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Länder machen Druck
Wann kommt das Gesundheitsdatennutzungsgesetz?
Gesundheitsdaten sind ein Schatz. Sie sollen nicht nur in der unmittelbaren Versorgung besser ausgetauscht werden – sie sollen künftig auch wissenschaftlich besser genutzt werden können als bisher. Das plant sowohl die EU-Kommission für den Europäischen Gesundheitsdatenraum, als auch die deutsche Politik in einem noch zu schaffenden Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Die Länder machen jetzt Druck. Auch die Arzneimittelhersteller warten gespannt auf das Gesetz.
Im Bereich der Digitalisierung haben sich die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag einige Ziele gesetzt. Nicht nur die Einführung von elektronischer Patientenakte (ePA) und E-Rezept soll beschleunigt werden – was sich bereits als sehr schwieriges Unterfangen erweist. Auch ein „Gesundheitsdatennutzungsgesetz zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO“ soll auf den Weg gebracht und eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur aufgebaut werden.
Parallel dazu will auch die Europäische Kommission den European Health Data Space (EHDS) auf den Weg bringen, einen Verordnungsentwurf hat sie in diesem Jahr bereits vorgelegt. Darin sind zwei Nutzungsarten für die europäischen Gesundheitsdaten vorgesehen: Die primäre dient vor allem den Patienten, die Zugang zu ihren eigenen Daten in eigener Kontrolle haben und für die Versorgung nutzen können sollen – etwa für elektronische Patientenkurzakten oder Rezepte. Die Sekundärnutzung soll die Forschung, aber auch die Politikgestaltung unterstützen. Die Herausforderung ist nun, hier einen gemeinsamen Standard für die Erhebung und Verarbeitung dieser bekanntlich höchst sensiblen Daten zu etablieren.
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Wie steht es nun um besagtes Gesundheitsdatennutzungsgesetz? Noch gibt es keinen Entwurf – doch der Bundesrat macht jetzt Druck. Am heutigen Freitag stand ein Entschließungsantrag zum Thema auf der Tagesordnung der Länderkammer. Eingebracht hat ihn Baden-Württemberg – er soll jetzt in den zuständigen Ausschüssen beraten werden. Mit dem Antrag will man die Digitalisierungsprozesse im Gesundheitswesen vorantreiben. Man stehe vor einem „Paradigmenwechsel in der Gesundheitsdatennutzung“, heißt es darin. Um diesen zu beschleunigen, bittet der Bundesrat den Bund, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz alsbald vorzulegen und dabei einige Punkte zu berücksichtigen.
Unter anderem sei die Gesundheitsdateninfrastruktur „schnell, vernetzt und dezentral auszubauen, damit vorhandene Daten über Sektorengrenzen hinweg genutzt werden können“. Die Telematikinfrastruktur (TI) müsse entsprechend ausgebaut und für den EHDS ertüchtigt werden. Wichtige Punkte sind für die Länder zudem die Interoperabilität und – um das Vertrauen der Bürger:innen zu fördern – Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Datennutzung. Die ePA sieht der Länderantrag als „Dreh- und Angelpunkt für die Gesundheitsdatennutzung in der Gesundheitsversorgung“. Auch er plädiert für eine unkomplizierte Nutzung mit Opt-out-Möglichkeit.
Zugang für die Gesundheitswirtschaft
Der Zugang zu Gesundheitsdaten soll dem Antrag zufolge auch der Gesundheitswirtschaft offenstehen. „Durch von der Industrie entwickelte Innovationen kann die Versorgung verbessert und somit zum Gemeinwohl beigetragen werden.“ Dabei seien die zulässigen Zwecke der Datennutzung am Patientenwohl auszurichten und eindeutig zu definieren.
Das ist ganz im Sinne der Unternehmen. Ebenfalls in dieser Woche hat der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) ein Positionspapier zur Gesundheitsdatennutzung vorgelegt. Darin stellt der Verband klar, dass auch seine Branche partizipieren will, ein vertrauenswürdiger Umgang mit Daten zähle zum Selbstverständnis der Arzneimittel-Hersteller. Neben klinischen Daten künftig auf zusätzliche Daten zurückgreifen zu können, beispielsweise aus Analysen des Forschungsdatenzentrums oder auf freiwillig gespendete, helfe dabei, Produkte kontinuierlich und vor allem schneller zu verbessern und den Patienten zur Verfügung zu stellen, heißt es im Papier.
Dem BAH ist das Thema so wichtig, dass es am vergangenen Dienstag auch im Mittelpunkt seiner „Berliner Runde“ stand. In der Diskussionsrunde, unter anderem mit Vertretern der FDP-, SPD- und CDU-Bundestagsfraktion, zeigte sich, dass das „Ob“ der Einbeziehung von Arzneimittelherstellern keine Frage mehr zu sein scheint. Alle zeigten sich offen, der Gesundheitswirtschaft Zugang zu verschaffen (das kann sich übrigens sogar der Bundesdatenschutzbeauftragte vorstellen). Zu klären ist allerdings noch das „Wie“. SPD-Forschungspolitiker Ruppert Stüwe forderte beispielsweise eine differenzierte Betrachtung zwischen öffentlicher und privater Forschung.
Kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem
Erwin Rüddel, Experte für Digital Health der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte, dass sich Union und Ampelkoalition beim Thema grundsätzlich in vielen Punkten einig seien. „An stärkerer Vernetzung und Digitalisierung geht kein Weg vorbei.“ Er ist auch überzeugt: Wäre Corona nicht dazwischen gekommen, wäre die Vorgängerregierung hier schon sehr viel weiter gekommen. Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zeigte sich auch optimistisch, dass es vorangehen wird. Man habe kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem – und dem müsse man sich jetzt stellen. Bislang seien die Gesundheitsdaten nicht vernetzt, denn das Gesetz gebe nur Freiwilligkeit vor. Der Gesetzgeber müsse nun klare Vorgaben für die Interoperabilität geben – entsprechende internationale Datenstandards gebe es auch schon.
Fazit der Veranstaltung: Alle sind sich einig, dass jetzt gehandelt werden muss. Ob alles so schnell geht, wie es sich manche wünschen, muss sich zeigen. Ein leichtes Unterfangen ist es sicher nicht.
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