Änderungen im Infektionsschutzgesetz

Wie die Ampel Corona in Schach halten will

Berlin - 09.03.2022, 15:15 Uhr

FDP-Justizminister Marco Buschmann (l.) und Karl Lauterbach (SPD) stellten heute den neuen Ampel-Corona-Gesetzentwurf vor. (Foto: IMAGO / photothek)

FDP-Justizminister Marco Buschmann (l.) und Karl Lauterbach (SPD) stellten heute den neuen Ampel-Corona-Gesetzentwurf vor. (Foto: IMAGO / photothek)


Am 20. März laufen die Rechtsgrundlagen der meisten Corona-Schutzmaßnahmen aus. Nun will die Ampel noch rasch dafür sorgen, dass Masken- und Testpflichten als Basismaßnahmen in bestimmten Settings bestehen bleiben und die Länder in „Hotspots“ noch weiter gehen dürfen. Zudem sollen die Begriffe der Impf-, Genesenen- und Testnachweise künftig im Infektionsschutzgesetz geregelt werden. Das sieht ein Referentenentwurf vor, der nächste Woche vom Bundestag beschlossen werden soll.  

Ende November 2021 hatte der Bundestag beschlossen, die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. Im Gegenzug schuf er im Infektionsschutzgesetz einen neuen, nicht an die epidemische Lage anknüpfenden Maßnahmenkatalog für die Länder – schließlich war und ist die Corona-Pandemie noch nicht vorbei. Diese neuen Regelungen sind aber bis zum 19. März 2022 befristet. Nun will der Gesetzgeber das Infektionsschutzgesetz erneut anpassen, um sicherzustellen, dass die Länder weiterhin befugt sind, Schutzmaßnahmen anzuordnen.

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Der Entwurf einer Formulierungshilfe für ein „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften“ – datiert auf den 8. März und überschrieben als „Referentenentwurf“ – sieht vor, den bisher noch geltenden Katalog möglicher Maßnahmen (§ 28a Abs. 7 IfSG) deutlich auszudünnen. Hier sind die Maßnahmen genannt, die auch ohne epidemische Lage erforderlich sein können. 

Künftig sollen dies nur noch zwei „Basismaßnahmen“ sein: die Maskenpflicht in bestimmten Einrichtungen (insbesondere Kliniken, Pflegedienste, Pflegeheime, soweit dort Menschen mit erhöhtem Risiko für einen schweren oder tödlichen COVID-19-Verlauf zu schützen sind) und im öffentlichen Personennahverkehr sowie Testpflichten in Kliniken, Heimen, Schulen, Justizvollzugsanstalten und einigen weiteren Einrichtungen. 3G-, 2G- oder 2G+-Regeln gehören hingegen künftig nicht mehr zu den Basismaßnahmen.

Wenn die Zahlen regional steigen ...

Hinzu kommt eine „Hotspot“-Regelung: Ein neuer § 28a Abs. 8 IfSG ermöglicht weitere Maßnahmen, sofern ein Landesparlament „eine konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ feststellt (entweder wegen der Ausbreitung einer Virusvariante mit „signifikant höherer Pathogenität“ oder wegen hoher Infektionszahlen und drohender Überlastung der Klinikkapazitäten) und deshalb konkrete Maßnahmen in einer „konkret zu benennenden Gebietskörperschaft“ beschließt. Das können weitergehende Maskenpflichten, Abstandsgebote, die Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen und die Pflicht zu Hygienekonzepten sein.

„Das sind genau die Regeln, die die Länder bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz verlangt haben“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am heutigen Mittwochmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann. Beide betonten die konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Gesetzentwurf, Buschmann sprach von einem „guten Kompromiss“. 

Sie stellten zudem klar, dass von den Änderungen nicht das Signal ausgehe, alles sei nun wieder ganz normal. Sobald die Zahlen steigen, seien gesetzliche Maßnahmen vorgesehen – ausschließlich auf Eigenverantwortung setzt man hierzulande nicht. Lauterbach begründete diesen Unterschied zu Ländern wie Großbritannien oder Dänemark mit den geringeren Impfquoten: In Deutschland gebe es bei den Über-60-Jährigen noch mehr als 10 Prozent Ungeimpfte.

Die neuen Regelungen sollen erneut befristet sein und bis zum 23. September gelten. Vor Beginn einer Corona-Herbstwelle könnte also ein Nachfolgegesetz beschlossen werden, wie Lauterbach betonte. Zudem gibt es eine Übergangsregelung für die bisher von den Ländern auf der bisherigen Rechtsgrundlage erlassenen Maßnahmen: Sie gelten bis 2. April fort. Das soll den Ländern Zeit geben, wenn nötig, neue Maßnahmen nach den neuen Vorgaben auf den Weg zu bringen.

Neue Definitionen für Impf-, Genesenen- und Testnachweise

Weiterhin sieht der Referentenentwurf vor, dass die bisher in der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung zu findenden Definitionen des Impf-, Genesenen- und Testnachweises künftig im Infektionsschutzgesetz selbst geregelt werden. Erst kürzlich hatte das Bundesgesundheitsministerium die umstrittenen Verweise beim Impf- und Genesenennachweis auf den Webseiten des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts aus der Einreiseverordnung gestrichen und die Definitionen selbst formuliert. Nun werden diese Formulierungen weitgehend entsprechend in das Infektionsschutzgesetz überführt.

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Konkret soll ein neuer § 22a IfSG geschaffen werden, in dem es um die Impf-, Genesenen- und Testnachweise, die Zertifikatsausstellung (auch durch Apotheken, bisher in § 22 IfSG geregelt) und eine weitere Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung geht. 

Hier soll künftig nachzulesen sein, wann ein vollständiger Impfschutz vorliegt. Wie aus der Einreiseverordnung schon bekannt, sind hierfür ab 1. Oktober 2022 grundsätzlich drei Einzelimpfungen mit einem oder mehreren in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffen notwendig; die letzte Impfung muss dabei mindestens drei Monate nach der zweiten Impfung erfolgt sein. Die Bundesregierung kann aber in einer Verordnung noch weitere anerkannte Vakzine festlegen. 

Bis 30. September reichen auch zwei Einzelimpfungen. Danach sind zwei Impfungen nur genügend, wenn zugleich eine durchgemachte Infektion nachgewiesen werden kann – drei unterschiedliche Konstellationen sind hier vorgesehen. Bei der Kombination Impfung und Genesung ist übergangsweise auch nur eine Impfung ausreichend.

Zudem wird klargestellt, dass seit der letzten Impfung nicht mehr als 270 Tage vergangen sein dürfen, wenn der Impfnachweis zur Einreise nach Deutschland verwendet wird. 

In einer Rechtsverordnung kann die Bundesregierung allerdings abweichende Anforderungen festlegen, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung entsprechen – so etwa mit Blick auf die Intervallzeiten, die nach jeder Einzelimpfung für einen vollständigen Impfschutz abgewartet werden müssen und die höchstens zwischen den Impfungen liegen dürfen.

Welcher Test für einen Genesenennachweis?

Wie erwartet, wird zudem festgehalten, dass ein Genesenennachweis auf einem Test beruhen muss, der mindestens 28 und höchstens 90 Tage zurückliegt. Zudem heißt es jetzt generell – und nicht nur zum Zwecke der Einreise in die Bundesrepublik –, dass die Infektion durch einen „direkten Erregernachweis“ nachzuweisen ist. 

Ein solcher ist laut Begründung – und im Sinne der Verordnung (EU) 2021/953 – ein Nachweis, „aus dem hervorgeht, dass der Inhaber nach einem positiven Ergebnis eines von Fachkräften im Gesundheitswesen oder von geschultem Testpersonal durchgeführten NAAT-Tests oder Antigen-Schnelltests, der in der vom Gesundheitssicherheitsausschuss vereinbarten gemeinsamen EU-Liste der COVID-19-Antigentests aufgeführt ist und am 1. Oktober 2021 oder danach durchgeführt wurde“. Damit kann also auch in Deutschland grundsätzlich ein Antigentest für einen Genesenennachweis ausreichen – bislang ist hier ein PCR/NAAT-Test Pflicht. 

Allerdings kann auch hier eine Verordnung abweichendes regeln, insbesondere zur Art des Tests und den relevanten Zeitspannen. Klargestellt wird in der neuen Regelung überdies, dass die Rechtsverordnung angemessene Übergangsfristen für solche abweichenden Anforderungen vorsehen muss – Änderungen „über Nacht“, wie sie Mitte Januar die Menschen aufschreckten, soll es also nicht mehr geben. 

Auch die Anforderungen für den Testnachweis werden neu justiert. Und nachgebessert wird zudem die frisch geänderte Einreiseverordnung: Die detaillierten Definitionen zu Impf-, Genesenen- und Testnachweis entfallen zugunsten eines Verweises auf die neuen Regelungen im künftigen § 22a IfSG. Zugleich wird die Verordnung verlängert: Statt bereits am 19. März soll sie nun am 28. April außer Kraft treten.

Nun muss es schnell gehen: Heute ging der Entwurf im Umlaufverfahren ins Bundeskabinett, morgen sollen ihn die Fraktionen beraten – weitere Änderungen sind dabei nicht ausgeschlossen, wie Lauterbach betonte. Am kommenden Mittwoch ist die erste Lesung im Bundestag angesetzt, am Freitag in einer Woche (18. März) die 2./3. Lesung sowie der Durchgang im Bundesrat – zustimmungspflichtig ist das Gesetz nicht. Es könnte noch am selben Tag oder am Samstag im Bundesgesetzblatt verkündet werden, um pünktlich zum 20. März in Kraft treten zu können. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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