Lieferengpass

Welche Alternativen gibt es zum Cotrim-Saft?

Stuttgart - 28.07.2022, 09:15 Uhr

Cotrim-Saft ist knapp – welche Alternativen gibt es in der Apotheke? (b/Quelle: ratiopharm)

Cotrim-Saft ist knapp – welche Alternativen gibt es in der Apotheke? (b/Quelle: ratiopharm)


Kinder und Patient:innen mit Schluckstörungen, die Cotrim-Saft bekommen sollen, könnten aktuell leer ausgehen: Lieferengpass. Welche flüssigen antibiotischen Alternativen gibt es bei Harnwegs- und HNO-Infektionen? Und: Ist Cotrimoxazol vielleicht gar verzichtbar – oder wo spielt es tatsächlich noch eine relevante Rolle?

Cotrim-Saft ist knapp – die antibiotische Suspension für Kinder (400 mg/5 ml + 80 mg/5 ml) ist zugelassen für Säuglinge ab sechs Wochen und für Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren. Den stärker dosierten Saft (800 mg/5 ml + 80 mg/5 ml) dürfen zusätzlich auch Erwachsene einnehmen. Laut der Gelben Liste bietet derzeit nur Ratiopharm eine flüssige, orale Antibiose mit Sulfamethoxazol und Trimethoprim an – andere pharmazeutische Hersteller, wie Aliud, 1A Pharma oder Hexal, beschränken ihr Cotrimoxazol-Portfolio auf Tabletten.

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Nun melden Apotheken Engpässe vor allem beim Saft (auch bei Tabletten kann von uneingeschränkter Lieferfähigkeit keine Rede sein, wie Abfragen beim Großhandel zeigen). Zugelassen sind die flüssigen Darreichungsformen bei Infektionen durch Sulfamethoxazol/Trimethoprim-empfindliche Erreger, und zwar bei

  • Infektionen der oberen und unteren Atemwege
  • Pneumocystis-Pneumonie (PCP)
  • Infektionen des HNO-Traktes (außer Streptokokken-Angina)
  • Infektionen der Nieren und der ableitenden Harnwege einschließlich Kurzzeittherapie und Langzeitrezidivprophylaxe
  • Infektionen des weiblichen und männlichen Genitaltraktes einschließlich Prostatitis und Granuloma venereum (Syphilis wird nicht erfasst)
  • Infektionen des Magen-Darm-Trakts, wie Shigellose, Reisediarrhoe; Typhus-Dauerausscheider
  • Brucellose
  • Nokardiose
  • nicht echt mykotisches Myzetom
  • südamerikanische Blastomykose

Dabei dürften vor allem Harnwegsinfektionen und teilweise HNO-Infektionen zu den relevanten Einsatzgebieten des Cotrim-Safts zählen. Wichtig ist die flüssige Darreichungsform wahrscheinlich vor allem für pädiatrische Patient:innen und Patient:innen mit Schluckstörungen. Was also tun bei Lieferengpässen? Welche flüssigen antibiotischen Alternativen bietet die Pharmazie? Oder ist das Kombi-Antibiotikum gar mehr oder weniger verzichtbar?

Orale Säfte bei Harnwegsinfektionen bei Kindern

Der bis 2026 gültigen S2k-Leitlinie „Harnwegsinfektionen im Kindesalter – Diagnostik, Therapie und Prophylaxe“ zufolge spielt Trimethoprim (TMP) in Kombination mit Sulfamethoxazol eine eher untergeordnete Rolle bei Blasenentzündungen. In vielen Gebieten liege die Resistenzrate gegen E. Coli über 20 Prozent, was Trimethoprim bzw. TMP/Sulfamethoxazol für eine empirische antibiotische Therapie bei symptomatischen Kindern disqualifiziert. Ohnehin sei der „Sulfonamidanteil der Trimethoprim-Sulfonamid-Kombinationen (…) in der Regel verzichtbar, da durch ihn weder eine wesentliche Verbesserung der antibakteriellen Wirkung noch ein Einfluss auf die Resistenzsituation erreicht wird und das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigt“, erklären die Leitlinienautor:innen. Das gilt auch für die Langzeitrezidivprophylaxe.

Trimethoprim-Monotherapie möglich

Eine alternative Antibiose für Säuglinge könnte damit eine Monotherapie mit Trimethoprim sein (nicht aber für Früh- und Neugborene!). Infectotrimet liegt als Saft vor und ist nach Großhandelsanfrage auch lieferbar. Daneben wäre eine Kombination aus Amoxicillin/Clavulansäure (7:1-Formulierung: 400 + 57 mg/5 ml) eine Option: Die Kombination gibt es als Suspension, sie ist zugelassen bei Harnwegsinfektionen und das bereits ab einem Alter von zwei Monaten. Möglich wäre auch ein Cefaclor-Saft. 

Orale Cephalosporine der dritten Generation, wie Cefixim oder Cefpodoximproxetil, sind ebenfalls möglich – zumindest theoretisch. Allerdings fehlt bei Cefixim eine flüssige Darreichungsform, Cefpodoxim ist als Saft nicht bei Harnwegsinfektionen indiziert. Weitere Antibiosen gibt es ebenfalls nicht in flüssiger Form (Nitrofurantoin, Nitroxolin) oder sie sind erst ab zwölf Jahren indiziert (Fosfomycin als Granulat) oder dürfen nur bei komplizierten Harnwegsinfektionen oder einer Pyelonephritis eingesetzt werden (Ciprofloxacin 5 Prozent oder 10 Prozent).

Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen

Auch die S3-Leitlinie „Interdisziplinäre Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“, die bei der Diagnose und Therapie von Harnwegsinfektionen im Erwachsenenalter unterstützt, empfiehlt Cotrimoxazol nur dann als Antibiotikum, wenn die Resistenzlage gegen E.Coli günstig ist – also unter 20 Prozent liegt. Zudem raten die Leitlinienautor:innen ebenfalls, wie auch bei Kindern, eher zu einer Monotherapie mit Trimethoprim, statt zur antibiotischen Kombination mit einem Sulfonamid – einfachste Alternative dürfte bei günstiger Resistenzlage damit Infectotrimet Saft sein. Zu den Mitteln der ersten Wahl bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (bei erwachsenen Frauen) zählen Pivmecillinam, Nitroxolin, Nitrofurantoin (nicht in flüssiger Darreichungsform) oder Fosfomycin. Letzteres liegt nach Auflösung des Granulats in flüssiger Form vor.

Alternativen in der Langzeitrezidivprophylaxe von Harnwegsinfektionen

Anders als bei Kindern empfehlen die Leitlinienautoren zur Langzeitrezidivprophylaxe von Harnwegsinfekten neben Trimethoprim als Monotherapie auch Cotrimoxazol. Hier kann man bei Nichtverfügbarkeit von Cotrimoxazol folglich auf Infectotrimet ausweichen. Einzige flüssige Alternative stellt sonst Fosfomycin dar.

Bei HNO-Infektionen nur Mittel der zweiten Wahl

Wo Cotrimoxazol regelmäßig zu finden ist, wenn auch nicht als Mittel der ersten Wahl, sondern eher als antibiotische Alternative, sind Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs – laut S2k-Leitlinie „Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen“ bei akuter Otitis media oder Sinusitis. Die Leitlinienexpert:innen sind sich aber einig: „Bei Infektionen des Ohres und der Nasennebenhöhlen sowie der unteren Atemwege sollte der Einsatz von Trimethoprim/Sulfonamid-Kombinationen auf mittelschwere Fälle beschränkt werden, bei denen die als Erstlinientherapie empfohlenen Betalaktam-Antibiotika nicht eingesetzt werden können“. Damit zählen zu den Mitteln der Wahl bei diesen Infektionen vor allem Amoxicillin oder ein Aminopenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor – beide sind als Saft verfügbar, zugelassen in diesen Anwendungsgebieten und auch lieferbar.

Sonderfall: Pneumocystis-Lungenentzündung

Relevant ist Cotrimoxazol vor allem bei der Behandlung der Pneumocystis-Pneumonie, einer durch den opportunistischen Erreger Pneumocystis jirovecii ausgelösten Lungenentzündung, die vor allem bei HIV-Infizierten auftritt und häufig erster Hinweis für eine Diagnose ist. Bei diesem Erreger hilft Cotrimoxazol und wird regelhaft als Mittel der ersten Wahl eingesetzt – bei schweren Fällen für mindestens 21 Tage, in hoher Dosierung und als intravenöse Gabe. Nur bei leichteren Fällen ist eine orale Therapie indiziert. Als Alternative kommen Trimethoprim plus Dapson (Tabletten) oder eine Pentamidin-Monotherapie (nur parenteral oder zur Inhalation verfügbar) infrage. In der Penumocystiys-Prophylaxe hat sich ebenfalls die Einnahme von täglich Trimethoprim plus Sulfamethozal (80/400 mg) oder alternativ 3-mal wöchentlich Trimetoprim plus Sulfamethoxazol (160/800 mg) etabliert – Alternativen in flüssiger Form gibt es bei Atovaquon, nicht aber bei Dapson oder Pentamidin.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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