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Völlig unerwartet, was das Ausmaß der Auswirkungen betrifft, kam der erste Gesetzentwurf der neuen Gesundheitsministerin Andrea Fischer ins Deutsche Apothekerhaus. Während die Wahlgeschenke schon vorher bekannt waren, wurde bis Montag abend auf höchster Regierungsebene an der Gegenfinanzierung gebastelt. Was dabei schließlich als Kabinettsentwurf herauskam, wird für uns Apotheker katastrophale Folgen haben:
- Für 1999 werden die Arznei- und Heilmittelbudgets auf dem Niveau von 1996 minus 4,5 Prozent festgelegt.
- Bei Budgetunterschreitung dürfen Ärzte und Krankenkassen Regelungen über die Mittelverwendung treffen. Dies ist geradezu eine Aufforderung des Gesetzgebers, Bonusverträge abzuschließen.
- Der Zugriff der Krankenkassen auf das ärztliche Honorar bei Budgetüberschreitungen wird wesentlich vereinfacht.
- Die Festbeträge für Arzneimittel der Stufe I (wirkstoffgleiche Arzneimittel) dürfen zukünftig den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Preisspektrums der jeweiligen Festbetragsgruppe nicht überschreiten. Dies führt entweder zu Mehrkosten für die Versicherten oder, falls die Hersteller ihre Preise absenken, zu einer Verringerung des Preisspektrums und damit zu weiteren Festbetragsabsenkungen. Hier wird eine Spirale nach unten auf das niedrigste Niveau etabliert.
Zusammengenommen bedeutet das bei Budgeteinhaltung für uns Rohertragsverluste von voraussichtlich 50000 DM je Apotheke. Die Wahlgeschenke werden also wieder einmal schwerpunktmäßig über den Arzneimittelbereich finanziert. Und das, obwohl die Arzneimittelpreise heute auf dem Niveau von 1988 liegen, der mengenmäßige Arzneimittelverbrauch trotz gestiegener Bevölkerungszahl und veränderter Altersstruktur 200 Millionen Packungen niedriger als 1992 ist und der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben der Kassen von 15 auf 12,5 Prozent zurückgeführt werden konnte. Wäre in allen anderen Ausgabenbereichen der Gesundheitsversorgung annähernd so scharf eingegriffen worden, könnten die GKV-Beitragssätze heute bei etwas über 10 statt bei fast 14 Prozent liegen.
Wir Apothekerinnen und Apotheker haben seit 1993 nicht nur sämtliche Rationalisierungsreserven ausgeschöpft, wir haben auch entgegen des allgemeinen konjunkturellen Trends die Zahl der Arbeitsplätze um rund 10000 auf über 130000 Mitarbeiter erhöht. Es ist schockierend, daß ausgerechnet die neue rot-grüne Bundesregierung, die mit dem ausdrücklichen Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze angetreten ist, als eine ihrer ersten Maßnahmen ein Programm zur Vernichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in den Apotheken, aber wohl auch in der pharmazeutischen Industrie und im Großhandel vorlegt. Dies betrifft insbesondere Frauen, deren wohnortnahe Arbeitsplätze wegfallen.
So schockierend dies ist, werden wir nicht in Stillschweigen verharren. Folgende Sofortmaßnahmen sind beschlossen: Wir haben den Bundeskanzler und die Gesundheitsministerin noch am Tag der ersten Regierungserklärung in persönlichen Briefen eindringlich davor gewarnt, dieses Gesetz in dieser Form einzubringen. Die Fraktionsvorsitzenden sowie alle Abgeordnete des Deutschen Bundestages werden wir umfassend in persönlichen Briefen über die Konsequenzen dieses Gesetzes informieren. Der nächsten Ausgabe dieser Zeitung wird eine Kopiervorlage beiliegen, mit der Sie Ihre Kunden informieren können. Darüber hinaus werden wir vor dem Anhörungstermin Anzeigen in den meinungsbildenden Medien schalten und eine Pressekonferenz in Bonn durchführen. Die Mitgliederorganisationen der ABDA werden auf der Länderebene ebenfalls alle Kontakte nutzen, um die Sozial- und Gesundheitsminister zu sensibilisieren.
Dieses Gesetz gefährdet die Qualität der Arzneimittelversorgung, für die Sie und Ihre Kollegen sich jeden Tag einsetzen. Auch wenn wir angesichts der politischen Konstellationen wenig Aussicht auf Erfolg haben mögen, heißt es jetzt geschlossen zu agieren. Helfen Sie uns durch Ihre persönliche Mitwirkung in Ihrer Apotheke dabei, ein starkes Signal an die Politik zu geben, das nicht überhört werden kann.
Hans-Günter Friese
Präsident der ABDA - Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände
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