Entlassrezepte und Auslegung der Engpassregeln

Schiedsspruch steht – Rahmenvertrag wird zum 1. Januar angepasst

19.12.2024, 10:45 Uhr

Bei Entlassrezepten droht Apotheken nun deutlich weniger Retaxgefahr. (Bild: LAK BaWü)

Bei Entlassrezepten droht Apotheken nun deutlich weniger Retaxgefahr. (Bild: LAK BaWü)


Im November hatte die Schiedsstelle bereits Eckpunkte für Erleichterungen beim Umgang mit Entlassrezepten beschlossen – diese Woche konnten auch die noch offenen Fragen rund um die Auslegung der jüngsten Engpass-Regeln geklärt werden. Zum 1. Januar wird der Rahmenvertrag angepasst.

Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband hatten in diesem Jahr noch das Ziel, das Schiedsverfahren rund um Entlassrezepte sowie die Auslegung der neuen Abgaberegeln im Fall von Lieferengpässen, die sich aus dem Arzneimittellieferengpassgesetz (ALBVVG) Pflegestudiumstärkungsgesetz ergeben haben, zum Ende zu bringen. Schließlich scheiden sowohl der Schiedsstellenvorsitzende Rainer Hess als auch das unparteiische Mitglied Ingwer Ebsen zum Jahresende aus. 

Dieser Abschluss ist Anfang der Woche gelungen. Der Schiedsspruch liegt noch nicht schriftlich vor – aber die Rahmenvertragspartner sind bereits aufgerufen, ihren Vertrag und seine Anlage 8 anzupassen. Denn die Regelungen sollen zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Entlastung bei Entlassrezepten

Schon bei einem Termin Mitte November war man beim schwierigen Thema Entlassrezepte vorangekommen – und zwar ganz im Sinne der Apotheken. Zwei Jahre hatten Kassen und DAV miteinander gerungen, wie mit fehlerhaften Verordnungen umzugehen ist und wie Retaxgefahren im Zaum gehalten werden können.

Die wichtigste Neuerung ist hier: Telefonische Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt ist bei unklaren Verordnungen grundsätzlich nicht mehr nötig. Lediglich bei BtM- und T-Rezepten müssen die Apotheken auch künftig genauer hinschauen – wegen potenzieller Risiken.

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Schiedsstelle hat entschieden

Weniger Retaxgefahren bei Entlassrezepten

Der DAV hat nun die ABDATA zu den Details informiert, welche wiederum die Apothekensoftwarehäuser ins Bild gesetzt hat.

Demnach besteht der Vergütungsanspruch bei papiergebundenen Entlassverordnungen auch dann, wenn

  • das Kennzeichen Rechtsgrundlage „04“ bzw. „14“ fehlt oder fehlerhaft ist, sofern die Verordnung als Entlassrezept erkennbar ist;
  • die Arztnummer fehlt;
  • das BSNR-Feld leer ist, aber in der Codierleiste die „75“ bzw. „77“ steht;
  • bei abweichenden Ziffern zwischen BSNR-Feld und Codierleiste, wenn in der Codierleiste die „75“ bzw. „77“ steht;
  • bei BTM-/T-Rezepten das BSNR-Feld leer ist, aber das Kennzeichen Rechtsgrundlage „04“ bzw. „14“ vorhanden ist; gleiches im umgekehrten Fall.

Für E-Entlassverordnungen werden bei Bedarf vergleichbare Regelungen vereinbart.

Festgelegt wurde auch, dass das Arztnummern- und BSNR-Feld auf Kosten der Krankenkasse durch die Rechenzentren befüllt wird.

Diese Beanstandungsausschlüsse gelten sogar rückwirkend, sofern nicht schon vor dem 1. Januar 2025 eine verbindliche Beanstandung durch die Kasse stattgefunden hat. Es kommt also nicht auf den Abgabezeitpunkt an, sondern auf die Aktivität der Kasse. Wobei zu beachten ist, dass viele Krankenkassen – allerdings nicht alle – eine Friedenspflicht akzeptiert hatten, teilweise bis Ende 2024. Abweichende Regelungen zur Friedenspflicht bleiben unberührt. 

Auch eine Privatliquidation, wie sie der DAV zuvor empfohlen hatte, darf fortan nicht mehr vorgenommen werden.

Kennzeichnungsprobleme bei Entlassrezepten

Flickenteppich der Friedenspflichten

Prüfreihenfolge bleibt bei Nichtverfügbarkeit weitgehend bestehen

Kompromisse müssen die Apotheken allerdings mit Blick auf Engpassregelungen eingehen. Hier hatten DAV und GKV-Spitzenverband ebenfalls lange um die zutreffende Auslegung der im Sommer 2023 in Kraft getretenen gesetzliche Vorgaben gerungen. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn es in § 129 Abs. 2a SGB V heißt, Apotheken könnten im Fall der Nichtverfügbarkeit „abweichend“ vom Rahmenvertrag ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben? Ist die vorgegebene Abgaberangfolge ganz durchzuprüfen – oder sind die Apotheken bereits frei in der Auswahl, wenn kein Rabattvertragsarzneimittel zur Verfügung steht, also die 1. Stufe der Prüfung vollbracht ist? Und gibt es den 50-Cent-Engpasszuschlag je Verordnungzeile oder je verordneter Packung? Der DAV pochte natürlich auf die für die Apotheken günstigen Interpretationen. Doch die Kassenseite gab nicht nach, sodass letztlich der DAV das Bundesgesundheitsministerium einschaltete und um Auslegungshilfe bat. 

Doch das BMG schlug sich auf die Seite der Kassen. Vor der Schiedsstelle musste der DAV nun einen Kompromiss hinnehmen, hier steht nur eine kleine Erleichterung ins Haus. Es muss auch weiterhin zumindest bis zur zweiten Stufe geprüft werden: Ist also kein Rabattvertragsarzneimittel verfügbar, ist zu schauen, ob eines der vier nächsten preisgünstigen zu haben ist. Erst wenn auch auf dieser Stufe nichts zu haben ist, kann in der Apotheke frei ein passendes alternatives Arzneimittel gewählt werden – mit einem Preis bis zur Höhe des verordneten. 

Nun wird der Rahmenvertrag also nach diesen Vorgaben angepasst, damit er im neuen Jahr in aktualisierter Fassung in Kraft treten kann.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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