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„Faktencheck Gesundheitspolitik“
Thüringens Gesundheitsberufe im Dialog mit den Parteien
Was haben die politischen Parteien vor der Landtagswahl zu bieten? Das wollten Vertreter*innen der Gesundheitsberufe in Thüringen wissen und hatten Repräsentant*innen aller relevanten Parteien eingeladen. Auch zur Apothekenreform mussten die Abgeordneten Rede und Antwort stehen.
Am Mittwoch hatte die „Gemeinschaft der Heilberufe in Thüringen“ Vertreter*innen der politischen Parteien zum „Faktencheck Gesundheitspolitik“ eingeladen. In einem gemeinsamen Eingangsstatement formulierten 13 Verbände von Ärzt*innen, Zahnärtz*innen, Psychotherapeut*innen und den Apothekenteams sechs zentrale Forderungen für das Gesundheitssystem:
- Ambulantisierung: Dadurch sollen Kosten gesenkt werden. Pharmazeutische Sachkompetenz könne so besser in die Gesamtversorgung integriert werden.
- Tragfähige Finanzierung: Seitens der Apotheker*innen wird dabei auf die seit 20 Jahren stagnierenden Honorare hingewiesen.
- Fachpersonal stärken: Die Gemeinschaft der Heilberufe will die erworbenen Sachkenntnisse besser einsetzen können, um die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erweitern. Zudem wünscht man sich eine bessere gesellschaftliche Anerkennung der eigenen Fähigkeiten.
- Nachwuchsoffensive: In den Bereichen Medizin und Pharmazie fordert die Gemeinschaft eine Ausweitung der Studienplätze.
- Bürokratieabbau: Alle Bereiche des thüringischen Gesundheitswesens beklagen einen unverhältnismäßig hohen Bürokratieaufwand und fordern Gegenmaßnahmen.
- Sinnvolle Digitalisierung: Gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung müssen die technischen Systeme ausreichend erprobt sein und fehlerfrei funktionieren.
Vor dem Hintergrund dieser Agenda wurden nacheinander jeweils zwei Vertreter*innen der Parteien für 15 Minuten zu gesundheitspolitischen Themen befragt. Diese wurden aus den verschiedenen Heilberufsgruppen im Vorfeld gesammelt.
Die Linke
Als erste sprachen Ralf Plötner (MdL) und Ates Gürpinar (MdB) von der Linkspartei. Wichtig sei, private Investoren möglichst aus dem Gesundheitsbereich herauszuhalten, betonte Plötner. Stattdessen sieht die Linke die Zukunft in „multiprofessionellen Versorgungszentren“, in die auch die Apotheken integriert werden sollen.
Ates Gürpinar machte deutlich, dass die Linke in Thüringen zentrale Forderungen übernommen habe. Dazu zähle das Versandverbot, das Fremdbesitzverbot und die Forderung: „Keine Apotheke ohne Apotheker!“ Mit Blick auf den letzten Punkt machte er deutlich, dass es mehr Tote durch falsch eingenommene Arzneimittel gebe als Tote im Straßenverkehr. Vor diesem Hintergrund sei es nicht wünschenswert, die Versorgungsqualität bei der Arzneimittelabgabe zu senken – so wie das in den vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) entworfenen Apotheken ohne Apotheker*innen der Fall wäre. Auch zum Tarifabschluss zwischen Adexa und ADA hatten die Linken-Politiker eine klare Botschaft: Streiken lohne sich immer, allein schon, um Druck in Richtung der Politik zu machen.
SPD
Für die SPD sprach die Thüringer Bundestagsabgeordnete und Ärztin Tina Rudolph im Alleingang. Sie verwies darauf, dass die Studienkapazitäten in Thüringen für Medizin und Pharmazie um 10 Prozent erhöht worden seien. Allerdings reiche der Studienplatzausbau allein nicht aus, um die Versorgung im Land zu sichern. Wichtig sei es, die Absolvent*innen in Thüringen zu halten.
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Hinsichtlich der Apothekenreformpläne ihres Parteikollegen Karl Lauterbach machte sie deutlich, dass es da noch einige Punkte gebe, über die im parlamentarischen Verfahren geredet werden müsse. Gerade wenn so viele Bürger*innen aus der betroffenen Berufsgruppe die Pläne ablehnten, müsse etwas geändert werden, meint Rudolph. Sie kann sich vorstellen, dass Apotheken auch ohne anwesende Apotheker*innen betrieben werden können. Allerdings dürfe dies nur in Notfällen zugelassen werden, wenn sonst keine regionale Versorgung bestehe. Wichtiger für die Sicherung der Arzneimittelversorgung sei aber eine angemessene Honoraranpassung.
Bündnis 90 / Die Grünen
Ann-Sophie Böhm (MdL) und Armin Grau (MdB) äußerten sich für die Grünen zu gesundheitspolitischen Fragen. Auch sie fordern eine bessere Honorierung für die Apotheken und erteilten den Plänen zur Apotheke ohne Apotheker*innen eine klare Absage. Außerdem äußerten sie ihr Bedauern darüber, dass das ARMIN-Projekt trotz des enormen Erfolgs nicht dauerhaft und bundesweit verankert werden soll.
Armin Grau, selbst Arzt, verteidigte jedoch die Pläne zur Umverteilung der Apothekenhonorare: Die Umschichtung vom variablen zum fixen Anteil sei aus Gründen der „Gerechtigkeit“ zwischen umsatzstarken und umsatzschwachen Apotheken zu befürworten. Die Apothekenlandschaft sei sehr heterogen, es gehe „nicht allen schlecht“ – vor allem den Zyto-Apotheken, betonte Grau.
CDU
Zentrale Forderungen der Apotheker griffen auch die Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt und der Thüringer Landtagsabgeordnete Christoph Zippel von der CDU auf. Sie forderten eine deutliche Erhöhung des Fixums sowie die Abschaffung von Retaxationen. Skonti zwischen Apotheken und dem Großhandel sollen schnellstmöglich wieder zugelassen werden, forderte Borchardt. Die sogenannte Light-Apotheke, wie sie die aktuellen Apothekenreformpläne vorsähen, lehne die CDU ab. Zudem unterstützen Borchardt und Zippel die Forderungen zum Ausbau der Pharmazie-Studienplätze und zur dauerhaften Implementierung von ARMIN.
AfD
Auch die AfD will die inhabergeführte Apotheke erhalten und die wohnortnahe Versorgung sicherstellen. Zwar könnten durch Mittel der Telemedizin und Telepharmazie die Arbeitsabläufe ergänzt werden, aber Apotheker ohne Apotheker*innen halten Christina Baum (MdB) und Martin Lauerwald (MdL) für den falschen Weg. Darüber hinaus sehen sie die Gesundheitsberufe vor allem durch ein Übermaß an Bürokratie belastet. Dass die Apotheken im Landtagswahlprogramm der AfD überhaupt nicht erwähnt wurden – wie Moderator Alexander Müller bemerkte – war den beiden Gesundheitsexperten sichtlich unangenehm.
FDP
Auch der FDP-Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag machte seine Ablehnung gegenüber den Plänen zur Apothekenreform deutlich. Zusammen mit seinem Berliner Parteikollegen André Byrla verwies er auf sein, von der Apothekerschaft weitgehend positiv wahrgenommenes Positionspapier zur Apothekenhonorierung. Nach Montags Aussage wird das Papier von allen FDP-Ostverbänden, sowie den FDP-Verbänden aus Hessen und Baden-Württemberg unterstützt. Die Frage, inwieweit die Bundes-FDP sich die Forderungen aus Thüringen zu eigen gemacht hat, ließ Montag offen. Aber er betonte, mit Blick auf den erneut verschobenen Kabinettsbeschluss zur Apothekenreform, dass die FDP hier offenbar erfolgreich „auf die Bremse getreten“ habe. Die Idee der Honorar-Umschichtung stammt nach Aussage Montags nicht von seiner Partei, diese halte die Pläne für unsinnig – gerade mit Blick auf die Hochpreiser-Problematik. Mit Blick auf die Apothekenreform verbreitete er Zuversicht. Es habe sich aktuell gezeigt, dass man mit Druck vonseiten der Länder Kursänderungen auf Bundesebene bewirken kann.
BSW
Abschließend kam Johannes Nowak für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu Wort. Er beklagte Verschwendung durch überflüssige Leistungen. Er hält beispielsweise 50 Prozent der Radiologie-Untersuchungen, sowie Hautkrebs-Screenings für überflüssig. Nowak, der selbst Mediziner ist, offenbarte, vom Apothekenmarkt keine Ahnung gehabt zu haben, weswegen er im Vorfeld der Veranstaltung mit einer Apothekerin in seiner Heimat gesprochen habe. Diese habe sich darüber beschwert, dass die „Berufsvertretung“ der Apothekerschaft mit ihrer „Blockadehaltung“ vom Zeitgeist abgehängt worden sei. Darüber hinaus konnte Nowak nicht viel für die Apotheken anbieten, auch er musste sich entschuldigen, dass sie im aktuellen Wahlprogramm seiner Partei keine Erwähnung gefunden hatten.
Ungewisse Regierungsbildung
Am 1. September werden in Thüringen und Sachsen die neuen Landtage gewählt. In Thüringen sieht es nach aktuellen Umfragen danach aus, als wäre eine Mehrheitsregierung ohne Beteiligung des BSW oder der AfD nicht möglich. Die Grünen sowie die FDP würden nach dem aktuellen Stimmungsbild nicht im Landtag vertreten sein, da sie nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen.
Die CDU als zweitgrößte Kraft könnte nur mit der AfD eine Mehrheitskoalition bilden. Alternativ wäre auch ein Bündnis der Christdemokraten mit dem BSW und der Linkspartei oder der SPD möglich. Es dürfte also schwierig werden bei der Regierungsbildung.
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