Aktienkurse DocMorris und Redcare Pharmacy

Die Versandhändler schwächeln

Stuttgart - 28.06.2024, 07:00 Uhr

Die Arzneimittel-Versandhändler DocMorris und Redcare Pharmacy haben zuletzt an der Börse deutlich verloren. (Foto: IMAGO / Zoonar)

Die Arzneimittel-Versandhändler DocMorris und Redcare Pharmacy haben zuletzt an der Börse deutlich verloren. (Foto: IMAGO / Zoonar)


Die Aktienkurse der beiden börsennotierten Arzneimittel-Versandhändler Redcare Pharmacy und DocMorris haben in den vergangenen Wochen deutlich an Wert verloren. Dabei hatte die Aussicht auf bessere Geschäfte durch vermehrte E-Rezept-Verkäufe, zunehmende Digitalisierung und straffere Prozesse eigentlich Kurshoffnungen geweckt. Was sind die Gründe?

Mit Aktienkursen ist es ein bisschen so wie mit der Deutschen Bahn: Irgendetwas kommt immer dazwischen. Eigentlich müssten die Signale für die beiden konkurrierenden und börsennotierten Arzneimittelversender Redcare Pharmacy und DocMorris auf Grün stehen: Das E-Rezept ist eingeführt und sollte den Unternehmen nach deren eigenen Prognosen geschäftlich entgegenkommen. Die Kundenzahlen sind in den vergangenen Quartalen bei beiden Unternehmen gestiegen. Die Onlinehändler haben zudem ihre digitalen Prozesse weiter vorangetrieben und Möglichkeiten geschaffen, dass Kunden elektronische Rezepte via Smartphone-App einreichen können. Nicht zuletzt haben die Unternehmen ihre Strukturen auf mehr Wirtschaftlichkeit und ein höheres Marktpotenzial ausgerichtet.

Mehr zum Thema

Der Schweizer Versandhändler integriert neuen Einlöseweg in die App

DocMorris startet mit CardLink und Bonus

Doch an den Börsen werden diese Entwicklungen seit geraumer Zeit nicht wirklich goutiert: Der Aktienkurs der niederländischen Gesellschaft Redcare Pharmacy ist seit Ende März von gut 150 Euro auf derzeit rund 120 Euro gefallen – ein Minus von 20 Prozent. Die Schweizer DocMorris musste ebenfalls kräftig Federn lassen: Notierte das Papier im Februar kurzzeitig noch über 100 Schweizer Franken, pendelt es derzeit bei unter 60 Franken.

Starker Anstieg, steiler Absturz

Bei der Analyse hilft ein Blick auf den längerfristigen Kursverlauf: So hat das Papier von Redcare zwischen Ende 2019 und Anfang 2021 eine wahre Explosion erlebt und seinen Wert vervielfacht. In der Spitze strebte die Aktie kurzzeitig in Richtung 250 Euro. Eine nahezu identische Entwicklung hat das Papier von DocMorris hingelegt. Die Treiber damals: die Aussicht auf die Einführung des elektronischen Rezepts weckte bei vielen Anlegern die Fantasie auf glänzende Geschäfte. Hinzu kam die Coronapandemie, die vor allem Unternehmen mit digitalem Geschäftsmodell einen hohen Kundenzulauf und stattliche Umsätze ermöglichte.

Allerdings wich die Fantasie ebenso schnell der Realität: Als das COVID-19-Virus mit Einführung wirksamer Impfstoffe seinen Schrecken verlor und die Einführung des E-Rezeptes zunehmend holperte, drehten beide Aktien wieder nach Süden. Was die Papiere zuvor gewonnen hatten, büßten sie in einer monatelangen Ernüchterungsphase bis Herbst 2022 wieder ein. DocMorris erwischte es besonders schlimm – hier stürzten die Anteilsscheine sogar unter das Niveau von 2019. Dabei dürften vor allem finanzielle Probleme zusätzlich belastet haben.

Mehr zum Thema

Endgültige Geschäftszahlen erstes Quartal 

Redcare Pharmacy weiter mit Verlust

Doch so, wie die Deutsche Bahn nach einer Langsamfahrt mal wieder Gas gibt, zieht es auch Aktien nach einem Tief oftmals nach oben. Mit dem Start einer Gegenbewegung Ende 2022 beziehungsweise Anfang 2023 nahmen beide Papiere bis ins Frühjahr 2024 wieder deutlich an Fahrt auf. Von ihrem niedrigen Niveau ausgehend verdreifachten sich die Kurse, erreichten allerdings nicht mehr die fantasiegetriebenen Spitzenwerte, die sie Jahre zuvor touchiert hatten. Ein wesentlicher Grund für die neuentdeckte Liebe der Anleger dürfte die mittlerweile konkrete Einführung des E-Rezeptes gewesen sein. Spät kam es, aber immerhin. Die Manager erinnerten die Außenwelt an die tollen Umsatzchancen, die sich damit auftaten. Die Investoren nahmen das gerne zur Kenntnis.

Im Februar beziehungsweise März dieses Jahres änderte sich die Stimmungslage ein weiteres Mal – beide Papiere tragen seitdem wieder Trauer, satte Kursverluste häufen sich an. Gerade so, als wäre nach der Euphorie über die Einführung des E-Rezeptes nun wieder Luftholen angesagt.

Analysten: Wachstum ist eingepreist

Entsprechend lassen sich auch die Einschätzungen von Bankanalysten lesen. Zwar hatte Redcare Anfang Mai mitgeteilt, dass die hauseigene eHealth-CardLink-Lösung in den Markt eingeführt worden war, womit die Firma einen positiven Punkt setzen wollte. Dennoch sprach die Schweizer Großbank UBS zwei Wochen später eine Verkaufsempfehlung für das Papier aus. Als Begründung teilte Analyst Olivier Calvet mit, dass das mögliche Wachstum durch das E-Rezept in Deutschland im Kurs „mehr als eingepreist“ sei. Zudem könnte Amazon Pharmacy langfristig eine Bedrohung darstellen.

Dagegen beließ Hauck Aufhäuser kurz darauf seine Einstufung bei „Buy“. Kurzfristige Unsicherheit um die Adaption der NFC-Technik habe einen Kursrutsch ausgelöst, so Analyst Christian Salis. Die Anlagestory rund um das E-Rezept sei aber voll intakt.

Auch die Kollegen von Jefferies schlossen sich der negativen Meinung von UBS nicht an und sprachen Anfang Juni weiter eine Kaufempfehlung für Redcare aus. Analyst Martin Comtesse wertete Marktdaten zum E-Rezept aus. Die hätten die positive Entwicklung der Kundenakzeptanz bestätigt – sowohl bei Redcare als auch bei DocMorris.

Rückenwind gab es im Juni auch von der Privatbank Berenberg. Deren Analyst Gerhard Orgonas erklärte die Aktien des niederländischen Versenders zu einem seiner Favoriten unter mittelgroßen Börsentiteln. Das Unternehmen sei in einer guten Position, um vom E-Rezept zu profitieren.

Doch der Schlagabtausch der Finanzmarktexperten setzte sich fort: UBS bestätigte im Juni ihr negatives Urteil mit Zweifeln an Marktanteilen von Onlinehändlern in Deutschland und deren langfristiger Profitabilität. Jefferies gab sich hingegen weiter optimistisch und verwies darauf, dass die Zahlen bei den aktiven Nutzern von Apps für das E-Rezept als auch bei den App-Downloads deutliche Fortschritte zeigen würden.

DocMorris ein Übernahmekandidat?

Auch bei der Einschätzung zu DocMorris sind sich die Analysten nicht einig. So äußerte sich Hauck Aufhäuser im April 2024 positiv. Die Einführung der CardLink-Lösung für E-Rezepte sei „eine sehr gute Nachricht“, so Analyst Christian Salis. Auch Deutsche Bank Research hob den Daumen für DocMorris und setzte ein Kursziel von 110 Franken. Der Bestellprozess aus E-Rezepten über Smartphones sei sehr komfortabel und selbsterklärend, teilte Analyst Jan Koch nach Tests mit.

Dagegen strich die Baader Bank die DocMorris-Aktie in der zweiten Maihälfte nach deutlichen Kursverlusten von ihrer Empfehlungsliste, beließ die Einstufung aber auf „Add“. Analyst Volker Bosse argumentierte, die Bedenken des Marktes zielten auf die „Verschärfung des Wettbewerbs“, was angesichts der attraktiven Wachstumsaussichten für den Versandhandelmarkt aber nicht überraschen sollte. Seiner Ansicht nach ist das Geschäftsmodell weiter intakt, das Wachstumspotenzial beim E-Rezept sei unverändert.

Ein neues Argument brachte gegen Ende Mai Warburg Research in die Bewertungsdiskussion ein. Analyst Michael Heider veröffentlichte eine Liste an Unternehmen, die seiner Ansicht nach gute Übernahmemöglichkeiten seien. Darauf fand sich auch DocMorris.

Als Spielverderber zeigte sich erneut die Schweizer UBS. Analyst Sebastian Vogel riet Anfang Juni auch bei DocMorris zum Verkaufen. Damit reflektiere er geringere Erwartungen an den Markt für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Zudem berücksichtigte er in seinem Urteil Währungsbewegungen. Für kurzzeitige Unruhe könnte in dem Umfeld auch die Nachricht gesorgt haben, dass DocMorris-Finanzchef Marcel Ziwica im Oktober dieses Jahres durch Daniel Wüest ersetzt wird.

Positive Aussichten überwiegen

Anleger stehen angesichts dieser Mixtur aus Argumenten etwas verloren da. Unter dem Strich überwiegen allerdings die positiven Einschätzungen zu den Aussichten der Arzneimittelversender, vor allem mit Blick auf das E-Rezept und die zunehmende Digitalisierung. Und zumindest für Redcare Pharmacy gibt es weitere Unterstützung: Warburg Research hat ihr Halten-Votum für das Papier durch eine Kaufempfehlung ersetzt. Analyst Heider begründete sein neues Urteil damit, dass der Umsatzzuwachs von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch das E-Rezept sichtbarer werden dürfte. Das sollte sich bereits in den Zahlen zum zweiten Quartal 2024 zeigen.

Auch aus charttechnischer Sicht ist das Papier wieder auf einem aussichtsreicheren Weg: Nachdem die Aktie im Mai kurz unter die 100-Euro-Marke gefallen war, liegt sie mittlerweile wieder rund 20 Prozent höher. Anders bei DocMorris: Dort können Investoren derzeit nur auf das Prinzip „Hoffnung“ setzen.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Aktienkurse: DocMorris und Redcare Pharmacy profitieren bisher nicht wie erwartet vom E-Rezept

Versandhändler schwächeln

DocMorris versus Redcare Pharmacy: Ein Vergleich der Arzneimittelversender

Zwei Pioniere: Ähnlich, aber nicht gleich

Redcare versus DocMorris

Das Rx-Rennen der Versandhändler

Erstes Halbjahr 2024: Redcare Pharmacy und DocMorris im Vergleich

Das Rx-Rennen der Versandhändler

Wie sich Zur Rose und Shop Apotheke Europe an der Börse entwickeln

E-Rezept soll für neuen Auftrieb sorgen

2 Kommentare

Versandhandel

von Scarabäus am 28.06.2024 um 8:45 Uhr

Wie sollen Doc & Co. jemals ins Plus drehen und Gewinn erwirtschaften? Bei unserem (deutschen) lausigen Packungshonorar fressen die gestiegenen Transportkosten doch schon die "Marge" auf. Was uns die Personalkosten sind dem Versandhandel mittlerweile die Lieferkosten, denn ich bezweifle, dass die klammen Kassen Doc & Co. höhere Honare zahlen als uns Vor-Ort-Kämpfern!? Die Holländer betreiben ein Aktien-Schneeballsystem, bei welchem immer noch viele Naive mitspielen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Versandhandel

von Beldowitz am 28.06.2024 um 10:00 Uhr

Die Versandhändler haben einen Steuervorteil, keine Beschränkungen beim Einkauf und lehnen defizitäre Aufgaben ab, bzw müssen diese erst gar nicht übernehmen. Alles 3 zusammen ist ein unglaublicher Wettbewerbsvorteil, der mit gleichlangen Spießen absolut nichts zu tun hat.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.