Bericht im Spiegel

„Arzneilieferdienste sind kaum mehr als eine teure, hoch riskante Wette“

Stuttgart - 02.05.2022, 15:15 Uhr

Spiegel online nimmt die neuen Geschäftsmodelle im Arzneimittelmarkt rund um die letzte Meile ins Visier. (x / Foto: IMAGO / Michael Gstettenbauer)

Spiegel online nimmt die neuen Geschäftsmodelle im Arzneimittelmarkt rund um die letzte Meile ins Visier. (x / Foto: IMAGO / Michael Gstettenbauer)


An dem Thema Arzneimittellieferdienste kommt man derzeit im Apothekenmarkt nur schwer vorbei. Mit Mayd, First A, Kurando und Co. bieten zahlreiche Start-ups ihre Dienste auf der letzten Meile zwischen Apotheke und Patient:in an – und verbrennen dabei Millionen, wie in einem Bericht im aktuellen „Spiegel“ zu lesen ist. Bisher sei das Geschäft der Arzneilieferdienste kaum mehr als eine teure, hochriskante Wette, heißt es dort.

Der Spiegel hat sich in einem aktuellen Artikel den Lieferstart-ups wie Mayd und First A gewidmet, die „für die Pharmabranche werden wollen, was Gorillas oder Flink für Lebensmittel sind“. Die „charmante Idee“ – schließlich wolle sich niemand krank in die Apotheke schleppen – ist in den Augen des Autors bisher „allerdings kaum mehr als eine teure, hochriskante Wette“.

Gründe dafür sind demnach der hochregulierte Markt – „manche halten das Lieferbusiness mit den Pharmazeutika sogar für illegal“ – und die schleppende Einführung des E-Rezepts. Denn ohne elektronische Verordnungen bleibe der lukrativste Teil des Markts, also der Rx-Markt, für Mayd und Co. weitgehend unter Verschluss. Die Auslieferung von Rx-Arzneimitteln sei nämlich gegenwärtig kaum wirtschaftlich: „Der Kurier müsste das Papierrezept erst beim Kunden abholen und anschließend in die Apotheke bringen“, wird erläutert. 

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Mayd ist dem Artikel zufolge finanziell so gut aufgestellt wie kaum ein Konkurrent. Und das glauben die Gründer auch zu brauchen. Mayd-Mitgründer Hanno Heintzenberg wird mit folgenden Worten zitiert: „In dem Markt ist nur Platz für ein Unternehmen. Wir wollen sehr, sehr schnell wachsen“. Inwiefern sich die Übernahme des Konkurrenten First A durch Shop Apotheke auf diese Pläne auswirkt, wird nicht thematisiert. Der „Spiegel“ verweist in diesem Zusammenhang auf Insider-Berichte, denen zufolge Mayd aktuell 3 Millionen Euro im Monat „verbrennt“, was das Start-up aber offenbar nicht kommentieren wollte.

Wette kann nur mit Rx aufgehen

Weiter ist zu lesen, dass die Wette nur aufgehe, wenn das elektronische Rezept schnell zur Regel werde und Mayd verschreibungspflichtige Arzneien ohne langes Hin und Her liefern könne. Hier liege Gründer Heinzenberg zufolge das eigentliche Geschäft – mit schnell benötigten Arzneimitteln lasse sich kein Geld verdienen.

Verdienen die Start-ups irgendwann Geld? 

Das Magazin lässt auch Fachleute zu Wort kommen, die an der Nachhaltigkeit der Idee zweifeln. So etwa den „Apothekenexperten“ Markus Bönig, der in der Vergangenheit mit Geschäftsmodellen wie Ordermed und Vitabook auf sich aufmerksam machte. Es regiere das Prinzip Hoffnung, sagt er. Man denke, dass jede schnelle Lieferung eine Lizenz zum Gelddrucken sei. Für einzelne niedrigpreisige Artikel zu fahren, lohnt sich in seinen aber Augen nicht. Das sei bei Amazon, wo ohnehin täglich die wichtigsten Straßen der Großstädte abgefahren werden und ein Päckchen mehr kaum zusätzliche Kosten verursache, anders. Arzneimittel würden aber meist nicht innerhalb von 20 Minuten benötigt, ebenso wenig wie stündlich oder auch nur täglich in jeder Straße, so Bönig. Auch darauf, dass Mayd nichts für Preisfüchse ist, weist der Artikel hin: Das Start-up folge oft den UVP der Hersteller, viele Apotheken hingegen nicht mehr.

Ob Mayd und Konsorten irgendwann Geld verdienen, hängt dem „Spiegel“ zufolge unter anderem davon ab, ob künftig chronisch Kranke gewonnen werden können und ob die Liefer-Start-ups an die „ IT-Infrastruktur im Gesundheitswesen“ angebunden werden, sodass sie von Patienten direkt als Lieferanten ausgewählt werden können – aktuell ist das nur für Apotheken und Versender angedacht.

Expansion auf dem Land soll kommen

Gegenüber dem „Spiegel“ verspricht Heintzenberg zudem, dass man künftig auch auf dem Land ausliefern will – „wo die nächste Apotheke oft viele Kilometer entfernt ist und der Bedarf aus Sicht der Kunden besonders groß“. Bislang radeln die Rider nämlich nur in großen Städten. Auf dem Land soll es dann allerdings kein Lieferfenster von 30 Minuten mehr geben, was dem Mayd-Chef zufolge „ökonomischer Selbstmord“ wäre. Stattdessen soll es ein Tourenmodell geben, bei dem mehrmals am Tag bestimmte Orte beliefert werden. „Ein Service freilich, den viele Apotheken mit eigenen Boten längst anbieten“, wie es zum Schluss des Textes heißt.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

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von Simon Shoa am 02.05.2022 um 21:11 Uhr

„Ein Service freilich, den viele Apotheken mit eigenen Boten längst anbieten“

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