Update zum DiGA-Verzeichnis

Drei neue DiGA: Bei Migräne, Arthrose und Endometriose

Stuttgart - 08.11.2022, 15:15 Uhr

Drei neue Apps sind im DiGA-Verzeichnis vorläufig gelistet: sinCephalea (links), re.flex (mitte) und Endo-App (rechts) /b/Screenshots: Perfood, Sporlastic, Endo Health / App Store, Google Play)

Drei neue Apps sind im DiGA-Verzeichnis vorläufig gelistet: sinCephalea (links), re.flex (mitte) und Endo-App (rechts) /b/Screenshots: Perfood, Sporlastic, Endo Health / App Store, Google Play)


Für von Endometriose, Gonarthrose beziehungsweise Migräne Betroffene stehen seit Kurzem drei neue Apps auf Rezept zur Verfügung. Was bieten diese digitalen Gesundheitsanwendungen?

Es gibt wieder Neues aus dem Verzeichnis für digitale Gesundheitswendungen (DiGA): Mit re.flex, Endo-App und sinCephalea haben drei weitere Anwendungen die vorläufige Aufnahme in die Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geschafft. Damit dürfen diese vorerst von Ärzten und Psychotherapeuten auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden. Die neuen Angebote sind indiziert bei Endometriose, Kniearthrose (Gonarthrose) beziehungsweise Migräne. Was können Betroffene von diesen Apps erwarten?

Was bedeutet „vorläufig aufgenommen“?

Um in das DiGA-Verzeichnis zu gelangen, müssen die Anbieter der Apps einen Antrag beim BfArM stellen. Damit dieser genehmigt wird, müssen die DiGA zunächst als Medizinprodukt zertifiziert sein und dadurch ihre Sicherheit und Funktionstauglichkeit nachweisen. Ferner müssen Qualität, Datenschutz und Informationssicherheit belegt und ein positiver Effekt auf die Patientenversorgung nachgewiesen werden. Kann dieser Nachweis noch nicht erbracht werden, dürfen DiGA – nach Vorliegen einer Begründung und eines Evaluationskonzeptes – vorläufig für zwölf Monate in das Verzeichnis aufgenommen werden.

Kann in dieser Erprobungsphase der Nachweis für einen positiven Versorgungseffekt erbracht werden, erfolgt die dauerhafte Aufnahme. Wird der Nachweis hingegen nicht erbracht, werden die Anwendungen wieder aus dem Verzeichnis gestrichen.

Die ausgeführte Bewegung wird in Echtzeit in der App als Avatar veranschaulicht und bewertet (Screenshot: Sporlastic)

re.flex: Bewegungstherapie bei Gonarthrose

Seit Ende September steht mit re.flex eine neue App für Erwachsene mit Arthrose im Kniegelenk, der sogenannten Gonarthrose, bereit. Die Anwendung soll den Nutzenden eine „angeleitete und kontrollierte Sport- und Bewegungstherapie“ bieten und so zur Reduktion von Schmerzen sowie Alltagseinschränkungen beitragen. Dafür kommen neben der App auch zwei Bewegungssensoren zum Einsatz, die es dem Programm ermöglichen, eine Rückmeldung über die korrekte Bewegungsausführung zu geben.

Das Programm wurde gemeinsam mit der Sportmedizin des Universitätsklinikums Tübingen entwickelt und besteht aus Mobilisations-, Gleichgewichts-, Kräftigungs- und Dehnungs-Übungen. Jede Übung wird vor Beginn in einem Video gezeigt und zusätzlich in einem kurzen Text näher beschrieben. Während der Durchführung erfasst die Anwendung mithilfe der Sensoren an Ober- und Unterschenkel den Bewegungsablauf (Ausmaß, Geschwindigkeit und Ausführung) und visualisiert diesen in Echtzeit. Jede Bewegung wird zudem auf einer Skala von 0 bis 10 bewertet.

Nach jeder Übung werden die Nutzenden zu Schmerzen und Anstrengungsniveau befragt. Die so gesammelten Informationen (Anstrengung, Durchführungsrate, Schmerzlevel und Ausführungsgenauigkeit) können als PDF exportiert und z. B. mit der behandelnden Person geteilt werden.

Aufgrund der körperlichen Übungen ist die Anwendung bei einigen Begleitdiagnosen kontraindiziert, wie z. B. bei Koordinationsstörungen, Lymphödemen oder offenen Wunden der Extremitäten. Ein großes Manko stellt zudem die eingeschränkte Verfügbarkeit dar: Die App ist derzeit nur für Apple-Geräte erhältlich.

Endo-App: Unterstützung bei Endometriose

Seit Oktober dieses Jahres steht erstmals auch für die Indikation Endometriose eine DiGA bereit. Mit Hilfe der Endo-App soll die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden. Zu diesem Zweck setzt die App auf eine Kombination aus Wissensvermittlung, Übungen, Tracking bzw. Selbstbeobachtung und Motivation.

(Screenshot: Endo-Health Website)

So wie viele DiGA umfasst auch diese Anwendung eine Tagebuchfunktion, in welcher Symptome, Aktivitäten, Übungen und Behandlungen festgehalten werden können. Darüber hinaus enthält das Programm Lernmodule, die in Video- und Textform Informationen über die Erkrankung, mögliche Begleiterkrankungen sowie Selbstmanagement-Möglichkeiten liefern. Hinzu kommen angeleitete Übungen aus z. B. Physiotherapie, Psychologie, Schmerztherapie, Rehabilitation und Ernährung. Auch Entspannungs- und Yoga-Übungen sind enthalten.

Die Wirksamkeit der Endo-App konnte laut Anbieter in einer kontrollierten Pilotstudie mit 122 Studienteilnehmerinnen bestätigt werden. Die Anwendung ist ab 18 Jahren geeignet und sowohl für Apple- als auch Android-Geräte erhältlich. Kontraindikationen sind bislang keine bekannt.

Die App umfasst auch eine Tagebuchfunktion sowie kurze Wissenseinheiten. (Bild: Perfood)

sinCephalea: personalisierte Ernährung zur Migräneprophylaxe

Die dritte Neuheit im DiGA-Verzeichnis ist die Migräneprophylaxe-App sinCephalea. Die Anwendung zielt darauf ab, die Häufigkeit von Migräneanfällen zu reduzieren und den Gesundheitszustand der Betroffenen zu verbessern. Dafür setzt die App in erster Linie auf eine personalisierte Ernährung. Diese wird durch ein Kopfschmerztagebuch, Migränefragebögen, gängige Hinweise zu Lebensstilveränderungen (z. B. Stressreduktion, Schlafhygiene) sowie Hintergrundwissen ergänzt.

Mit Hilfe der App sollen postprandiale Blutzuckerspiegel gesenkt werden. Hierzu erhalten die Nutzenden niedrig-glykämische Ernährungsempfehlungen, die individuell auf sie abgestimmt sind. Auf diese Weise sollen lokale Entzündungsprozesse positiv beeinflusst und dadurch Migräneattacken reduziert werden. Da die Blutzuckerantwort individuell sehr unterschiedlich sein kann, greift die Anwendung dabei nicht auf den allgemeinen Glykämischen Index von Lebensmitteln zurück, sondern ermittelt zu Beginn die tatsächlichen Blutzuckerreaktionen. Dafür kann die Anwendung mit verschiedenen Gewebezucker-Messgeräten (CGM-Systemen, continuous glucose monitoring) kombiniert werden.

Was ist der Glykämische Index?

Der Glykämische Index ist ein Maß für die Höhe des Blutzuckerspiegels nach dem Verzehr von 50 Gramm Kohlenhydraten. Niedrig-glykämisch bedeutet somit, dass die jeweilige Mahlzeit den Blutzuckerspiegel nur schwach ansteigen lässt.

Um zu den personalisierten Ernährungsempfehlungen zu gelangen, werden in einer 14-tägigen Testphase die aufgenommenen Mahlzeiten sowie weitere Faktoren (z. B. sportliche Aktivitäten, Medikation, Schlaf) erfasst und der Gewebeblutzucker mittels Oberarmsensor kontinuierlich bestimmt. Anschließend werden die Ergebnisse analysiert und daraus eine Liste geeigneter (Top-) und ungeeigneter (Flop-)Mahlzeiten erstellt.

sinCephalea ist ab einem Alter von 18 Jahren bei Migräne mit und ohne Aura indiziert, sollte jedoch bei gleichzeitigem Diabetes mellitus Typ 1 nicht zum Einsatz kommen. Die App wurde von Medizinern der Universität zu Lübeck entwickelt und ist sowohl für Android- als auch Apple-Geräte erhältlich.

Mit der Freischaltung der App erhalten die Nutzenden ein Testkit zugesandt. Dieses enthält unter anderem eine definierte Portion Glucose, die für die „Eichung“ der Blutzuckerkurve benötigt wird. Ist noch kein kompatibler Blutzuckersensor vorhanden, kann zudem ein FreeStyle Libre 3 Sensor kostenfrei mitbestellt werden.


Nadine Sprecher, Apothekerin, Redakteurin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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