BAK-Symposium

Chancen und Grenzen der Telepharmazie

Berlin - 12.06.2024, 13:45 Uhr

Stefan Wild von PharmaSuisse, PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann (Moderation), BAK-Präsident Thomas Benkert, SPD-Abgeordneter Matthias Mieves und Digital-Hub-Mitglied Hannes Müller (v. l.). (Foto: js/DAZ)

Stefan Wild von PharmaSuisse, PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann (Moderation), BAK-Präsident Thomas Benkert, SPD-Abgeordneter Matthias Mieves und Digital-Hub-Mitglied Hannes Müller (v. l.). (Foto: js/DAZ)


Als Apotheker*in im Homeoffice arbeiten, Patient*innen per Video beraten oder Ärzt*innen in der Apotheke per Telepharmazie zuschalten – wie können Apotheken die Digitalisierung für sich nutzen? Beim Symposium der Bundesapothekerkammer (BAK) diskutierte man an diesem Dienstag darüber, welche Chancen Telepharmazie mit sich bringen kann und wo die Grenzen liegen. 

Auf die Frage, ob die Apothekerschaft keine Telepharmazie wolle, antwortete Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), mit einem „Nein“. Man habe sich lediglich gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und seine Eckpunkte zur Apothekenreform gestellt. Das sagte Benkert an diesem Dienstag auf dem vom BAK organisierten Symposiun mit dem Titel: „Telepharmazie – Chancen und Grenzen“.

Lauterbach hatte den Begriff der Telepharmazie zuvor für ein Konzept genutzt, bei dem erfahrene PTA Filialen eigenständig führen und Approbierte per Video konsultieren können, wenn sie Unterstützung benötigen. Für die BAK sei die Kommunikation zwischen Hauptapotheke und Filiale keine Telepharmazie. „Das lehnen wir ab“, so Benkert.

Gut vorstellen hingegen könnte Benkert sich telepharmazeutische Angebote, z. B. mit Blick auf pharmazeutische Dienstleistungen. Ein Problem dabei seien allerdings die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband. Apotheker seien die Arzneimittelfachleute, warum könnten sie nicht, wenn sie z. B. Blutfettwerte messen, eine Dosisanpassung für bestimmte Arzneimittel in der Apotheke vornehmen? In absehbarer Zeit werde der elektronische Medikationsplan eingeführt. Dann könnten Ärzt*innen nachvollziehen, was in der Apotheke geschehen ist. Bei Problemen könnten Apotheker*innen Ärzt*innen per Telepharmazie zuschalten. Auch in Präventionsleistungen sieht Benkert neue Wege, allerdings können Apotheken diese nicht zum Nulltarif anbieten.

Der BAK-Präsident betonte, wie wichtig der persönliche Kontakt und die Anbindung an die Apotheke vor Ort bei der telepharmazeutischen Betreuung sei. „Callcenter“, die Apotheker*innen irgendwo betreiben, dürften nicht bestehen.

Bessere Versorgung, attraktiveres Berufsfeld und Stärkung der Apotheke

Matthias Mieves, Bundestagsabgeordneter und Gesundheitspolitiker der SPD, nannte drei Ziele, die die Politik mittels Telepharmazie realisieren wolle: 

  • Die Versorgung für die Menschen in Deutschland besser machen, 
  • den Beruf bzw. das Berufsfeld der Apotheker*innen durch Telepharmazie attraktiver gestalten und 
  • die Apotheke als Gesundheitsstandort stärken und weiterentwickeln.

Mieves hatte sogleich zwei Vorschläge parat, wie das gelingen kann. Eine Möglichkeit sei, Patient*innen per Videoanruf zu beraten und mit ihren Arzneimitteln per Botendienst zu versorgen, „ohne dass sie ihr Bett verlassen müssen“. Andersrum könnten auch Apotheker*innen aus dem Homeoffice beraten, und der Arbeitsplatz so attraktiver gestaltet werden.

Zudem kann sich der Bundestagsabgeordnete vorstellen, das Aufgabenfeld der Apothekerschaft zu erweitern, z. B. um bestimmte diagnostische Aspekte, aber auch um das sogenannte Remote Monitoring, bei dem Patienten Gesundheitswerte zu Hause messen und die Daten an Apotheker*innen übertragen. Das sei auch eine Möglichkeit, um die Arztpraxen zu entlasten.

Mieves betonte, dass er sehr offen für die Ideen der Apothekerschaft sei und sich gerne überlege, wie man diese umsetzen könne. Am schnellsten könne die Politik die Rahmenbedingungen festlegen, wenn die Apothekerschaft geschlossen Impulse anrege.

Telepharmazie für bessere Adhärenz nutzen …

Hannes Müller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der BAK und Mitglied des Digital Hubs der ABDA, merkte an, dass die Beratung und Belieferung von Patienten, die, z. B. weil sie krank sind, nicht in die Apotheke kommen, schon lange Praxis sei.

Eine wichtige Chance für die Telepharmazie sieht er hingegen in der Förderung der Adhärenz. Viele Patient*innen würden ihre Arzneimittel nicht so einnehmen, wie sie das sollten. Dadurch entstünden sehr viele Kosten im System. In England gebe es den „New Medicine Service“, erklärte Müller. Bei jeder Neuverordnung eines Arzneimittels für eine chronische Erkrankung bekämen Patient*innen eine Anleitung durch Apotheker*innen. In Folgegesprächen würden Nebenwirkungen detektiert, die bei der Neueinstellung eines Arzneimittels häufig auftreten. Dieses Programm spare nachweislich Kosten, und die Lebensqualität der Patient*innen sei besser, als ohne Intervention. Laut Müller könnten die Beratungsgespräche nach Einschreibung der Patient*innen vor Ort auch gut in der Telepharmazie durchgeführt werden. Die Adhärenz zu fördern, sieht er als „Gamechanger“.

… und im Notdienst

Und auch im Notdienst kann Telepharmazie laut Müller eine Rolle spielen. Zwar gibt es nachts keinen Botendienst, doch könnten Patient*innen einen „Boten“ in die Apotheke schicken. Gerade bei Kindern sei es dann aber wichtig, sicherzustellen, dass alle Informationen an die Eltern übermittelt würden. Dabei sei ein Videoanruf eine gute Möglichkeit.

Auf Augenhöhe mit der Ärzteschaft

Stefan Wild, Vorstandsmitglied des Schweizer Apothekerverbands PharmaSuisse, berichtete, dass man in der Schweiz bereits seit 2012 erste Versuche in der Telepharmazie durchführe. Patient*innen konnten laut Wild dabei über den „Bildschirm“ in der Apotheke einen Arzt kontaktieren. Seither habe man in einem Kanton sogar den Versuch unternommen, Diagnosen in Apotheken zu stellen und anschließend einen Arzt zu kontaktierten. Das sei auch eine Form von Telepharmazie.

Wild merkte an, dass man durchaus von assistierter Telepharmazie sprechen könne, bei der Ärzt*innen und Apotheker*innen auf Augenhöhe agieren. Das seien neue Möglichkeiten einer vernetzen Gesundheitsversorgung.

Positionspapier aus Bayern und Nordrhein

Noch vor dem Symposium hatten die Apothekerkammern aus Nordrhein und Bayern in jeweils einem Positionspapier festgehalten, was ihrer Ansicht nach unter dem Begriff Telepharmazie zu verstehen ist. Laut BLAK bezeichnet Telepharmazie „jede patientenindividuelle, pharmazeutische Leistung von Vor-Ort- und Krankenhaus-Apotheken, die auf räumliche Distanz erbracht wird“. 


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.