisten wäre.
Ein erheblicher Teil der Untersuchungen zur Tablettierung befaßt sich mit der dabei umgesetzten Energie. Dabei ist eine Erwärmung der frisch hergestellten Tabletten auf Temperaturen von 40 ūC oder allenfalls 60 ūC festzustellen, die jedoch einige örtlich sehr begrenzte chemische Reaktionen innerhalb des Tablettiergutes nicht verursachen können. Dies läßt auf streng lokalisierte erheblich energiereichere Vorgänge schließen. Als Voraussetzung für die Überlegungen zur Energiebilanz sind die Kraftmessungen bei der Tablettierung anzusehen, mit denen sich Mielck intensiv befaßt. So kann die Komprimierbarkeit mit Hilfe von Kraft-Weg-Diagrammen charakterisiert werden. Eine gute Kompression gelingt, wenn der größte Teil der aufgewendeten mechanischen Energie als Wärme wieder freigesetzt wird. Doch erlauben Kraft-Weg-Diagramme keine Aussagen, ob als Endprodukt eine stabile Tablette entsteht, da dies von einer Vielzahl von Einflußgrößen abhängt, die in einer solchen Darstellung nicht hinreichend zu erfassen sind. Daher sieht Führer in der Tablette weiterhin ein faszinierendes Forschungsgebiet.

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