Arzneimittel-Richtlinie

G-BA regelt Verordnung von medizinischem Cannabis

Berlin - 16.03.2023, 16:30 Uhr

G-BA-Chef Josef Hecken verspricht: Die Patientenversorgung mit Medizinalcannabis ist sichergestellt. (Foto: Rosa Reibke / G-BA)

G-BA-Chef Josef Hecken verspricht: Die Patientenversorgung mit Medizinalcannabis ist sichergestellt. (Foto: Rosa Reibke / G-BA)


Der Gemeinsame Bundesausschuss hat heute die Detailregelungen beschlossen, die künftig bei der ärztlichen Verordnung von medizinischem Cannabis als GKV-Leistung gelten. Im Vorfeld war heftig um die Regelungen gerungen worden. G-BA-Chef Josef Hecken betonte, dass man sich mit dem jetzt gefassten Beschluss exakt im vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen bewege und nicht darüber hinausgehe. Vom Tisch ist unter anderem ein Facharztvorbehalt für die Verordnung vom medizinischem Cannabis.

Anfang November vergangenen Jahres hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein Stellungnahmeverfahren zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie eingeleitet. Im Blickpunkt: Cannabisarzneimittel. Bereits seit März 2017 kann Medizinalcannabis unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 6 Sozialgesetzbuch V (SGB V) zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Umfasst sind getrocknete Blüten oder Extrakte in standardisierter Qualität sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Zugleich legte der Gesetzgeber fest, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von 2017 bis 2022 eine Begleiterhebung zum Einsatz von Cannabis durchführt. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Erhebung sollte sodann der G-BA das Nähere zum Leistungsanspruch in seiner Arzneimittel-Richtlinie regeln. Und genau das hat er jetzt getan.

Am heutigen Donnerstag fasste das Gremium seinen Beschluss – es war der einzig strittige Punkt in der heutigen Plenumssitzung. Vorausgegangen war ein leidenschaftlich geführtes Stellungnahmeverfahren – denn die Beschlussvorlage mit ihren einzelnen Optionen hatte einigen Widerspruch hervorgerufen. Vor allem die Bestrebungen der Krankenkassen, die Versorgung mit Blüten nachrangig zu behandeln und stattdessen die Versorgung mit Cannabis-Fertigarzneimitteln zu bevorzugen sowie die Verordnung Fachärzten vorzubehalten, kamen nicht bei allen Marktbeteiligten gut an. 

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Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken betonte in der Sitzung, dass er das Stellungnahmeverfahren als „sehr wertvoll“ wahrgenommen habe. Man habe dabei – abseits der Daten des BfArM – breit erfahren, wie die Behandlung schwer Kranker mit medizinischem Cannabis laufe. Der Beschlussentwurf, der daraus entstanden sei, orientiere sich stark an den gesetzlichen Vorgaben des § 31 Abs. 6 SGB V.

„Wir haben heute Regelungen beschlossen, die keine zusätzlichen Anforderungen an die Verordnung von medizinischem Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten stellen, die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen gesetzlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen“, versicherte Hecken nach der Beschlussfassung. Sie schöpften aber den vom Gesetzgeber gegebenen Handlungsrahmen voll aus und seien „ein fachlich ausgewogener und in der Versorgungspraxis sehr gut gangbarer Weg, um eine gute und rechtssichere Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung sicherzustellen“.

Im Einzelnen gilt laut G-BA nun Folgendes:

  1. Nur die Erstverordnung von Cannabis sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form bedürfen keiner erneuten Genehmigung. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt worden ist, gilt diese auch weiterhin.
  2. Die Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
  3. Cannabis-Verordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
  4. Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabistherapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungs­pflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
  5. Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt alle Ärztinnen und Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.

Hecken: „Ich bin mir sicher, dass mit dem Verzicht auf erneute Genehmigungen von Folgeverordnungen und im Rahmen der SAPV, einer Verordnungsbefugnis für alle Ärztinnen und Ärzte, und dem auch im Gesetz angelegten verkürzten Prüfverfahren nach stationärer Behandlung und in der AAPV nicht nur der gesetzgeberische Wille umgesetzt worden ist, sondern auch eine im Bedarfsfall zeitnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis ermöglicht wird.“

Der Beschluss wird in Kürze auf der Website des G-BA veröffentlicht. Er tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit ihn rechtlich nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Der G-BA hat ein FAQ zum gefassten Beschluss erstellt.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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