Kommentar

Darum werden Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen keine Apotheken retten

Berlin - 03.11.2022, 17:50 Uhr

Um sich als Gesundheitsdienstleister zu profilieren, sind die pharmazeutischen Dienstleistungen und das Impfen in der Apotheke wertvoll. Wirtschaftlich gesehen, bringen sie aber zunächst wenig. (s / Foto: dusanpetkovic1 / AdobeStock)

Um sich als Gesundheitsdienstleister zu profilieren, sind die pharmazeutischen Dienstleistungen und das Impfen in der Apotheke wertvoll. Wirtschaftlich gesehen, bringen sie aber zunächst wenig. (s / Foto: dusanpetkovic1 / AdobeStock)


Die Politik verteidigt finanzielle Einschnitte bei den Apotheken einerseits mit den Sondereinnahmen während der Pandemie, andererseits mit neuen Leistungen, die die Betriebe jetzt honoriert bekommen – vor allem Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen. Diese jedoch sind alles andere als ein brauchbares Gegengewicht zum erhöhten Kassenabschlag, meint DAZ-Redakteurin Christina Grünberg.

Konfrontiert man Politikerinnen und Politiker mit der Frage, wie die Apotheken in Zeiten von Inflation und drastischer Kostensteigerungen noch die Erhöhung des Kassenabschlags schultern sollen, fallen meist drei Schlagworte: die Sondereinnahmen in der Pandemie, Impfen und pharmazeutische Dienstleistungen. Zuletzt hatte das Büro von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) so argumentiert. Doch damit liegt die Politik daneben.

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Denn die Sondereinnahmen während der Pandemie haben zwar das durchschnittliche Betriebsergebnis der Apotheken erhöht. Allerdings ist dieses Geld hart erarbeitet – die Maskenverteilung etwa war ein politisches Manöver, das die Inhaber:innen und ihre Teams in arge Bedrängnis gebracht hat. Masken in entsprechender Qualität und Menge zu beschaffen, war allein schon eine logistische Meisterleistung, ganz davon zu schweigen, was an den HV-Tischen hierzulande los war. Keine andere Infrastruktur in Deutschland hätte diese Aufgabe in der Kürze der Zeit bewältigen können. Die Apotheken in Notzeiten vor den Karren zu spannen und hinterher den verdienten Lohn wieder einkassieren zu wollen, zeugt schlicht von mangelnder Wertschätzung. Zudem ist anzunehmen, dass das Geld oftmals gar nicht mehr abrufbar ist: Denn Investitionen, die viele getätigt haben dürften, schlagen sich erst in späteren Bilanzen als Abschreibungen nieder.

Umsatz versus Ertrag

Auch dass für die Apotheken ein Honorartopf, gefüllt mit jährlich 150 Millionen Euro, für pharmazeutische Dienstleistungen bereitsteht, sticht nicht. Ein Vergleich zu den 120 Millionen Euro, die den Betrieben pro Jahr durch die Erhöhung des Kassenabschlags verloren gehen, verbietet sich allein deshalb schon, weil das eine Ertrag, das andere Umsatz ist. Wichtig ist aber auch ein anderer Punkt: Diese Mittel werden nicht in den Apothekensektor diffundieren und sich gleichmäßig verteilen.

Profitieren werden davon, wie auch von dem Impfhonorar, jene Apotheken, die trotz aller Kürzungen noch Luft zum Atmen haben. Denn um diese Angebote zu etablieren, müssen die Inhaberinnen und Inhaber zunächst investieren, zum Beispiel in Personal, Qualifizierung der Mitarbeitenden, Räumlichkeiten und Software. Diesen Schritt können sich gerade diejenigen Offizinen, die finanziell am Limit sind, nicht leisten – auch vor dem Hintergrund, dass nicht abzuschätzen ist, wie gut die neuen Leistungen von den Versicherten angenommen werden.

Metropolregion versus ländliche Umgebung

Die Hoffnung, mit den neuen Leistungen insbesondere die ländliche Versorgung zu stärken, dürfte sich ebenfalls zerstreuen. Wo Hausärztinnen und -ärzte ihre Patienten noch von der Wiege bis zur Bahre begleiten, ist der Bedarf an impfenden Apotheken zumeist niedrig. Das unterscheidet ländlich geprägte Regionen von einer Metropole wie Berlin, in der Abertausende, oft junge und vergleichsweise gesunde Zugezogene leben, die noch nicht in die Gesundheitsstrukturen eingebettet sind. Und auch der Kreis derjenigen, denen man potenziell eine Medikationsanalyse anbieten könnte, ist auf dem Land begrenzt.

Keine Frage, um sich als Gesundheitsdienstleister zu profilieren, sind die pharmazeutischen Dienstleistungen und das Impfen in der Apotheke wertvoll für die Betriebe. Wirtschaftlich gesehen, bringen sie aber zunächst wenig bis nichts. Dafür spricht auch, dass die Preise für die Dienstleistungen ohne Unternehmerlohn kalkuliert sind.

Setzt die Politik allein auf das Impfen und die pharmazeutischen Dienstleistungen, fördert sie damit eine Entwicklung, die im Apothekensektor schon länger zu beobachten ist: Die Großen werden größer, die Kleinen geben auf. Und wenn jetzt die Schließungswelle beginnt, wird das nur der Anfang vom Ende sein. Denn oft haben Inhaberinnen und Inhaber zum Beispiel noch Mietverträge zu erfüllen, weshalb sie die Schließung nach hinten verschieben, um die Verluste zu begrenzen. Hier gilt: Apotheken sterben leise – und das dicke Ende kommt noch.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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„Die Apotheken laufen auf der letzten Rille“

7 Kommentare

Systembruch

von ecke2 am 07.11.2022 um 9:33 Uhr

Das Ganze ist doch nur dazu da, das bisherige Apothekensystem zu zerstören. Der kleine Mittelstand muß weg, mit allen perfieden Mitteln dieser Welt. Das spricht nur keiner mehr aus. Die Landwirte waren die ersten die man zu Tode bürokratisiert hat. Alle anderen Kleinbetriebe sind die letzten Jahre in den Ruin getrieben worden, ich sage nur Bürokratie und Internet, gegen diese Player kommt kein Einzelner mehr an. Bei uns werden auch nur die Größeren durchhalten die den Wahnsinn outsourcen können. Das Ganze wird dann als natürliche Entwicklung verkauft. Mal sehen wie lange das gut geht, denn die nicht funktieonierende Digitalisierung wird ja am Ende die Versorgung der Bevölkerung nicht verbessern , sondern eher massiv erschweren und nur noch für Reiche, siehe Amerika, funktionsfähig halten.

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Kommentar Impfen und pDL

von Dorf-Apothekerin am 04.11.2022 um 13:27 Uhr

Die Wahrheit zu lesen tut gut, ich habe sie aber schon vor Jahren weitergegeben, als die pDL in der Planung waren.
Aber warum wurden dann die Emotionen in Bezug auf den Streik bewußt klein gehalten: 4 Bundesländer (CDU) anstatt alle und die Daz-Online hat auch eine Woche lang nicht gesendet, sodaß die Emotionen anheizende Kommentare nicht möglich waren?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kommentar Impfen und pDL

von DAZ-Redaktion am 04.11.2022 um 13:37 Uhr

Hallo Dorf-Apothekerin,

was meinen Sie denn mit "nicht gesendet"? Wir haben ausführlich berichtet https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/themen/thema/apothekenstreik

Grüße
Ihre Redaktion

Die Wahrheit - endlich

von Linda F. am 04.11.2022 um 8:59 Uhr

Endlich mal jemand, der in der DAZ die Wahrheit ausspricht! Frau Grünberg hat absolut recht. pDL lohnen sich - insbesondere auch durch die Budgetbegrenzung - wirtschaftlich für die Apotheken nicht. Es ist grob fahrlässig, standespolitisch auf einen weiteren Ausbau dieser auf Kosten einer Honorarerhöhung zu setzen. Wir brauchen zunächst dringend wieder eine auskömmliche Basisvergütung - nicht nur, damit darüber Kapazitäten frei werden, die dann im Bereich pDL eingesetzt werden könnten, sondern auch, um das Überleben der Apotheken vor Ort überhaupt zu sichern. Uns bricht gerade die flächendeckende Arzneimittelversorgung weg, tausende Apotheken stehen durch Inflation, Fachkräftemangel und mit der Erhöhung des Kassenabschlags kurz vor dem Aus!

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AW: Die Wahrheit - endlich

von Maria Schulz am 04.11.2022 um 11:07 Uhr

Klar und verständlich auf den Punkt gebracht!

pDL und Impfen -

von gabriela aures am 03.11.2022 um 22:45 Uhr

kurz gesagt : des Kaisers neue Kleider !
Deshalb ist das in der Beletage in Europacity oder dem Boudoir der Königin ist noch nicht angekommen. Da sitzen schließlich die Auftrageber:innen dieser Milchmädchenrechnung.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 03.11.2022 um 18:10 Uhr

Die ABDA hat den vergifteten Köder Impfen und PdL doch nur zu gerne geschluckt. Allen Warnungen zum Trotz.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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