Darmsanierung

Hefezellen oder Laktobazillen – oder nichts von beidem?

Waren (Müritz) - 11.03.2022, 07:00 Uhr

Heilpraktiker richten die sogenannte Darmsanierung gern nach den Ergebnissen einer Stuhlprobe und suggerieren damit eine gezielte Therapie. (x / Bild: T. L. Furrer / AdobeStock)

Heilpraktiker richten die sogenannte Darmsanierung gern nach den Ergebnissen einer Stuhlprobe und suggerieren damit eine gezielte Therapie. (x / Bild: T. L. Furrer / AdobeStock)


Das ist noch umstritten

Noch immer tappt man im Dunkeln, welche Probiotika das Mikrobiom auf welche Weise verändern können und wie man sie zu Korrekturen nutzen kann – jedenfalls nach derzeit geltenden wissenschaftlichen Maßstäben. Auf eine Darmsanierung spezialisierte Behandler berufen sich als Rationale für die Therapie auf Stuhlanalysen. Im Labor soll festgestellt werden, welche Darmbakterien fehlen und welche drohen, überzuwuchern. 

Probiotika sollen das Gleichgewicht wiederherstellen. Für einen scheinbar gezielten Einsatz bestimmter Stämme fehlt aber nach wie vor die wissenschaftliche Grundlage, kritisieren Schulmediziner. Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) riet im Jahr 2018 ausdrücklich von der Bestimmung des Darm-Mikrobioms zur Ableitung von Ernährungs- und Handlungsempfehlungen ab, mit der Begründung: „teuer und sinnlos“. Die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora könne individuell höchst unterschiedlich ausfallen und korreliert nicht unbedingt mit eventuellen Krankheitssymptomen. Davon unberührt bleibt die Notwendigkeit von Stuhltests im Rahmen der Darmkrebsvorsorge oder Diagnostik einzelner pathogener Erreger wie Clostridium difficile.

Eine Darmsanierung in Form einer Kur mit den Teilschritten „Darmreinigung“ – „Förderung der Verdauung durch Präbiotika“ – „Wiederaufbau mit Probiotika“, wie sie in der Alternativmedizin propagiert wird, entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und kann im Selbstversuch sogar gefährlich werden. 

Das sind die Gefahren

Eine „Spülung“ des Darms ist definitiv nicht nötig, außer es handelt sich um die Vorbereitung einer Darmspiegelung. Der Darm reinigt sich selbst. Nur bei echten Vergiftungen, beispielsweise einer Überdosierung von Arzneimitteln, braucht er Hilfe von außen. Für die Sinnhaftigkeit einer Detox-Kur zur Entfernung von Schwermetallen und Co. findet sich kein einziger wissenschaftlicher Beweis. Auf der anderen Seite kann die nicht indizierte Anwendung von Abführmitteln zu Elektrolytverlusten und Mangelernährung führen.

Bei einem „Wiederaufbau“ der Darmflora darf nicht vergessen werden, dass es sich bei Probiotika um lebensfähige Mikroorganismen handelt. Im Raum stehen deshalb nicht nur die Fragen, ob und wie Probiotika den Darm „sanieren“ können, sondern auch, wie sicher diese Methode ist. Eine israelische Arbeitsgruppe ließ 2018 jedenfalls Zweifel an der Idee aufkommen. In ihren Untersuchungen verzögerte die Anwendung von Probiotika sogar die Regeneration der Darmflora, statt sie zu fördern. Die Forscher schlossen daraus, dass eine ungezielte Gabe von Probiotika den meisten Patienten nicht nützt und vielleicht sogar schaden kann.

Hinreichend bekannt ist, dass Probiotika den Verlauf einer Pankreatitis ungünstig beeinflussen können und sie deshalb nicht bei Patienten mit schweren abdominellen Entzündungen zum Einsatz kommen sollten. Vorsicht ist insbesondere auch bei immungestörten Patienten geboten. Die Arzneihefe Saccharomyces boulardii kann bei schwerkranken oder abwehrgeschwächten Patienten systemische Pilzinfektionen auslösen. Kontraindikationen bestehen auch bei bekannten Allergien gegen Hefen und für Patienten mit Venenkatheter.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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