Medikationsplan sinnvoll einsetzen

ARMIN: Patienten profitieren von Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker

Berlin - 18.02.2022, 16:45 Uhr

Der Medikationsplan kann ein wichtiges Werkzeug bei der medizinisch-pharmazeutischen Betreuung sein. (c / Foto: ABDA)

Der Medikationsplan kann ein wichtiges Werkzeug bei der medizinisch-pharmazeutischen Betreuung sein. (c / Foto: ABDA)


Was nützt ein Medikationsplan den Patienten? Offenbar eine ganze Menge, wie eine Veröffentlichung aus dem „Journal of interprofessional care“ zeigt. Zumindest dann, wenn er als Instrument im Zuge eines strukturierten Medikationsmanagements eingesetzt wird, an dem Arzt und Apotheker beteiligt sind. Die Analysedaten stammen aus dem ABDA-Prestigeprojekt ARMIN.

Lange Zeit war es still geworden um die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN). Jetzt liegen erste Teilergebnisse vor: Die zuständige Fachabteilung für Wissenschaftliche Entwicklung der ABDA veröffentlichte bereits im Januar im „Journal of interprofessional care“ einen Kurzreport, in dem es unter anderem um den Nutzen des Medikationsplans in einem interprofessionellen Setting geht. Kooperationspartner war die Abteilung für klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie der Universität Heidelberg.

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Das Team um Erstautorin und ABDA-Mitarbeiterin Dr. Christiane Eickhoff wollte wissen, wie es um die Akzeptanz eines Medikationsmanagementprogramms mithilfe des Medikationsplans vonseiten der Patienten steht, ob und wie sie den ausgedruckten Plan nutzen und ob sie daraus letztlich einen Vorteil für sich ziehen. Eingeschlossen wurden 103 erwachsene AOK Plus-Versicherte, die regelmäßig mehr als fünf Arzneimittel einnahmen, zuhause lebten und sich im Zuge des ARMIN-Projekts bereit erklärt hatten, sich von Hausärzten und Apothekern gemeinsam betreuen zu lassen. Sie mussten dabei mindestens eine Follow-up-Intervention erhalten haben.

Zunächst analysierten Apotheker:innen in einem sogenannten Brown-Bag-Review die bestehenden Medikationen der Teilnehmenden und besprachen die Therapie mit den Patientinnen und Patienten nach einem strukturierten und standardisierten Verfahren. Anschließend erstellten die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten die jeweiligen Medikationspläne. Bei jedem Besuch in der Apotheke oder Praxis wurde der Plan auf den neuesten Stand gebracht, erneut ausgedruckt und den Probanden ausgehändigt. Befragt wurden die 103 Teilnehmenden mittels eines selbst entwickelten Fragebogens, zehn weitere in einem strukturierten Interview.

Viele Patienten nutzen ihren Medikationsplan regelmäßig

Das Ergebnis: Fast alle Patienten (96 Prozent), die mittels Fragebogen befragt worden waren, nutzten ihren Medikationsplan, mehr als die Hälfte sogar regelmäßig (51 Prozent). Insbesondere ältere Menschen, Personen mit Polymedikation und Patienten, die bezüglich ihrer Medikation Hilfe benötigen, griffen demnach regelmäßig zu ihrem Plan. Die Teilnehmenden schätzten besonders, dass sie im Zuge des Medikationsmanagements nun alle relevanten Informationen zu ihren Arzneimitteln bekamen (90 Prozent). Auch die verbesserte Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker werteten die meisten positiv (84 Prozent).

Intensivierte Betreuung stärkt Bindung zur Apotheke

Über eine engere Bindung zu ihrer Apotheke durch die Teilnahme am Projekt berichteten 72 Prozent der Patienten, über ihren Hausarzt sagten dies 65 Prozent der Befragten. Knapp 69 Prozent schätzen ihren Umgang mit ihren Arzneimitteln sicherer ein als zuvor, 72 Prozent fühlten sich über die zugrundeliegenden Indikationen besser informiert. 64 Prozent gaben an, nun über die Dosierung besser Bescheid zu wissen als vor der Teilnahme.

Dass die Zeit, die in der Apotheke für die Brown-Bag-Analyse anfiel, angemessen sei, sagten knapp 85 Prozent der Probanden. Allerdings gaben fast 24 Prozent an, dass die regelmäßige Überprüfung des Medikationsplans recht zeitaufwendig sei. 29 Prozent waren unentschlossen, nur 46 Prozent verneinten dies. Wer für den Service bezahlen soll, ist aus Sicht der Versicherten übrigens klar: Mehr als 92 Prozent finden, dass die Krankenversicherung die für das Medikationsmanagement anfallenden Kosten tragen sollte.

Weniger Medikamente, weniger Nebenwirkungen

Die Ergebnisse bestätigten sich weitgehend in den Interviews. Alle zehn Befragten gaben an, den Medikationsplan zu nutzen, insbesondere wenn sie einen Spezialisten aufsuchten, es Probleme gegeben hatte oder der Plan kürzlich geändert wurde. Über klinische Auswirkungen berichteten sechs der zehn Probanden, etwa eine Umstellung aufgrund von Interaktionen, das Absetzen unnötiger Medikamente und weniger Nebenwirkungen. Sieben von zehn fühlten sich durch die Teilnahme am Projekt sicherer mit ihrer Medikation, organisatorische Aspekte verbesserten sich aus der Sicht von sieben der zehn Interviewten. Das betrifft insbesondere die Kommunikation zwischen Hausarzt, Spezialisten, Apotheker und dem Patienten selbst. Alle der zehn persönlich Befragten sind der Meinung, dass jeder, der regelmäßig Arzneimittel anwendet, einen Medikationsplan bekommen sollte.

Als ein Problem identifizierten Eickhoff und Kollegen, dass die Medikationspläne sich schnell überholten. Aus diesem Grund brauche es Strategien wie das bei ARMIN genutzte Medikationsmanagement, um die Pläne aktuell zu halten. Dann können sie nach Einschätzung der Autoren dazu beitragen, relevante Informationslücken bezüglich der Medikation zu schließen. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Patienten mit Polypharmazie einen intensiven Austausch zwischen ihrem behandelnden Arzt und ihrem Apotheker schätzen“, fassen sie zusammen. Sie fühlten sich sicherer im Umgang mit ihren Arzneimitteln, was für sie selbst einen hohen Stellenwert habe. „Das deutet darauf hin, dass viele Patienten Schwierigkeiten haben, den Überblick über ihre Medikamente zu behalten und diese zu managen.“ Insgesamt, so die Studienautoren, scheinen sie sich zu wünschen, von einem Team verschiedener Heilberufler sicher betreut zu werden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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