Lagebericht des DAV-Vorsitzenden

Dittrich: Apotheken brauchen bessere Vergütung statt zusätzlicher Beschneidungen

München - 14.09.2022, 12:30 Uhr

Thomas Dittrich eröffnete die Expopharm. (Foto: Schelbert)

Thomas Dittrich eröffnete die Expopharm. (Foto: Schelbert)


Mehr Wertschätzung durch faire Entlohnung und einen sicheren ordnungspolitischen Rahmen – das forderte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands Thomas Dittrich anlässlich der Eröffnung der Expopharm.  

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause startete am heutigen Dienstag wieder die Expopharm. Traditionell eröffnete der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) die pharmazeutische Messe mit seinem Lagebericht. Thomas Dittrich blickte auf die vergangenen drei Jahre voller Arbeit zurück. Der Praxistest unter Extrembedingungen habe bewiesen: Das Gesundheitssystem funktioniert, es hat sich bewährt. Und was sich bewähre, müsse stabilisiert und erhalten werden. „Ohne in Selbstüberschätzung zu verfallen, kann ich feststellen: Die Apothekerinnen und Apotheker haben einen wesentlichen Anteil an der Funktionsfähigkeit dieses Systems“, so der DAV-Chef.

Desinfektionsmittel, Masken, Testen, Impfen – die Apotheken wissen selbst am besten, was sie geleistet haben – und zwar zusätzlich zu ihrem eigentlichen Sicherstellungsauftrag. „Für uns gab es kein Homeoffice und kein sicheres Zurückziehen in die eigenen vier Wände“, betonte Dittrich. Nur rund 30 Apotheken hätten bundesweit während der Pandemie kurzzeitig schließen müssen. „Wir waren jederzeit an vorderster Linie für alle da, die Hilfe und Medikamente brauchten“.

Lieferengpässe kosten die Apotheke 15.000 Euro im Jahr

Besonderes Augenmerk legte Dittrich auch auf die Lieferengpässe. Sie hätten bei Arzneimitteln eine ganz andere Bedeutung als bei Fernsehern oder auch bei Chips für NFC-fähige Krankenversichertenkarten. Der DAV-Chef erklärte, dass die durchschnittliche Apotheke inzwischen mehrere Stunden pro Woche damit verbringe, Lieferengpässe zu verwalten und schwer verfügbare Arzneimittel rechtzeitig zu organisieren. Der Kostenpunkt pro Jahr pro Apotheke liege konservativ gerechnet bei rund 15.000 Euro. „Umgerechnet auf alle Apotheken in Deutschland reden wir von Kosten in Höhe von fast 260 Millionen Euro jährlich. Kosten, die von Lieferengpässen verursacht werden, die nicht von uns zu verantworten sind. Kosten für einen Verwaltungsaufwand, welcher in der Berechnung des Fixums nicht eingepreist ist. Geld, das anderweitig den Apotheken nicht zur Verfügung steht, aber dringend benötigt würde“. Um das Problem der Lieferengpässe in den Griff zu bekommen, sieht Dittrich die Politik gefordert. Dabei räumte er ein: Die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln in Europa zu halten oder nach Europa zurückzuholen, werde Geld kosten.

Vorreiter bei Digitialisierung und E-Rezept

Auch was die Digitalisierung betrifft, erwiesen sich die Apotheken als Vorreiter. Sie seien auch die einzigen Leistungserbringer, die flächendeckend „E-Rezept-ready“ seien. Dafür erwarteten sie von der Politik, dass diese ihr Vertrauen in die Zugangswege der Token nicht untergrabe. Die Gematik-App, der Papierausdruck und bald auch der Abruf des E-Rezeptes über die elektronische Gesundheitskarte seien sicher und mit allen Beteiligten abgestimmt. „Jetzt wegen vermeintlicher Vereinfachung in den Arztpraxen noch weitere Alternativen der Tokenübermittlung ins Gespräch zu bringen, mit denen sich aber dann das Zuweisungs- und Makelverbot umgehen lässt, ist kontraproduktiv“. Gemeint ist damit die Übertragung per E-Mail oder SMS, die beim Bundesgesundheitsminister bereits auf offene Ohren gestoßen ist, seitens der Apothekerschaft aber rundweg abgelehnt wird. Für Dittrich ist klar: Die freie und unbeeinflusste Wahl des Leistungserbringers muss geschützt bleiben. Die Apothekerschaft leiste mit der Gedisa (Gesellschaft für digitale Services der Apotheken) einen Beitrag zu einer fairen und patientengerechten Digitalisierung des Gesundheitswesens.

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Einen kritischen Blick warf Dittrich auf die Selbstverwaltung von Apotheken und Krankenkassen. In letzter Zeit scheiterten DAV und GKV-Spitzenverband immer wieder bei Verhandlungen und landeten vor der Schiedsstelle: bei den pharmazeutischen Dienstleistungen, dem BfArM-Cannabis, den Zyto-Preisen. Und nun klagt auch noch die Kassenseite gegen den Schiedsspruch zu den Dienstleistungen und der DAV gegen den zu Cannabis. Es sei „eine Inflation der anderen Art“, so Dittrich. „Wenn sich hier nichts ändert, dann können wir eigentlich auch das Verhandeln abschaffen und gleich alles in die Schiedsstelle geben. So schafft sich die Selbstverwaltung selbst ab“.

Was die Kommunikation mit dem Gesundheitsministerium betrifft, läuft es bislang auch nicht rund. Erst vergangenen Freitag kam es zu einem Spitzengespräch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Dort konnte man endlich auch über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sprechen. Die hier vorgesehenen kurzfristigen Kostendämpfungsmaßnahmen alter Schule gefallen bekanntlich niemandem – schon gar nicht, wenn sie als „Heben von Effizienzreserven“ deklariert werden. Dittrich: „120 Millionen Euro netto pro Jahr würde uns die Erhöhung des Apothekenabschlags bei gleichbleibender Packungszahl kosten. Im gleichen Atemzug spricht der Bundesgesundheitsminister von 1.000 Gesundheitskiosken – bezahlt von der GKV mit einer halben Milliarde Euro jährlich“. Wo da die Wirtschaftlichkeit angesichts eines Milliardendefizits steckt, ist für Dittrich die große Frage – ganz abgesehen davon, wer dort angesichts der Personalnot im Gesundheitswesen und der Pflege arbeiten soll.

Abschließend betonte Dittrich, Wertschätzung äußere sich auch in einer angemessenen Vergütung. Was signalisiere es, wenn die seit Jahren gleichbleibende Apothekenvergütung trotz erweiterter Leistungen – Stichwort Verwaltung von Lieferengpässen – und erheblich gestiegener Kosten sowie einer Inflationsrate von fast 10 Prozent nun auch noch über den Kassenabschlag gekürzt werden soll? Hinzu kämen Belastungen durch Änderungen bei den Erstattungsbeträgen und die deutliche Verschärfung des Ausfallrisikos in Folge der geplanten Erhöhung des Herstellerabschlages.

Dynamisierung des Fixums notwendig

Ja, die Apotheken hätten in der Pandemie auch zusätzliches Geld verdient, räumt der DAV-Chef ein. Doch dies seien Sondereffekte, denen außergewöhnliche Leistungen in einer außergewöhnlichen Situation gegenüberstünden. Sie änderten nichts daran, dass die Vor-Ort-Apotheken dringend eine Dynamisierung des Fixums benötigten, um die steigenden Kosten für Personal, Energie, Zinsen und vieles andere mehr abzufangen. Dittrich: „Wir haben keinerlei Kompensationsmöglichkeit. Wir brauchen eine bessere Vergütung statt zusätzlicher Beschneidungen. Geld, das wir zwingend benötigen, um mit motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die uns anvertrauten vielfältigen Aufgaben in der Zukunft zu bewältigen“. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

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von Offizin Apothekerin am 14.09.2022 um 19:24 Uhr

Welche Taten folgen nun den Worten?

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Bessere Vergütung

von Roland Mückschel am 14.09.2022 um 12:36 Uhr

Na also. Geht doch.
Nun aber mit mehr Nachdruck.
Viel mehr.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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