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Verschreibungspflichtig oder nicht?
OTC-Diskussionen rund um Sildenafil, Cytisin und Fluticason/Azelastin
Diskussionen rund um die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln sind für Apotheker:innen spannend, liegt in der Selbstmedikation doch das größte Beratungspotenzial in der Apotheke. Die DAZ hat sich deshalb einmal genauer angeschaut, warum beispielsweise Cytisin und kombinierte Nasensprays aus Fluticason und Azelastin vorerst verschreibungspflichtig bleiben sollen. Antworten finden sich im Ergebnisprotokoll der letzten Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht – darin gibt es auch Neuigkeiten zur Sildenafil-Diskussion.
Am 25. Januar 2023 hat der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht einstimmig empfohlen, das Antibiotikum Nifuroxazid der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Einer von vielen Gründen für die Entscheidung: „Dass Nitrofurane in Zukunft zu einer wichtigen Wirkstoffklasse im Kampf gegen multiresistente bakterielle Krankheitserreger werden könnten – wie vom Antragsteller bezüglich der Bedeutung der Substanz argumentiert –, spricht eher gegen eine OTC-Anwendung bei banalen Infekten“, hieß es. Einstimmig war hingegen auch die Empfehlung des Ausschusses, das Antihistaminikum Olopatadin für die Anwendung am Auge bei Erwachsenen aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. In den USA sind Olopatadin-Augentropfen bereits seit 2020 ab dem 2. Lebensjahr nicht mehr verschreibungspflichtig.
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Nicht ganz so einig war sich der Sachverständigen-Ausschuss hingegen bei seinen Empfehlungen – hinsichtlich der Einstufung als verschreibungspflichtiges Arzneimittel oder nicht – bei niedrig dosierten Bilastin-Tabletten für Kinder, kombinierten Nasensprays aus Azelastin und Fluticason sowie dem Raucherentwöhnungsmittel Cytisin. Das geht aus dem Ergebnisprotokoll der 86. Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht hervor, welches am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde.
Cytisin: komplexes Behandlungsschema und problematische Altersgrenze
Mehrheitlich abgelehnt wurde die Entlassung aus der Verschreibungspflicht von Cytisin, obwohl in acht EU-Mitgliedsländern und 13 Nicht-EU-Mitgliedsländern bereits OTC-Status bestehen soll – insbesondere in Ost-Europa. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zwar der Ansicht, dass das Nebenwirkungsprofil von Cytisin nicht gegen einen OTC-Status spricht, Patient:innen seien zudem fähig, ihren „Raucherstatus korrekt“ einzuschätzen, doch könne der OTC-Status in des Gesamtschau vom BfArM dennoch nicht unterstützt werden, das geht aus entsprechenden Vortragsfolien hervor: Als problematisch wird vor allem das komplexe Behandlungsschema angesehen – fünf verschiedene Dosierungsvorgaben innerhalb von 25 Tagen Behandlungsdauer. Als problematisch wird auch betrachtet, dass Cytisin aufgrund fehlender Daten nur zwischen 18 und 65 Jahren angewendet werden sollte. Die Verankerung einer oberen Altersgrenze in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) sei jedoch „sehr problematisch, da diese in den Apotheken schwer/kaum kontrollierbar“ sei.
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Der H₁-Rezeptor-Antagonist Bilastin ist bereits seit Beginn dieses Jahres als OTC-Produkt in der Lauer-Taxe gelistet – allerdings in der 20-mg-Dosierung zur symptomatischen „Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis (saisonal und perennial) und Urtikaria“. Aus der Verschreibungspflicht entlassen wurde diese höhere Bilastin-Dosierung unter der Bedingung, dass auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Beschränkung der Anwendung auf Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren angegeben ist. Nun hat der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht im Januar zudem mehrheitlich empfohlen, auch den Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Bilastin 10 mg zur oralen Anwendung anzunehmen. Hintergrund ist die Zulassung für ein entsprechendes Präparat für Kinder ab sechs Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 20 kg.
Bilastin: nicht für Kinder unter 6 Jahren
Cetirizin, Loratadin, Desloratadin (ab 2 Jahren) und Levocetirizin (ab 6 Jahren) sind bereits nicht verschreibungspflichtig für Kinder in Apotheken erhältlich. Die Erfahrung damit zeige, dass solche Präparate grundsätzlich für die Selbstmedikation bei Kindern geeignet seien, so die Einschätzung des BfArM. Bilastin weise zudem eine große therapeutische Breite auf – Überdosierungen bis zum Elffachen der therapeutischen Dosis sollen in klinischen Studien keine schwerwiegenden Nebenwirkungen nach sich gezogen haben. Allerdings, wie es in der ABDA-Datenbank heißt, ist „die Wirksamkeit und Sicherheit von Bilastin bei Kindern unter 2 Jahren [...] nicht erwiesen, und bei Kindern im Alter von 2 bis 5 Jahren gibt es nur geringe klinische Erfahrungen. Daher darf Bilastin in diesen Altersgruppen nicht angewendet werden“. Cetirizin, Loratadin und Desloratadin werden also gerade für jüngere Kinder in der Selbstmedikation wichtig bleiben.
Warum es keine rezeptfreien Kombi-Nasensprays aus Azelastin und Fluticason gibt
Bei kombinierten Allergie-Nasensprays aus Azelastin und Fluticason hält es das BfArM vor allem für fraglich, ob Patient:innen richtig einschätzen können, wann deren Anwendung angezeigt ist. Denn die Kombination sei nur zur Behandlung schwerer Erkrankungsverläufe vorgesehen. Solche Patient:innen sollten aus Sicht der BfArM ärztlich betreut werden. Vor allem Nasenbluten soll als häufige Nebenwirkung auftreten. Ein Vergleich der Nebenwirkungen der Einzelsubstanzen und der Kombination soll jedoch keine neuen sicherheitsrelevanten Aspekte ergeben haben.
Nur in wenigen Ländern – Neuseeland (2018), Schweden (2020), Finnland (2021) und Norwegen (2022) – seien solche kombinierten Nasensprays als OTC-Arzneimittel verfügbar. Die Einzelkomponenten sind jedoch auch in Deutschland bereits ohne Rezept erhältlich. Das genügt offenbar aus Sicht des BfArMs für die Selbstmedikation und der Antrag aus Entlassung aus der Verschreibungspflicht konnte schließlich keine Mehrheit finden.
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2022 empfahl das BfArM die Verschreibungspflicht für Sildenafil ohne Ausnahmen in Deutschland beizubehalten. Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht folgte in seiner Abstimmung einstimmig dieser Empfehlung. Ein Ausschussmitglied bat nun auf der 86. Sitzung laut Ergebnisprotokoll „um Informationen zur Umsetzung der Empfehlung des Ausschusses zu Sildenafil“. Dazu soll das BMG im Januar ausgeführt haben, dass die Frage der Verschreibungspflicht von Sildenafil im BMG neu aufgegriffen worden sei – „insbesondere in Hinblick auf die Risiken und Gefahren des illegalen Onlinehandels“. Der Ausschuss könnte demnach gegebenenfalls erneut in die Diskussion rund um Sildenafil einbezogen werden – trotz einstimmiger Empfehlung für die Verschreibungspflicht in der Vergangenheit.
Die Ausschussempfehlungen sind grundsätzlich nicht verbindlich, tatsächliche Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfolgen erst durch Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit, nach Zustimmung des Bundesrates.
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