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Paul-Ehrlich-Institut zu Impfnebenwirkungen
Kein Signal für eine Reaktivierung des Herpes zoster
Unter allen dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldeten Verdachtsfällen auf Impfnebenwirkungen stach ein Impfstoff besonders hervor: Jeder dritte Fall bezog sich auf den Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix, fast immer wurden Gürtelrose-Episoden beobachtet. Doch: Das Paul-Ehrlich-Institut hat bislang kein Signal für ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Herpes zoster nach Impfung gefunden.
Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen werden in Deutschland dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet, wo sie gesammelt und ausgewertet werden. Eine solche Auswertung für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2021 über alle in Deutschland zugelassenen und vermarkteten Impfstoffe, ausgenommen COVID-19-Vakzinen, wurde nun veröffentlicht. In den drei betrachteten Jahren erreichten das PEI 14.253 Meldungen zu möglichen unerwünschten Impfwirkungen. Drei Viertel dieser Meldungen erachtete das PEI als nicht schwerwiegend (75,3 Prozent), das verbleibende Viertel (24,7 Prozent) wurde als schwerwiegend eingestuft.
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42,4 Prozent der Menschen mit möglichen Impfnebenwirkungen sind mittlerweile wieder vollständig genesen, jeder Vierte (25,7 Prozent) hatte zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch Beschwerden, und bei 28 Prozent ist nicht bekannt, wie es ihnen geht. Einen bleibenden Schaden nach Impfung berichteten 3,3 Prozent der Meldenden, in 0,5 Prozent wurde ein Todesfall berichtet, wobei: „In keinem einzigen Fall wurde der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und der berichteten Todesursache als ‚konsistent’ bewertet, da andere Ursachen, z. B. Komplikationen der Grunderkrankungen, wahrscheinlicher und/oder der zeitliche Abstand nach Impfung nicht plausibel war oder insgesamt wichtige klinische Informationen fehlten, sodass der kausale Zusammenhang zwischen Impfung und unerwünschten Reaktionen nicht beurteilt werden konnte“, erklärt das PEI hierzu.
Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Nebenwirkung erkannte das PEI in 17 Fällen: vier Meldungen über ein Granulom mit Narbenbildung, zwei Meldungen zu einer Invagination nach Rotavirusimpfung, fünf Fälle über einen Abszess an der Injektionsstelle und sechs Einzelfallberichte über eine Narkolepsie nach Impfung mit dem Schweinegrippevirusimpfstoff in den Jahren 2009/2010.
Welche Nebenwirkungen gab es?
Am häufigsten kam es zu:
- Fieber (5,38 Prozent aller Nebenwirkungen),
- Schmerzen an der Impfstelle (3,23 Prozent),
- Kopfschmerz (3,16 Prozent),
- Schmerzen in den Extremitäten (2,41 Prozent),
- Ausschlag (2,35 Prozent) und
- Ermüdung (2,15 Prozent).
Mit je unter 2 Prozent folgen unter anderem Meldungen zu Schüttelfrost, Herpes zoster (überwiegend gemeldet nach einer Impfung gegen Herpes zoster) und Myalgie als Impfreaktion.
Erwachsene: jede dritte Meldung betraf Shingrix
Interessant ist eine Beobachtung: Bei Erwachsenen entfiel der Hauptteil der Meldungen (35 Prozent) auf den rekombinanten, adjuvantierten Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix®, der vor Gürtelrose und postherpetischer Neuralgie schützen soll. In der EU zugelassen seit 2018, ist die zweimalige Impfung mit Shingrix® für Menschen ab 60 Jahren mittlerweile Standardimpfung und erstattungsfähig. Zudem übernehmen die Krankenkassen auch die Kosten für Shingrix® bei Menschen ab 50 Jahren, wenn diese bestimmte Grunderkrankungen haben (angeborene bzw. erworbene Immundefizienz bzw. Immunsuppression, HIV-Infektion, rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen oder Asthma bronchiale, chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus).
Bei den nach einer Shingrix®-Impfung gemeldeten Nebenwirkungen stand an erster Stelle (19,6 Prozent aller Einzelfallberichte) eine Herpes-zoster-Episode, wobei dem PEI zufolge „zumeist aber kein virologischer Nachweis“ vorlag, sodass die beobachteten Hautläsionen nicht mit absoluter Sicherheit eine Gürtelrose waren.
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Herpes-zoster-Erkrankungen nach Shingrix-Impfung
Allerdings: Das ist nicht das erste Mal, dass Herpes-zoster-Episoden aufgrund der Gürtelrose-Impfung beobachtet wurden. Bereits 2020 hatte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Meldungen über Herpes zoster nach Impfung mit Shingrix® thematisiert. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte zeitgleich eine Studie begonnen, die die Frage beantworten soll, ob Shingrix® das Varicella-zoster-Virus, das hinter der Gürtelrose steckt, reaktivieren kann. Dafür untersucht das PEI eine Serie von Verdachtsfällen von Gürtelrose sowie bullösen Hautreaktionen, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind. Die Ergebnisse wertet das PEI eigenen Angaben zufolge derzeit aus.
Nicht häufiger als sonst in der Bevölkerung
Doch wie bewertet das PEI die Häufigkeit des Auftretens von Gürtelrose nach einer Herpes-zoster-Impfung aktuell und aufgrund der Drei-Jahres-Daten? Das Paul-Ehrlich-Institut verglich dafür, wie oft Menschen nach einer Shingrix®-Impfung innerhalb von 28 Tagen eine Gürtelrose entwickelten, mit der Anzahl von zufällig auftretenden Gürtelrose-Fällen in der Bevölkerung (umgeimpft). Und: Das PEI fand „kein Signal für ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Herpes zoster innerhalb von 28 Tagen nach Impfung, basierend auf der in Deutschland ermittelten Hintergrundinzidenz“.
Besonders meldefreudig?
Und wie erklärt das PEI sodann die aufgetretenen Herpes-zoster-Fälle nach Impfung? „Möglicherweise beruht der im Vergleich zu anderen Impfstoffen höhere Anteil von Verdachtsmeldungen nach Shingrix® auf erhöhter Aufmerksamkeit und vermehrter Meldung“. Das sei insbesondere bei neu zugelassenen oder neu verwendeten Impfstoffen auch erwünscht, um potenzielle Risikosignale zeitnah zu erkennen und weiter untersuchen zu können.
PEI will Augenmerk auf Guillain-Barré-Syndrom nach Shingrix legen
Das PEI erreichten auch 19 Verdachtsmeldungen eines Guillain-Barré-Syndroms (neurologisches Krankheitsbild mit entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems) nach Shingrix®-Impfung. Auch wenn die derzeit verfügbaren Informationen keinen ursächlichen Zusammenhang belegen, ließ sich bereits in Beobachtungsstudien nach Markteinführung bei älteren Menschen ab 65 Jahren ein „erhöhtes Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (schätzungsweise drei Fälle pro Million verabreichter Dosen) während 42 Tagen nach der Impfung“ verzeichnen, erklärt das PEI und will darauf künftig ein „besonderes Augenmerk“ richten.
Kinder: viele Meldungen zur Sechsfachimpfung
Insgesamt betrafen auch 4.084 der vom PEI zwischen 2019 und 2021 erfassten Meldungen Kinder, am häufigsten wurde hier (1.394) „erwartungsgemäß“ nach Impfung mit Sechsfachimpfstoffen berichtet. Nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) erhalten Säuglinge im zweiten, vierten und elften Lebensmonat je eine Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung (Polio), Keuchhusten (Pertussis), Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B, die es kombiniert als Sechsfachimpfung (z. B. Hexyon®, Infanrix® hexa) gibt (die STIKO empfiehlt in diesem Alter zudem einen Pneumokokkenschutz und ab sechs Wochen nach Geburt eine Rotavirusimpfung).
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Die meisten Meldungen bei Kindern betrafen dem PEI zufolge Krampfanfälle mit und ohne Fieber. Es sei bekannt, dass einige Impfstoffe bei Kindern Fieberkrämpfe auslösen könnten, erklärt das PEI. Krampfanfälle sind die häufigste neurologische Störung im Kindesalter und 4 bis 10 Prozent der Kinder erleiden einen solchen in den ersten 16 Lebensmonaten. Dass Impfstoffe zu einer Epilepsie führen können, ist dem PEI nach nicht belegt.
Invagination nach Rotavirusimpfung
Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer aufgetretenen unerwünschten Wirkung konnte das PEI auch in zwei Fällen einer Invagination (Einstülpung eines Darmabschnittes) nach Rotavirusimpfung belegen (siehe oben).
Bei den insgesamt erfassten 14.253 Verdachtsmeldungen zu unerwünschten Impfwirkungen gilt die Gesamtzahl der verabreichten Impfdosen in diesem Zeitraum zu berücksichtigen. Diese liegt bei mehr als 120 Millionen Impfdosen.
Dieser Text wurde am 24.04.2023 redaktionell überarbeitet.
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