Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten

VdPP zu Gesundheitskiosken: „Zeit, dass sich die Apothekerschaft bewegt“

Marseille - 29.12.2022, 15:00 Uhr

VdPP-Referentin Esther Luhmann erklärt, weshalb sich Apotheken am Angebot von Gesundheitskiosken beteiligen sollten. (Foto: Moritz Hahn / DAZ)

VdPP-Referentin Esther Luhmann erklärt, weshalb sich Apotheken am Angebot von Gesundheitskiosken beteiligen sollten. (Foto: Moritz Hahn / DAZ)


Warum sollten sich Apotheken am Angebot von Gesundheitskiosken beteiligen? Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) sieht darin auch eine soziale Verantwortung und macht Vorschläge, wie eine Kooperation aussehen könnte. Er fordert die ABDA auf, ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Modell zu überdenken. 

Rund 1.000 neue Gesundheitskioske sollen auf Wunsch von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) deutschlandweit entstehen. Die ABDA lehnt das Konzept bisher ab: Sie sieht darin eine „überflüssige Parallelstruktur“, in der Geld verbrannt werde. Der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) hingegen spricht sich für eine Beteiligung der Apotheken an Gesundheitskiosken aus.

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In zwei Leserbriefen an die DAZ hatte der VdPP die Position der ABDA kritisiert. Sozial Benachteiligte in bestimmten Stadtvierteln und auf dem Land müssten bei der Gesundheitsversorgung besser erreicht werden. Die pauschale Ablehnung der Kioske sei „kein hilfreicher Beitrag der Apothekerschaft“ zu diesem „drängenden Problem“, schreibt der VdPP, der sich für soziale Verantwortung in der Medizin einsetzt. Auch die Ärzteschaft habe sich anfänglich ablehnend gegenüber den Kiosken geäußert. Doch diese Ablehnung sei inzwischen zu einer differenzierteren Position weiterentwickelt worden. Es werde „Zeit, dass sich auch die Apothekerschaft bewegt“, so der VdPP gegenüber der DAZ.

Netzwerk ohne Apotheken wäre „ein Versäumnis“

Auf Nachfrage erklärt der Verein, warum er selbst für eine Beteiligung der Apotheken an den Gesundheitskiosken ist und wie er sich diese vorstellt. Die Gesundheitskioske seien als eine zentrale Anlaufstelle für Fragen zum Gesundheits- und Sozialsystem geplant: „Apotheken sind die zentrale Stelle der Arzneimittelversorgung. Sie im Netzwerk eines Gesundheitskioskes nicht aufzunehmen, wäre ein Versäumnis. Denn damit würden die pharmazeutischen Kompetenzen nicht genutzt, die in der Regel dort zur Verfügung stehen“, sagte VdPP-Referentin Esther Luhmann gegenüber der DAZ. „Gebraucht werden Apothekerinnen und Apotheker vor Ort und Kammervorstände, die bei der Entwicklung und beim Aufbau der Gesundheitskioske mithelfen und ihre pharmazeutische Kompetenz einbringen.“ Fragen rund um die Probleme, die viele Menschen bei der Anwendung von Arzneimitteln hätten, müssten auch in den Gesundheitskiosken „wahrgenommen werden können und patientenorientiert geklärt werden“, betont Luhmann.

Der VdPP sieht drei Möglichkeiten, wie sich die Apotheken vor Ort bei den Gesundheitskiosken einbringen könnten. Zum einen bräuchten die Mitarbeitenden der Kioske Hinweise, welche Probleme Arzneimittel bereiten können, wenn sie nicht richtig angewendet werden oder wenn unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten. So könnten zum Beispiel Schwindel, Stürze, Magen-Darm-Beschwerden oder Husten durch Arzneimittel verursacht werden. „Das sollten Mitarbeitende in Gesundheitskiosken im Blick haben, um Nachfragende, falls nötig an die Apotheke oder den Arzt zu lotsen. Dafür brauchen sie aber Schulungen durch kompetentes Personal, das in Apotheken vorhanden sein sollte“, sagt Luhmann.

Pharmazeutische Kompetenz nötig

Zweitens: Je mehr Arzneimittel eingenommen werden, desto mehr pharmazeutische Kompetenz werde in der Regel gebraucht, um die Anwenderinnen und Anwender von Arzneimitteln zu unterstützen. Zwar könnten viele aufgeworfenen Fragen auch beim Arzt oder der Ärztin geklärt werden. „Aber warum sollte man nicht die in Apotheken vorhandenen Kompetenzen nutzen und damit vielleicht auch die Ärzte und Ärztinnen entlasten?“, fragt Luhmann. In Gesundheitskiosken könnten die Mitarbeitenden Nachfragende, wenn nötig, an Apotheken verweisen.

Drittens glaubt Luhmann, dass die Apotheken den Kiosken zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen könnten. So würden Apotheken zu Recht als sehr niedrigschwellige Einrichtungen des Gesundheitswesens bezeichnet: „Sie erreichen in ihrem Sprengel einen Großteil der Bevölkerung. Damit sind sie in der Lage, einzelne Zielgruppen direkt anzusprechen, die im Rahmen von Prävention und Gesundheitsförderung im Quartier oder in der Ortschaft oftmals schwer erreichbar sind. Vorhandene Angebote können so bekannt gemacht und gezielt bestimmten Bevölkerungsgruppen vorgeschlagen werden. Ein kommunales Public Health-Netzwerk kann auf Apotheken deswegen eigentlich gar nicht verzichten.“

Aber auch der Informationsfluss in entgegengesetzter Richtung sei von großer Bedeutung. „Die Menschen bringen eine Vielzahl von Informationen in die Apotheken. Sie sprechen dort nicht nur über Arzneimittel, sondern auch über die Dinge, die sie vor Ort erleben, die sie gut finden oder die sie stören. Solche Informationen sind für lokale Public-Health-Netzwerke enorm wichtig“, sagt die VdPP-Referentin.

Gesundheitskioske sollen Ungleichheit abbauen

Die Schere zwischen sozial benachteiligt und privilegiert dürfe nicht weiter auseinandergehen. Es sei Aufgabe der Gesundheitskioske, die Ungleichheiten abzubauen. Und gerade Apotheken könnten viel dazu beitragen, wenn sie mit den pharmazeutischen Dienstleistungen „die Menschen erreichen, die ihre Hilfe besonders benötigen“.

Sie seien deshalb sehr wertvoll für die Gesundheitskioske. „Nur wird das heute noch nicht ausreichend erkannt, weder von den Apothekern und Apothekerinnen selbst noch von den kommunalen Stellen, die sich für Gesundheitskioske einsetzen. Deswegen ist es unser Ziel, dass sich die Apothekerschaft vor Ort mit den Verantwortlichen für die Einrichtung von Gesundheitskiosken zusammensetzen und überlegen, wie die Zusammenarbeit am besten organisiert werden kann. Die bisherigen Signale aus der Apothekerschaft: ‚Gesundheitskioske brauchen wir nicht‘, führt allerdings nur dazu, dass die Verantwortlichen in den Kommunen ähnlich reagieren: ‚Apotheken brauchen wir nicht‘“, so Luhmann.

Frust des Berufsstands ist nachvollziehbar

Der VdPP kann teilweise nachvollziehen, woher die Ablehnung vieler Apotheker und Apothekerinnen gegen die Kioske kommt, die manche als konkurrierendes Modell betrachten: „Der Frust großer Teile der Apothekerschaft und der Standesführung, dass es mit der Anzahl an Apotheken abwärts geht, dass Honorare nicht angepasst werden, dass bürokratische Anforderungen das Leben schwer machen und dass der pharmazeutische Nachwuchs nur schwer für die Apotheken zu begeistern ist, ist verständlich. Unserer Auffassung nach ist aber der Weg aus diesem Tal nicht die Steigerung der Konfrontation mit der Politik, mit der Ärzteschaft und mit den Krankenkassen“, sagt VdPP-Referentin Luhmann. Der VdPP setze stattdessen auf Kooperation. Er glaubt, ein „Bedeutungszuwachs von Apotheken“ durch eine Teilhabe an lokalen Public-Health-Netzwerken könne vielleicht dazu führen, dass auch „wieder an eine Bedarfsplanung für Apotheken gedacht werden kann“.


Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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8 Kommentare

Unsinn

von Dr. House am 03.01.2023 um 17:50 Uhr

Der VdPP hat sich ja recht vernünftig in die "Flohmarkt"-Debatte eingeklingt. Aber wozu alles ändern, neudenken, usw, wenn doch gerade die Regelversorgung wohin man auch schaut zusammenbricht und Personal an allen Enden und Ecken fehlt? Und es fehlt nicht nur wegen der Demografie. Es fehlt auch, weil es viel zu viel übermäßig gut bezahlte Bullshitjobs gibt, in denen man die Zeit hat sich sowas auszudenken. Man kann doch einfach auch mal versuchen einen Schritt zurückzugehen und Dinge genauso zu machen, wie zu Zeiten wo es offensichtlich besser in diesem Land funktioniert hat.

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AW: Unsinn vs. Sinn von Gesundheitskiosken und der durch sie eingeleiteten Vernetzung

von Dr. h.c. Helmut Hildebrandt am 14.01.2023 um 19:44 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bitte überlegt die Argumente des VDPP noch mal ganz in Ruhe. Ja, und ich oute mich gerne: Ich bin Apotheker und habe damals die ersten Jahre den Gesundheitskiosk und die präventive wie versorgungspolitische Vernetzung in BIllstedt-Horn geleitet. Könnt ihr denn als Apotheken mit der jetzigen Vergütung eine wirkliche stadtbezirks- bzw. Landkreisbezogene Vernetzung mit den sozialen und medizinischen Akteuren leisten? Das ist doch völlig ausgeschlossen. Seht doch die Idee der Gesundheitskioske eher als Eure Chance !!! Die kommunalen Ebenen sollen zwar das Initiativrecht bekommen, aber wer dann nachher den Betrieb eines Gesundheitskiosks organisiert ... warum sollen das nicht - so wie bei mir - dann später auch Apotheker:innen in Angriff nehmen? Und bzgl. der Mitarbeiter aus der Pflege gibt es gar keine Probleme, überall wo wir tätig sind finden wir genügend Personen, auch in einem Alter, wo die Tätigkeit am Bett vl. nicht mehr so ganz so einfach ist, die Lebensweisheit aber groß ist. Wer sich dafür noch mehr interessiert: Schaut bei uns auf die Website: https://optimedis.de/gesundheitskiosk/

Apotheken stärken

von Linda F. am 30.12.2022 um 9:48 Uhr

Gesundheitskioske würden doch nur dazu führen, dass die funktionierende Versorgung über die Apotheken vor Ort weiter unterminiert würde und etablierte Strukturen noch mehr geschwächt würden. Das Ergebnis wäre nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Versorgung - gerade auch für sozial Benachteiligte.
Wo sollen denn die Kiosk-Mitarbeiter in Zeiten eines massiven Personalmangels im Gesundheitswesen herkommen? Sie müssten von etablierten Strukturen (Pflegeeinrichtungen, Apotheken, etc) abgeworben werden und würden damit die vorhandenen Strukturen noch mehr schwächen und damit das Gegenteil dessen erreichen, was die Befürworter von Gesundheitskiosken erreichen wollen.
Es wäre wesentlich effektiver und effizienter, die für die Gesundheitskioske vorgesehenen Mittel stattdessen in die Apotheken vor Ort zu investieren und damit etablierte und nachweislich funktionierende Strukturen zu stärken. Die Apotheken vor Ort sind als wohnortnahe und niedrigschwellige Einrichtungen des Gesundheitswesens bekannt und übernehmen als kompetenter Ansprechpartner in Gesundheitsfragen auch soziale Verantwortung, indem sie einen einfachen Zugang zu Gesundheitsversorgung für jeden - gerade auch für sozial Benachteiligte - bieten. Insofern macht es doch in jeder Hinsicht wesentlich mehr Sinn, die Apotheken zu stärken anstatt diese durch den Aufbau von Parallelstrukturen wie Gesundheitskioske zu schwächen.

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Paralellstrukturen

von Reinhard Rodiger am 29.12.2022 um 23:13 Uhr

Der Aufbau von Paralellstrukturen führt zur Schwächung der Ausgangsstruktur.Das Ergebnis ist ein Parasit, der nur absaugt oder unbezahlte Mehrarbeit bringt.Das ist kontraproduktiv.

Gäbe es eine gesunde, geförderte, respektierte Ausgangsstruktur, kann über Ergänzung nachgedacht werden.
Doch diese Struktur zerstören und sie gleichzeitig zum Aufbau
anderer Strukturen zu benutzen ist an Zynik nicht zu überbieten.Nach der bisherigen politischen Logik werden die Mittel für die Kioske den Apotheken entnommen.Sie sollen ertragsfreie Dienstleistungen erbringen während das Geschäft abwandert.

Eine Systemkonkurrenz dieser Art ist keine Antwort auf die Probleme, sondern eine bewusste Irreführung und Demontage
vorhandener Kompetenz.

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Unfassbar

von Dr. Ralf Schabik am 29.12.2022 um 19:01 Uhr

Wäre ich ABDA-Verantwortlicher, käme ich mir jetzt verschärft verar... vor. Da protestiert die ABDA mal deutlich - und schon kommen "eigene" Leute und fallen in den Rücken. Unfassbar und unverständlich. Vor allem unglaublich inkonsequent: Wenn ich gegen das Auseinanderklaffen einer Schere vorgehen möchte, dann ist es doch geradezu unsozial, eine Parallelwelt für die "Benachteiligten" aufzubauen. Lieber stecke ich doch die Mittel, die ich für die neuen Strukturen brauche, in BESTEHENDE Einrichtungen, damit ALLE Menschen dort gleichermaßen behandelt werden können. Dann brauche ich keine neuen "Kioske", sondern in bestehenden Apotheken, Praxen etc. kann der Bedarf abgedeckt werden. Die Unterstützung der Kioske würde lediglich die kontinuierliche Politik der Vernichtung flächendeckender Versorgung kaschieren. Ich nenne das mal "Mittäterschaft".
Es ist zweifellos RICHTIG, die Bereitschaft zur Bewegung anzumahnen. Aber FALSCH ist es, die blinde Zerstörungswut gewisser Politiker auch noch zu unterstützen, indem man freiwillig anbietet, unnötig verursachte Scherben aufzukehren.

Der letzte Satz geht übrigens genau in die von mir geforderte Richtung: "Bedarfsplanung für Apotheken" ... damit müssen wir uns dringend auseinandersetzen. Die von unseren Vorfahren eingeklagte Niederlassungsfreiheit war im Nachhinein betrachtet vielleicht nicht die beste aller Ideen.

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AW: Unfassbar

von Karl Friedrich Müller am 29.12.2022 um 21:09 Uhr

Wunderbarer Kommentar. Danke.

Kioske

von Martin Straulino am 29.12.2022 um 18:16 Uhr

Duckmäusertum und immer alles brav und perfekt machen und mitmachen - damit haben wir uns (ABDA) in die Lage gebracht unter der wir heute leiden.

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Ja, richtige und schlüssige Argumentation, aber . . .

von Uwe Hansmann am 29.12.2022 um 16:27 Uhr

. . . das Eine tun und das Andere weiter einfordern! Nur so wird am Ende ein Schuh daraus.

Wie anders soll den der pharmazeutische Nachwuchs für die Apotheken zu begeistern sein, wenn die Honorare weiter nicht angepasst werden und weiter zunehmende, bürokratische Anforderungen das Leben uns allen das Leben schwer machen?

Diese Frage muß zumindest parallel zufriedenstellend gelöst werden, ansonsten droht hier ein weiterer Rohrkrepierer!

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