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Erreger, Therapie und Impfung
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Affenpocken
Die Meldungen über Infektionen mit Affenpocken häufen sich. Mittlerweile wurden Infektionen unter anderem in Deutschland, Großbritannien, Spanien, Portugal, den USA, Schweden und Italien gemeldet. Experten mahnen zur Wachsamkeit. Doch wie äußert sich die Erkrankung eigentlich, kann man dagegen impfen und wie wird sie behandelt? Und was tut man, wenn man in der Apotheke einen Patienten stehen hat, bei dem ein Verdacht auf Affenpocken besteht? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Affenpocken-Infektionen beim Menschen kannte man bislang vor allem aus einigen Regionen Afrikas. Anfang Mai wurden dann erste Fälle in Großbritannien bekannt. Daher hatte das RKI Ärzte in Deutschland für die Virusinfektion sensibilisiert. Mittlerweile ist auch hier der erste Fall aufgetreten. Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien, heißt es in einem Bericht des RKI. Bei ungewöhnlichen Hautveränderungen sollte man „unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen“. Im Folgenden haben wir die wichtigsten Punkte zusammengestellt, die es über diese Erkrankung zu wissen gilt.
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Wie werden Affenpocken übertragen?
Affenpocken werden grundsätzlich selten von Tieren übertragen, wenn, dann vor allem von Nagetieren auf Menschen. Die Infektion erfolgt hauptsächlich durch Kontakt mit den Hauteffloreszenzen, Blut, Gewebe oder Ausscheidungen infizierter Tiere sowie beim Umgang mit dem Fleisch erkrankter Tiere. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind selten, bei engem Körperkontakt aber möglich – durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf von mit Affenpocken Infizierten und wohl auch im Rahmen von sexuellen Handlungen. Eigentlich gilt das Virus als wenig ansteckend. Durch ausgeschiedene Atemwegssekrete können die Erreger bereits in der Prodromalphase bei Face-to-Face-Kontakt übertragen werden. Dem Marburger Virologen Stephan Becker zufolge scheint aktuell die Übertragung aber nicht durch Aerosole zu erfolgen. „Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders“, erklärt er gegenüber dem RKI. Wie die Infektionsketten bei der aktuellen Häufung verlaufen, ist aber offenbar noch unklar.
Was für ein Erreger verursacht die Affenpocken?
Der Erreger ist das Affenpockenvirus (Monkeypox virus, MPV, früher auch Orthopoxvirus simiae), das zur Gattung Orthopoxvirus in der Unterfamilie Chordopoxviridae der Pockenviren gehört. Affenpockenviren sind behüllte Doppelstrang-DNA-Viren.
Affenpocken gelten wie echte Pocken (Variola) als potenzielle B-Kampfstoffe, weswegen sich zum Beispiel das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr damit befasst.
Wo kommen Affenpocken hauptsächlich vor?
Bei Nagern sind Affenpockenviren in West- und Zentralafrika verbreitet – anders als es der Name vermuten lässt, sind Affen Fehlwirte. Beim Menschen wurden sie das erste Mal 1970 in der Demokratischen Republik Kongo bei einem Säugling identifiziert. Seitdem gab immer wieder Fälle bei Menschen vor allem in West- und Zentralafrika, aber auch außerhalb des afrikanischen Kontinents gab es immer wieder Einzelfälle.
Bisher wurde bei den in Europa festgestellten Infektionen die westafrikanische Affenpocken- Variante nachgewiesen; weitere Genomanalysen laufen jedoch noch.
Symptome, Nachweis und Behandlung
Wie lange ist die Inkubationszeit?
Die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt zwischen 7 und 21 Tagen.
Welche Symptome verursachen Affenpocken?
Erste Symptome sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Einige Tage nach dem Einsetzen des Fiebers kommt es zu dem pockentypischen Ausschlag (Hauteffloreszenzen). Der beginnt häufig im Gesicht und breitet sich dann aus. Bei den aktuell gemeldeten Fällen begann der Ausschlag wohl teils auch im Urogenitalbereich. Die Hauteffloreszenzen durchlaufen simultan mehrere Stadien (Macula=Fleck, Papula=Knötchen, Vesikula=Bläschen und Pustula= Eiterbläschen), verkrusten dann und fallen schließlich ab.
Besteht aufgrund einer entsprechenden Symptomatik in Verbindung mit Tierkontakten bzw. einem Aufenthalt in Endemiegebieten oder engem Kontakt zu nachweislich mit Affenpocken infizierten Menschen Verdacht auf eine Infektion, sollte eine Labordiagnostik veranlasst werden. Aufgrund der aktuellen Ausbrüche sollte bei typischen Symptomen (unklare pockenähnlichen Effloreszenzen) auch ohne Reiseanamnese an Affenpocken gedacht werden.
Differentialdiagnosen sind je nach Stadium Windpocken, Zoster, Scharlach, Herpes Simplex und andere Pockenvirus-Infektionen oder vor Auftreten des Ausschlags Influenza, Malaria, Typhus abdominalis, Syphilis, Leptospirose und viral-hämorrhagische Fieber.
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Wie erfolgt der Nachweis im Labor?
Der Virusnachweis erfolgt mittels PCR aus Exsudat, Bläschenflüssigkeit, Pustelinhalt, Krusten oder auch Tupfern von Hautläsionen und anderem klinischen Material während der akuten Krankheitsphase. Er ist aber nur in Laboren ab der Biologischen Schutzstufe 3 möglich, zum Beispiel im Konsiliarlabor für Pockenviren des RKI.
Auch Virusanzucht und elektronenmikroskopischer beziehungsweise histologischer Nachweis von Viruspartikeln und Einschlusskörperchen ist möglich.
Spezifische Antikörper hingegen können aufgrund der starken Kreuzreaktivität der humanpathogenen Orthopockenviren nicht ohne weiteres nachgewiesen werden. Bei fehlendem Direktnachweis mittels PCR kann aber der serologische Befund nützlich sein.
Wie werden Affenpocken behandelt?
Die Behandlung erfolgt vor allem symptomatisch und supportiv. Außerdem gilt es bakterielle Superinfektionen Hauteffloreszenzen zu verhindern. Kürzlich wurde der gegen Orthopockenvirus-Infektionen entwickelte Wirkstoff Tecovirimat in der EU neben Pocken und Kuhpocken auch zur Behandlung der Affenpocken zugelassen. LIeferbar ist es allerdings Apothekern zufolge nicht.
Laut der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC kann zudem ein Behandlungsversuch mit den bei Pocken zugelassenen Virustatika Cidofovir oder Brincidofovir oder Immunglobulinen gestartet werden.
Wie wirkt Tecovirimat?
Die Substanz hemmt die Aktivität des viralen Proteins p37, das bei Orthopoxviren an der Bildung der Virushülle und der Freisetzung der Viren aus den infizierten Zellen beteiligt ist. Durch die Unterdrückung der Bildung von Virionen wird die Ausbreitung des Virus im Körper verhindert.
Prognose, Impfung und Meldepflicht
Wie ist die Prognose?
Die Affenpocken verlaufen in der Regel deutlich milder als die Menschenpocken, die seit 1980 als ausgerottet gelten. Die Prognose ist daher günstig, die meisten Menschen erholen sich innerhalb mehrerer Wochen. Im Einzelfall kann es aber auch schwere Verläufe geben. Die Letalität bei Kindern unter 16 Jahren, die mit der zentralafrikanischen Virusvariante infiziert sind, wird mit 11 Prozent beziffert.
Gibt es eine Impfung?
Weil die humanpathogenen Pockenviren sehr ähnlich sind, schützen die Impfstoffe, die gegen echte Pocken (Variola) entwickelt wurden, auch vor Affenpocken. In der EU gibt es seit 2013 einen zugelassenen Pockenimpfstoff (Imvanex), der modifiziertes Vacciniavirus Ankara (MVA) enthält. In den USA und Kanada ist dieser sogar zur Prävention der Affenpocken zugelassen. In den USA gibt es zwei zugelassene Pockenimpfstoffe,
Bei Menschen, die in ihrer Kindheit noch gegen Pocken geimpft wurden, könnte die Impfung zu milderen Verläufen führen.
Die Bundesregierung hat ca. 100 Mio. Dosen Pockenimpfstoff eingelagert, wovon 2 Mio. Dosen an die WHO gespendet worden sind und für diese eingelagert werden. Inwieweit eine Pockenimpfung für Kontaktpersonen und Risikogruppen empfohlen wird, ist noch Gegenstand der fachlichen Abklärung.
Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr in Deutschland?
Mittlerweile wurde auch in Deutschland der erste Fall nachgewiesen. Wie der Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft Norbert Brockmeyer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärt, sind seiner Ansicht nach Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiedenen Menschen haben, am stärksten gefährdet. Weil das Virus aber grundsätzlich auch bereits bei engem Körperkontakt übertragen werden kann, kann auch in der Allgemeinbevölkerung Vorsicht ratsam sein. Daher sollten nicht nur Zentren, die auf sexuell übertragbare Krankheiten spezialisiert sind, der Öffentliche Gesundheitsdienst und Allgemeinmediziner über die Affenpocken Bescheid wissen, auch in Apotheken und der breiten Bevölkerung sollte man bei ungewöhnlichen Hautveränderungen an Affenpocken denken.
Von wissenschaftlicher Seite gelte es zu prüfen, wie ansteckend das Virus sei und ob es sich um eine mutierte, ansteckendere Variante handle, so der Mediziner. Er verweist darauf, dass es in Deutschland eine Riesenpopulation gebe, die nicht gegen Pocken geimpft worden ist, insbesondere im sexuell aktiven Alter. Das Potenzial an Infektionen durch den Erreger sei damit deutlich größer als etwa noch vor 20 Jahren. Je nach weiterer Entwicklung müsse man Pockenimpfungen in Erwägung ziehen.
Unabhängig vom aktuellen Ausbruch könne das Virus aus West- und Zentralafrika mitgebracht werden.
Sind Affenpocken meldepflichtig?
Das RKI weist auf die Arzt-Meldepflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG und die Labor-Meldepflicht gemäß § 7.2 IfSG hin.
Dieser Text wurde am Montag, den 23.Mai aktualisiert.
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