FAH-Informationsveranstaltung (Bildergalerie)

Titandioxid – welche Ersatzstoffe es gibt und wie die Tabletten aussehen

Stuttgart - 09.03.2022, 17:50 Uhr


Beispiele für alternative Farbpigmente aus dem Arzneibuch

Beispiele für alternative (im Arzneibuch monographierte) mineralische Farbpigmente seien 

  • Calciumcarbonat und
  • Magnesiumcarbonat, organisch kämen
  • Stärke,
  • Fettsäuren und
  • PEG-Fettsäureester

infrage. Schon die EMA hatte erklärt, dass Calciumcarbonat, Talkum und Stärke zwar mögliche Alternativen seien, diese aber Nachteile mit sich bringen. So könnten keine ausreichend dünnen Filmüberzüge erreicht werden, es gebe Probleme in der Lieferkette und auch ein Verunreinigungsrisiko. Jedes betroffene Arzneimittel müsse zudem individuell hinsichtlich Alternativen, Neuformulierung, Auflösungs- und Stabilitätsdaten sowie potenziell Bioäquivalenz untersucht werden. All das müsse dann durch die zuständigen Zulassungsbehörden nochmals bewertet werden, hieß es.

Optische Unterschiede in Realität kaum sichtbar?

Doch wie sieht so etwas praktisch aus? Das stellte Schütte in mehreren Fotos dar – von Tabletten, die bei Krewel Meuselbach mit verschiedenen Ersatzstoffen überzogen wurden (siehe Bildergalerie). So sollen etwa bei einem Calciumcarbonat-Überzug leicht die Kanten der Tabletten durchscheinen. Das sei in der Realität jedoch deutlich weniger sichtbar als auf den Fotos. Eine solche Optik sei also zwar nicht gewünscht, aber vielleicht doch akzeptabel? Ein Problem sei jedoch, die erniedrigte Robustheit durch eine erhöhte Partikelzahl. Die Tablettenfilme könnten also aufplatzen. Mischfarben seien wiederum deutlich einfacher umzusetzen (siehe Galerie). Jedoch sei nicht nur an die Optik zu denken. Carbonate reagieren beispielsweise mit Säuren. Es ist also mit einem anderen Auflöseverhalten der Tabletten zu rechnen. Am Beispiel einer Lutschtablette machte Schütte deutlich, dass sich Filme mit PEG-Fettsäureester schneller auflösten, als mit Fettsäuren wie Stearinsäure.

Nicht zu kompliziert denken!

Dann mahnte Schütte seine Zuhörer:innen, nicht zu kompliziert zu denken. An einem weiteren Beispielbild verdeutlichte er, dass bei manchen Tabletten ganz auf einen Film verzichtet werden könne, oder zumindest auch ein transparenter Film ausreichend sein könnte. Natürlich muss man aber auch an Argumente wie die Schluckbarkeit und etwa eine Geschmacksmaskierung denken. Schließlich lautet Schüttes Fazit, dass es akzeptable Ersatzstoffe für Titandioxid gibt, jedoch keine Universallösung. Oft seien dann Kompromisse wie eine höhere Prozesszeit, höhere Hilfsstoffmengen, ein weniger brillantes Weiß und die geringere Robustheit einzugehen. 

Insgesamt steige die Diversität an Hilfsstoffen im Portfolio, eine Gruppierung von verschiedenen Fällen könnte dann vielleicht in Zukunft bei der Umsetzung und Argumentation gegenüber der EMA helfen. Auf die Industrie kommen also ein erhebliches Stück Arbeit und wohl auch Kosten zu.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Titandioxid in Arzneimitteln

von Joachim Maurice Mielert am 11.03.2022 um 8:11 Uhr


Nur die Reduktion auf das logische Argument zählt:

Argument Anfang:

Was in Lebensmitteln schädlich und verboten ist,
kann in Arzneimitteln nicht gut und zulässig sein.

Argument Ende!

Längst sind die Würfel gefallen: Titandioxid wird auch aus den Arzneimitteln verbannt werden. Längst haben sich auch führende Gesundheitspolitiker in Berlin festgelegt. Das Thema ist erkannt, es ist in parlamentarischen Ausschüssen angekommen. In der Lobby regt sich vorhersehbar deutlicher Widerstand und das Besorgnis-Argument der in Frage stehenden Versorgungssicherheit wird ausgepackt, um möglichst wirkungsfremde Übergangsfristen zu erreichen.

Tatsächlich jedoch handelt es sich nicht ansatzweise um ein technisches oder gar offenes wissenschaftliches Problem, sondern um ein ökonomisches Thema: 90.000 adaptierte Formulierungen, 90.000 an die EMA adressierte Änderungsprozesse , 90.000 mal ein signifikanter Imagewandel, 90.000 neue Produktions, Verblisterungs- und Begleitprozesse und 90.000 Änderungen bis hin zur Produktinformation an die Berufsstände.

Und wieder einmal wird die Konsumentengruppe, die Zielgruppe des gesamten Wertschöpfungskreislaufes, nämlich der Patient - konsequent und geradezu despektierlich ausgeblendet.

Mehr Informationen: www.titandioxid.org
Mehr Konversation: info@titandioxid.org

DOPANET WIssen & Kommunikation
J.M.Mielert

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Titandioxid in Arzneimitteln

von Agitator am 11.03.2022 um 8:50 Uhr

Der Ersetzung von Titandioxid ist ein nicht triviales Problem für Pharmahersteller und geht in der EU immer mit einer Typ II Variantion einher und
neuen Bioäquivalenzstudien. Zusätzlich müssten neue Prozesse nur für die EU etabliert werden, da die EU ein anderes Produkt als der Rest der Welt bekommen würde, was die Preise für die Medikamente um ca. 10-30% erhöhen würde.
Weltweit die Formulierung umzustellen würde regulatorisch mehr als 5 Jahre dauern allein durch neue Stabilitätsstudien und lange Approvaltimes.
Sinnvoll wäre erst mal eine Risikoabschätzung je nach Produkt mit PDE Werten und Priorisierungen und ein “Verbot“ erst mal nur für Neu-Produkte, die noch nicht in eine CTA für Phase III eingereicht haben.


Es ist ein komplexes Thema was lösbar ist, aber viel Geld und Entwicklungszeit kostet für alle Beteiligten.
Außerdem gilt natürlich wie immer: Arzneimittel sind keine Lebensmittel!

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