Positionspapiere aus Bayern und Nordrhein

Apothekerschaft will Leitplanken für die Definition von Telepharmazie setzen

Berlin - 11.06.2024, 13:45 Uhr

Was ist Telepharmazie? (Foto: IMAGO / YAY Images)

Was ist Telepharmazie? (Foto: IMAGO / YAY Images)


Die Apothekerkammern aus Nordrhein und Bayern halten jetzt fest, was ihrer Ansicht nach unter dem Begriff Telepharmazie zu verstehen ist. In jeweils eigenen Positionspapieren wagen sie sich an eine Definition. Beide koppeln die Telepharmazie dabei an die öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken und wollen Möglichkeiten zur Homeoffice-Arbeit für das pharmazeutische Personal schaffen.

Telepharmazie – dieser Begriff klingt schick, modern, zukunftsgewandt. Doch was ist darunter eigentlich zu verstehen? Diese Definition ist die apothekerliche Standesvertretung bisher schuldig geblieben. Das rächt sich nun: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kam der Apothekerschaft zuvor und benutzt den Begriff in seinen Eckpunkten zur Apothekenreform für ein Konzept, bei dem PTA Filialen eigenständig führen und Approbierte nur dann per Video zuschalten, wenn sie Unterstützung benötigen.

Vor diesem Hintergrund legen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) und die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) jetzt jeweils ein Positionspapier vor, in dem sie die Telepharmazie aus Sicht des Berufsstands definieren. Laut BLAK bezeichnet Telepharmazie „jede patientenindividuelle, pharmazeutische Leistung von Vor-Ort- und Krankenhaus-Apotheken, die auf räumliche Distanz erbracht wird“. Sie umfasst dem Papier aus Bayern zufolge jede Form der Information und Beratung, Versorgung und die Bereitstellung pharmazeutischer Informationen und Dienstleistungen, die den physischen Kontakt zwischen Patientinnen und Patienten sowie pharmazeutischem Fachpersonal nicht zwingend erfordern. Auch interprofessionelle Konsile fasst die Kammer darunter zusammen. Zu den technischen Hilfsmitteln heißt es:


„Hierzu bedient sich die Telepharmazie aller Arten synchroner oder asynchroner Telekommunikation sowie digitaler Anwendungen, digital vernetzter Arzneiformen und therapeutischer Systeme, die zum Zwecke einer Optimierung der Arzneimitteltherapie therapierelevante Parameter ermitteln, monitoren, aufzeichnen, auswerten, speichern oder übertragen.“

Positionspapier „Telepharmazie“ der BLAK


Zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit „physischen Produkten“ – darunter dürften insbesondere Arzneimittel zu verstehen sein – bediene sich die Telepharmazie verschiedener Möglichkeiten pharmazeutischer Logistik, heißt es weiter. Dabei kommen ausschließlich jene Mittel zum Einsatz, die „den hohen pharmazeutischen Standards genügen und die Qualität der gelieferten Waren jederzeit gewährleisten“. 

Wichtig: Telepharmazeutische Leistungen gehören laut BLAK zu den zu honorierenden pharmazeutischen Tätigkeiten im Sinne der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und werden ausschließlich durch qualifiziertes Fachpersonal für eine öffentliche Apotheke oder Krankenhausapotheke durchgeführt, zu deren Personal sie gehören.

Darüber hinaus nennt die Kammer stichwortartig die wichtigsten Normen der Apothekenbetriebsordnung, auf die sie ihre Definition stützt. Dabei führt sie auch § 20 Absatz 1 Satz 2 ApBetrO an, wonach die Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden muss. Aufgrund dieser Formulierung „ist die Anbindung an die Apotheke vor Ort wohl nicht zwingend notwendig, jedoch die Durchführung der Beratung durch einen Apotheker der jeweiligen Apotheke“, folgert die BLAK – demnach kann die Beratung auch aus dem Homeoffice heraus erfolgen. Voraussetzung für digitale Beratungsleistung via Telepharmazie sollte ihrer Einschätzung nach jedoch ein persönliches Erstgespräch vor Ort sein.

Eigenes Papier aus Nordrhein

Auch die Kammer Nordrhein wartet mit einem eigenen Positionspapier zur Telepharmazie auf, dessen Inhalte laut einer Pressemitteilung der AKNR mit jenen des BLAK-Papiers „Hand in Hand gehen“. Die Nordrheiner zielen darauf ab, die organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen „so zu gestalten, dass sie der Apotheke vor Ort und den Krankenhausapotheken Nutzen bringen und die in der Zukunft notwendigen Versorgungsstrukturen zulassen, ohne dass sie missbräuchlich verwendet werden können“.

Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice habe die Kammer dabei berücksichtigt, um die Attraktivität der Arbeitsplätze in den Apotheken zu steigern. Dabei wird Telepharmazie als „Kommunikation des pharmazeutischen Personals von öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken im Rahmen einer pharmazeutischen Tätigkeit“ definiert, bei der sich das Apothekenpersonal und die Leistungsempfänger nicht am gleichen Ort aufhalten. Voraussetzung für das Erbringen solcher Leistungen aus dem Homeoffice heraus sei, dass eine eindeutige Anbindung in Form eines Beschäftigungsverhältnisses an eine öffentliche Vorortapotheke vorliegt und die Weisungshoheit nach § 7 Apothekengesetz gewährleistet ist. Einsatzgebiet kann der Mitteilung zufolge etwa die Beratung zu digitalen Gesundheitsanwendungen sein, ebenso wie bestimmte Teile der pharmazeutischen Dienstleistungen, Präventionsleistungen, Medikationschecks und andere Bereiche, in denen eine physische Präsenz der Patientinnen und Patienten vor Ort nicht erforderlich ist.

Kampf um Deutungshoheit

Der Zeitpunkt der Veröffentlichungen der Positionspapiere ist wohl nicht zufällig gewählt: Zur Stunde findet im Apothekerhaus in Berlin ein Symposium der Bundesapothekerkammer statt, das sich ebenfalls dem Thema Telepharmazie widmet. Auch dieses dürfte Ausdruck dafür sein, dass der Berufsstand jetzt darum kämpfen muss, sich die Deutungshoheit über den Begriff Telepharmazie zurückzuholen.

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Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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