Apotheken-Reformgesetz

Apotheke ohne Approbierte – wer haftet?

Berlin - 23.07.2024, 07:00 Uhr

Neue Aufgaben für PTA – hätten Lauterbachs Pläne auch haftungsrechtliche Konsequenzen? (Foto: Schelbert)

Neue Aufgaben für PTA – hätten Lauterbachs Pläne auch haftungsrechtliche Konsequenzen? (Foto: Schelbert)


Karl Lauterbach ist überzeugt: Könnten Apotheken auch dann öffnen, wenn lediglich eine erfahrene PTA, bei der die Pflicht zur Beaufsichtigung entfallen ist, anwesend ist, könnte dem Apothekensterben Einhalt geboten werden. Welche haftungsrechtlichen Folgen hätte dieser Plan?

Der Referentenentwurf für das Apotheken-Reformgesetz erschüttert die Apothekerschaft und die ABDA vor allem wegen einer geplanten Regelung: Eine Apotheke soll künftig auch ohne approbierte*n Apotheker*in vor Ort geöffnet sein und betrieben werden können. Dafür gibt es einige Voraussetzungen. 

Für die Ressortabstimmung wurde die entsprechende Regelung im ersten Entwurf, einem zusätzlichen Absatz in der Vorschrift zum Apothekenpersonal (§ 3 Apothekenbetriebsordnung - ApBetrO), bereits überarbeitet – allerdings nicht in einer Weise, die die Kritik verstummen lassen würde. Die Änderungen betreffen die Aufnahme von Pharmazieingenieur*innen in die Norm sowie eine Konkretisierung mit Blick auf die BtM-Abgabe sowie eine wohl misslungene Klarstellung zu Notdiensten.

Wörtlich sieht der neue geplante Absatz 3a in § 3 ApBetrO in der auf den 11. Juli datieren Fassung des Referentenentwurfs folgendes vor:

„(3a) Abweichend von Absatz 3 darf eine Apotheke geöffnet sein und betrieben werden, wenn

1. eine Person, für die nach Absatz 5b die Pflicht zur Beaufsichtigung entfallen ist, oder ein Pharmazieingenieur anwesend ist,

2. ein Apotheker der Apotheke oder einer Apotheke des Filialverbundes zur Beratung der Patienten mittels Telepharmazie sowie zur Rücksprache mit der Person nach Nummer 1 jederzeit zur Verfügung steht und

3. an mindestens acht Stunden pro Woche die persönliche Anwesenheit des Apothekenleiters in der Apotheke sichergestellt ist.

Es dürfen nur Tätigkeiten in der Apotheke ausgeführt werden, für die die Beaufsichtigung nach Absatz 5b für die anwesende Person entfallen ist. Soweit eine Abgabe von verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel nach Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz außerhalb der Zeiten der persönlichen Anwesenheit eines Apothekers oder eines Pharmazieingenieurs in der Apotheke dringlich erforderlich ist, sind diese dem Patienten in einer der Verschreibung angemessenen Zeit zur Verfügung zu stellen. Das eingesetzte Personal ist vom Apothekenleiter im Voraus entsprechend der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu unterweisen. Die entsprechenden betrieblichen Abläufe sind im jeweiligen Qualitätsmanagementsystem nach § 2a Absatz 1 festzulegen, insbesondere, in welchen Situationen ein Apotheker hinzuzuziehen ist. § 2 Absatz 2 bleibt unberührt. Satz 1 gilt nicht für Zeiten nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3.“

Eine Frage, die schnell auftaucht, wenn es um Konstellationen geht, in denen der oder die Apothekenleiter*in nicht anwesend ist, ist die der Haftung. Würde eine PTA eine so verantwortungsvolle Aufgabe überhaupt übernehmen wollen, wenn sie dafür zusätzliche Haftungsrisiken auf sich nehmen müsste? 

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Diese Frage ist schnell geklärt: Für die PTA ändert sich haftungsrechtlich gar nichts. Schließlich geht es nicht um die Leitung einer Apotheke. Hinter dem Satz „§ 2 Absatz 2 bleibt unberührt“ steckt der Verweis auf folgende zentrale Norm der Apothekenbetriebsordnung, die mit dem Apotheken-Reformgesetz auch nicht verändert werden soll:


„Der Apothekenleiter hat die Apotheke persönlich zu leiten. Er ist dafür verantwortlich, daß die Apotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird. Neben dem Apothekenleiter nach Absatz 1 Nr. 5 ist auch der Betreiber für die Einhaltung der zum Betreiben von Apotheken geltenden Vorschriften verantwortlich.“

§ 2 Abs. 2 ApBetrO


Und so stellt auch die Begründung des Referentenentwurfs zur Ausnahmeregelung für PTA und Pharmazieingenieur*innen klar: „Es handelt sich nicht um eine Vertretung der Apothekenleiterin oder des Apothekenleiters. Die persönliche Verantwortung und die Beachtung der geltenden Vorschriften während des Apothekenbetriebes obliegen dennoch weiterhin der Apothekenleiterin oder dem Apothekenleiter.“

Auch die Pflicht zur „persönlichen Leitung der Apotheke in persönlicher Verantwortung“ (§ 7 Apothekengesetz -ApoG) soll weiterhin gelten. Zwar ist hier im Apotheken-Reformgesetz eine kleine Änderung vorgesehen. Es handelt sich aber nur um eine Folgeänderung zu dem Vorhaben, dass künftig auch zwei verantwortliche Apotheker*innen Filialen und Zweigapotheken führen können sollen.

Der Apothekenleiter bzw. die Apothekenleiterin hat damit wie bisher für Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften einzutreten – auch wenn diese von seinem/ihrem Apothekenpersonal ausgehen. Die Leitung haftet etwa zivilrechtlich für Verschulden seines angestellten Apothekenpersonals, seiner „Erfüllungsgehilfen“ (§ 278 BGB).

Was die deliktische Haftung von PTA betrifft, ändert sich ebenfalls nichts: Verletzt eine PTA schuldhaft Pflichten im Apothekenbetrieb und kommt dabei ein*e Patient*in zu Schaden, haftet die PTA unbeschränkt nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 823 BGB) – ebenso wie der oder die Apothekenleiter*in, sofern diese*r nicht nachweisen kann, dass sie besagte PTA mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt und unterwiesen hat oder der Schaden selbst bei aller Sorgfalt eingetreten wäre (§ 831 BGB).

Die Frage ist also weniger, ob der oder die PTA durch die geplante Neuregelung Risiken auf sich nimmt, sondern eher ober die Apothekenleitung so viel Sicherheit und Vertrauen hat, dass sie ihren erfahrenen PTA die verantwortungsvolle Aufgabe überlassen will. Sie muss auf jeden Fall im Voraus die Verantwortlichkeiten und jeweiligen Aufgabenbereiche festlegen und vorgeben, wann eine Apothekerin oder ein Apotheker mittels „Telepharmazie“ hinzugezogen werden muss.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

Alles bald belanglos

von ratatosk am 23.07.2024 um 11:11 Uhr

Spielt bald alles keine große Rolle mehr, denn das Endziel das Karl für seine Gönner anpeilt schaut sicher mit Variationen so aus.
Amaz.. und Ähnliche Konzerne machen an lukrativen Orten Popup Klitschen für ein paar Stunden auf, dort auch Ausgabe für Internetbestellungen, verbunden irgendwelche Telemediziner ( so wie für Cannabis zu 5 Euronen / wenn gut geordert wird ) und in irgendeinem Billigstandort sitzen eine paar Alibiapotheker, damit die Verordnung erfüllt wird.
Die paar Hürden die diesem Bild noch entgegenstehen, werden von den interessierten Kreisen in der Politik auch noch bald abgeräumt.

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Gegenfrage:

von Harald Schmidt am 23.07.2024 um 9:31 Uhr

PTA gibt Arzneimittel ab, Apotheker sitzt hinten im Büro und macht Bestellungen. Wer haftet?

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AW: Qualitätsfrage

von Stefan Haydn am 23.07.2024 um 18:57 Uhr

Eine gute PTA würde bei einer Unsicherheit oder Unklarheit nach hinten gehen und das sofort klären. Eine schlechte oder sich selbst überschätzende PTA nicht.

Deutlich unkomplizierter als einen Rechner mit Kamera nutzen zu müssen und erst mal zu warten, bis der Apotheker Zeit hat.

Skrupellos

von Thomas Kerlag am 23.07.2024 um 8:30 Uhr

Der Radfahrer würde sich sowas bei den Ärzten nicht trauen

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