Kompromiss zur EU-Kommission

Neuer Gesundheitskommissar: Várhelyi darf mit „gestutzten Flügeln“ ins Amt

Berlin - 21.11.2024, 16:45 Uhr

Trotz massiver Kritik kann er jetzt EU-Gesundheitskommissar werden: Olivér Várhelyi. (Foto: IMAGO/photothek)

Trotz massiver Kritik kann er jetzt EU-Gesundheitskommissar werden: Olivér Várhelyi. (Foto: IMAGO/photothek)


Der umstrittene Ungar Olivér Várhelyi wird wohl als künftiger EU-Gesundheitskommissar in Ursula von der Leyens Team einziehen können. Nach dem massiven Widerstand gegen seine Nominierung wurde nun offenbar ein Kompromiss gefunden. Der beinhaltet, dass Várhelyi die Zuständigkeiten für sexuelle Gesundheit und Krisenmanagement entzogen werden.

Nach der Nominierung der EU-Kommissar*innen im September durch Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU/EVP) war unter den Fraktionen des EU-Parlaments ein Streit über drei der Kandidat*innen entbrannt. Die konservative EVP-Fraktion kritisierte die Nominierung der Spanierin Teresa Ribera (S&D). Sie soll für die Bereiche Wettbewerb und Transformation zuständig sein. In der Kritik stand Ribera, weil ihr die Verantwortung für angebliches Behördenversagen bei der Überschwemmungskatastrophe in Valencia im Oktober zugeschrieben wurde.

Die sozialdemokratische S&D-Fraktion lehnte ihrerseits den Italiener Raffaele Fitto (Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer - EKR) ab, der für Kohäsion und Reformen zuständig sein soll und zudem für eines der sechs Vizepräsident*innen-Ämter vorgesehen ist. Fitto ist Mitglied der italienischen Regierungspartei Fratelli d'Italia.

Ungarischer Gesundheitskommissar sorgte für Widerstand

Ein weiterer Streitfall für die Sozialdemokraten war der Ungar Olivér Várhelyi, der das Amt des Kommissars für Gesundheit und Tierschutz besetzen soll. Várhelyi, der als Kandidat Viktor Orbáns gilt, hatte in seinem vorherigen Amt als Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik die EU-Parlamentarier*innen als „Idioten“ beschimpft. Bei einer ersten Anhörung im EU-Parlament am 6. November entschuldigte er sich zwar dafür. Jedoch konnte er die Mehrheit der Abgeordneten nicht für sich gewinnen. Vor allem seine unklare Haltung zum Thema Abtreibung erregte Unmut bei vielen.

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Die S&D-Fraktion hatte zunächst angekündigt, der Nominierung Várhelyis nur zuzustimmen, wenn ihm die Zuständigkeit für Gesundheit entzogen wird, wie das Nachrichtenportal „Euractiv“ berichtete. Bei einem letzten Verständigungstreffen der drei größten pro-europäischen Fraktionen (EVP, S&D, Renew Europe) am vergangenen Mittwoch konnte zu den personellen Streitfragen zunächst keine Einigung erzielt werden.

Kompromiss zu später Stunde

Diese Woche Mittwoch kam es nun offenbar zu einem Kompromiss. Dieser war notwendig, um eine Blockade der Kommissionsbesetzung und damit der EU-Politik insgesamt zu verhindern. Die Kommission muss in Gänze vom EU-Parlament abgesegnet werden. Das drohte aufgrund der personellen Streitigkeiten zu scheitern.

Jedoch fanden die Fraktionen am späten Mittwoch-Abend offenbar eine Übereinkunft: Die drei strittigen Kandidat*innen erhalten die Zustimmung, S&D und EVP geben wechselseitig ihre Vorbehalte auf. Várhelyi kann also Gesundheits-Kommissar werden, allerdings wurden ihm die „Flügel gestutzt“, wie die Renew-Fraktion in einer Erklärung betonte.

Laut „Euractiv“ dauerte die Pattsituation bis in die Nacht. Als Lösung sei man von den parlamentarischen Gepflogenheiten abgewichen, heißt es, und habe den Abgeordneten gestattet, neben den erforderlichen Genehmigungsschreiben auch Stellungnahmen zu den Kandidat*innen einzureichen.

Die EVP und die rechtsextremen „Patrioten für Europa“ reichten eine Stellungnahme ein, derzufolge eine Zustimmung zu Riberas Nominierung erteilt wird, allerdings unter dem Vorbehalt, dass diese ihr Amt niederlegt, wenn sie in Spanien angeklagt werden sollte. Die S&D- und Renew-Fraktionen versuchten mit einer Stellungnahme zu verhindern, dass der Italiener Fitto neben seiner Position als Kommissar auch das Amt eines Vizepräsidenten erhält. Allerdings sieht es aktuell so aus, als würde diese Forderung nicht umgesetzt werden.

Gesundheitskommissar mit eingeschränkten Kompetenzen

Olivér Várhelyi wird, nach aktuellem Stand, die Zuständigkeit für den Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit entzogen, ebenso wie für den Bereich Krisenvorsorge und Krisenmanagement. Der designierten belgischen Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement, Hadja Lahbib (Renew), werden diese Zuständigkeiten übertragen, berichtet „Euractiv“.

Nun muss noch einmal final im EU-Parlament über die Kommissionsbesetzung abgestimmt werden. Die Abstimmung ist am kommenden Mittwoch geplant. Wenn der gefundene Kompromiss trägt, könnte die Kommission am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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