Redcare versus DocMorris

Das Rx-Rennen der Versandhändler

Stuttgart - 27.08.2024, 07:00 Uhr

Bei der Zwischenbilanz nach sechs Monaten zeigt sich: Redcare liegt vorne, DocMorris versucht, den Anschluss zu halten. Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk

Bei der Zwischenbilanz nach sechs Monaten zeigt sich: Redcare liegt vorne, DocMorris versucht, den Anschluss zu halten. Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk


Redcare Pharmacy und DocMorris sind die großen Spieler im deutschen Arzneimittel-Versandhandelsgeschäft. Beide kämpfen um Onlinekunden, OTC-Umsätze und Marktanteile bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Nach Veröffentlichung der Halbjahreszahlen 2024 zeigt sich allerdings einmal mehr, dass der Weg zu hohen Rx-Erlösen mühsamer ist als gedacht. Ein Vergleich der beiden Wettbewerber.

Es ist wie bei einem olympischen 10.000-Meter-Lauf: Das Rennen ist seit einiger Zeit im Gange, das Feld ist bereits deutlich auseinander gezogen, bis zum Ziel ist es noch ein gutes Stück. Ganz vorne mit dabei: Redcare Pharmacy und DocMorris. Dieses Bild spiegelt die Situation der beiden führenden Arzneimittelversender auf dem deutschen und europäischen Markt wider – sie eilen im wirtschaftlichen Sinne voran, doch der Weg ist noch weit. Nachdem beide Unternehmen kürzlich Ihre Halbjahreszahlen für das Jahr 2024 vorgelegt haben, bietet sich eine gute Gelegenheit, Zwischenbilanz zu ziehen.

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Gemeinsame Wurzeln

Dabei zeigt sich, dass beide Unternehmen ähnliche Voraussetzungen mitbringen: Beide verkaufen rezeptpflichtige Arzneimittel, OTCs sowie Schönheits- und Körperpflegeprodukte. Beide haben ihre Wurzeln in den Niederlanden, wenngleich der Sitz von DocMorris – ehemals Zur Rose – heute im Schweizerischen Frauenfeld liegt. Beide zielen auf Kunden, die online bestellen und sich die Produkte nach Hause schicken lassen. Zudem ist für beide Deutschland der wichtigste und größte Markt. Und nicht zuletzt wollen sowohl Redcare als auch DocMorris nach Einführung des E-Rezeptes endlich Fuß fassen auf dem margenträchtigen deutschen Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Helfen soll ihnen dabei unter anderem Cardlink, jenes System, mit dem seit April 2024 die Einlösung von E-Rezepten per Smartphone möglich ist.

Mit Abstand unterwegs

Die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen 2024 macht auch deutlich, dass beide Unternehmen bei wichtigen wirtschaftlichen Kennzahlen zulegen, sie aber mit teils erheblichem Abstand zueinander unterwegs sind. Um im Bild des olympischen Rennens zu bleiben: Redcare liegt vorne, DocMorris versucht, den Anschluss zu halten. So haben die Niederländer nicht nur rund 1,6 Millionen mehr aktive Kunden als DocMorris (siehe Tabelle), sondern bringen es auch auf einen Halbjahresumsatz, der mit 1,1 Milliarden Euro beinahe doppelt so hoch ist wie der von DocMorris. Und während Redcare beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bereits im positiven Bereich liegt, fährt DocMorris hier noch Verluste ein. Unter dem Strich steht allerdings bei beiden Unternehmen in der Gewinn- und Verlustrechnung nach wie vor ein Minuszeichen, wenngleich dieses bei Redcare kleiner ausfällt als bei DocMorris.

Immerhin, die längerfristige Betrachtung zeigt, dass die Richtung stimmt. Nachdem die Unternehmen in der Vergangenheit deutliche Verluste aufgebaut hatten, reduzieren sich diese seit geraumer Zeit stetig. So fuhr Redcare 2021 noch einen Nettoverlust von 74,2 Millionen Euro ein, viermal mehr als im Jahr davor. Belastend wirkten damals unter anderem Kapazitätsengpässe und starke Rückgänge im verschreibungspflichtigen Geschäft aufgrund des deutschen Rx-Bonusverbotes. Mittlerweile hat das Unternehmen den Verlust auf einen niedrigen zweistelligen Betrag gesenkt.

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Auch bei den Umsätzen gibt es große Schwankungen. So fokussierte sich DocMorris 2022 nach Jahren der Expansion auf „profitable Geschäfte“ und musste dabei schmerzhafte Einbußen hinnehmen. Lag der „Außenumsatz“ 2021 noch bei über zwei Milliarden Schweizer Franken, war dieser 2023 auf rund die Hälfte zusammengeschrumpft.

Dass das Rennen um eine starke Marktposition eine Herausforderung ist, zeigt vor allem der Versuch beider Unternehmen, im margenkräftigen Rx-Geschäft voranzukommen. Während Redcare hier wachsende Umsätze verzeichnet, sind diese bei DocMorris im dritten Jahr in Folge rückläufig. Ein Grund ist, dass sich die Einführung des E-Rezeptes wiederholt verschoben hatte. Ein anderer ist, dass Anfang dieses Jahres durch die Umstellung von Papierrezepten auf digitale Rezepteinlösungen Kunden erstmal verloren gingen, die nun wieder zurückgewonnen werden müssen. Hinzu kommen hohe Aufwendungen für das Marketing.

Redcare: Digitale Marktplätze in Europa

So sehr beide Unternehmen in die gleiche Richtung stürmen, zeigen sie bei näherer Betrachtung auch deutliche Unterschiede. So setzt Redcare Pharmacy, nach eigenen Angaben die größte Onlineapotheke in Kontinentaleuropa, unter anderem auf digitale Marktplätze in verschiedenen Ländern. Deren Kunden sollen Angebote wie die taggleiche Belieferung, Medikationsmanagement, Konsultationen durch Online-Ärzte, ein Bonusprogramm oder den Erwerb von hauseigenen Marken nutzen können.

Eine Besonderheit ist auch Redcares Einstieg in den Schweizer Markt. Dort betreiben die Niederländer seit Mai 2023 zusammen mit dem Gesundheitsdienstleister Galenica die auf Rx-Produkte fokussierte Gesellschaft Mediservice. Nicht zuletzt ist Redcare stärker als DocMorris neben Deutschland und der Schweiz auch in anderen europäischen Ländern tätig, darunter Österreich, Frankreich, Belgien, Italien und die Niederlande.

DocMorris: Digitaler Rundum-Gesundheitsdienstleister als Ziel

Die Strategie von DocMorris wiederum zielt darauf ab, einen „digitalen Rundum-Gesundheitsdienstleister“ zu erschaffen. Der will den Kunden über eine zentrale Plattform verschiedene Leistungen anbieten – von Online-Sprechstunden über gesundheitliche Beratungen bis zur Bestellung von Arzneimitteln. Ein wesentlicher Baustein ist der Telemedizinanbieter Teleclinic, nach eigenen Angaben der führende Dienst dieser Art in Deutschland. Laut Unternehmen nutzen über 2800 niedergelassene Ärzte die Plattform, die Bruttomarge sei „sehr attraktiv“ und die Ebitda-Marge zweistellig.

Vom Schweizer Geschäft – immerhin die Keimzelle des Unternehmens – hat sich DocMorris im Gegensatz zu Redcare verabschiedet. Dieses wurde 2023 an die Supermarktkette Migros verkauft. Der Schritt dürfte nicht ganz freiwillig erfolgt sein. 2020/2021 geriet DocMorris finanziell unter Druck, die Verluste wuchsen. Mit dem Verkauf des Schweizer Geschäftes konnte der Konzern seine Schulden begleichen. Zudem musste DocMorris mehrfach Anleihen begeben, um an frisches Geld zu kommen. Zeitweise war sogar von einem möglichen Verkauf die Rede, einmal tauchte das Unternehmen auf einer Liste potenzieller Übernahmekandidaten auf. Eine deutliche Sprache spricht auch der Aktienkurs von DocMorris, der sich im Vergleich zu Redcare deutlich schwächer entwickelt.

Nicht zuletzt mussten die Schweizer bei Verkündung der jüngsten Halbjahreszahlen ihre ursprüngliche Jahresprognose nach unten korrigieren. Michael Heider vom Analysehaus Warburg Research sieht darin einerseits erneut eine Enttäuschung für die Anleger. Wegen der attraktiven Bewertung der Aktie und dem E-Rezept-Potenzial bleibt er allerdings bei seiner Kaufempfehlung für das Papier.

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„eRx-Start stark und Überzeugend“

Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass Redcare etwas schneller, agiler und offensiver unterwegs ist als DocMorris und sich so einen Vorsprung verschafft hat. Immerhin, beim Blick in die Zukunft scheinen sich die Unternehmen weitgehend einig. Beide Managements sehen die Möglichkeiten webbasierter Plattformen und des Versandhandelsgeschäftes optimistisch. Und sie setzen stark auf die Umsatz- und Ertragspotenziale des digitalen Rx-Geschäftes. Der Start von eRx sei „stark und überzeugend“ gewesen, sagte DocMorris-Vorstandschef Walter Hess bei der Präsentation der Halbjahreszahlen. „eRx ist der Treiber für profitables Wachstum.“ Bei Redcare denkt man wiederum groß. Ziel ist es, Europas führender Onlineanbieter in eRx zu werden. Dafür, so die eigene Überzeugung, sei man „hervorragend positioniert“.

Das weitere Rennen der beiden Arzneimittelversender dürfte damit noch spannend werden.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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