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Prozess wegen Fehlbildungen
Gericht: Sanofi hätte bereits 1984 den Beipackzettel von Dépakine ändern müssen
Obwohl das Fehlbildungsrisiko offenbar schon lange absehbar war, sollen 15.000 Schwangere in Frankreich zwischen 2007 und 2014 das valproinsäurehaltige Epilepsiemittel Dépakine eingenommen haben. Deswegen waren sowohl die französischen Behörden als auch Hersteller Sanofi in die Kritik geraten. Gegen den französischen Pharmakonzern war jetzt im April ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Vergangene Woche kam ein Pariser Gericht zu dem Schluss, dass Sanofi seine Informationspflicht verletzt habe.
Der Pharmakonzern Sanofi hat beim umstrittenen Epilepsie-Mittel Dépakine (Wirkstoff Valproinsäure) einem Pariser Gericht zufolge seine Informationspflicht verletzt. Bereits ab 1984 hätte Sanofi eine Änderung des Beipackzettels erwirken sollen, um klare und präzise Informationen entsprechend dem aktuellen Wissenschaftsstand zu geben, teilte das Gericht am vergangenen Mittwoch mit. Das Gericht befand, dass das Medikament und seine Nachfolger nicht den Sicherheitsstandards entsprachen. Das schwere Risiko äußerer Einwirkungen auf einen Fötus sowie das Risiko für geistige Störungen und Entwicklungsstörungen seien bis 2006 nicht als Nebenwirkungen aufgeführt worden.
Schwere Missbildungen bei Anwendung in der Schwangerschaft
Dépakine enthält den Wirkstoff Valproinsäure. Das Antikonvulsivum kann, wenn Mütter es während der Schwangerschaft einnehmen, bei Babys zu schwerwiegenden Missbildungen wie Neuralrohrdefekten, Kiefer-Lippen-Gaumenspalten und Schädigungen des Herzens oder der Nieren führen. Vor etwa zehn Jahren stellte sich zudem heraus, dass 30 bis 40 Prozent der Kinder aus solchen Schwangerschaften im Vorschulalter unter Entwicklungsstörungen oder einem verminderten Intelligenzquotienten leiden. Das Risiko für Autismus ist bei ihnen fünfmal höher als bei anderen Kindern. Laut einem früheren Bericht der französischen Gesundheitsbehörden nahmen zwischen 2007 und 2014 knapp 15.000 Schwangere das Medikament ein. Unklar blieb, für wie viele Kinder das Medikament gesundheitliche Folgen hatte. Eine Studie der Behörde für Medikamentensicherheit aus dem Jahr 2017 schätzt, dass zwischen 2.150 und 4.100 Kinder mit schweren Geburtsfehlern geboren wurden, nachdem sie zwischen 1967 und 2016 während der Schwangerschaft Dépakine ausgesetzt waren.
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Dépakine wird in Frankreich seit 1967 vermarktet. Im Jahr 2016 entschied das französische Parlament, das Opfer entschädigt werden. Gegen Sanofi wurden auch Untersuchungen wegen der Vorwürfe der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der schweren Täuschung eingeleitet.
Das Gericht urteilte am Mittwoch auch, dass seine Entscheidung in Zeitungen verbreitet werden müsse. Für die weiteren Schritte einer Sammelklage zu Entschädigungen solle Sanofi gemeinsam mit dem Versicherer 120.000 Euro zahlen. Sanofi kündigte an, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen; das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig. Die Informationen seien entsprechend dem damaligen Wissensstand und der Entscheidungen der Gesundheitsbehörden angepasst worden. Man habe die Behörden alarmiert und sich stets transparent verhalten, so Sanofi.
Was wird getan, um Valproat sicherer zu machen?
Der Wirkstoff Valproinsäure ist in Deutschland unter anderem unter den Produktnamen Ergenyl, Orfiril und in Form zahlreicher Generika im Handel. Valproat wird nicht nur bei Epilepsie, sondern auch in der manischen Phase bei bipolaren Störungen eingesetzt. Im Jahr 2014 war das Risikoprofil von Valproat Gegenstand einer Überprüfung durch die EMA. Das damalige Ergebnis führte zur Verstärkung der Warnhinweise und Einschränkungen für die Anwendung bei weiblichen Jugendlichen und Frauen im gebärfähigen Alter. So soll der Wirkstoff bei ihnen seitdem nur noch eingesetzt werden, wenn andere Arzneimittel gegen Epilepsie und manischen Episoden bei bipolaren Störungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden. Im Dezember 2014 stellte das BfArM dann als Teil der auf europäischer Ebene verabschiedeten Risikominimierungsmaßnahmen neben einem Rote-Hand-Brief auch Schulungsmaterialien und ein Formular zur Bestätigung über die Risikoaufklärung auf seiner Homepage bereit. Zudem sah das Risikobewertungsverfahren vor, dass auf europäischer Ebene Studien durchgeführt werden, die die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen untersuchen.
Wissen alle über Auflagen Bescheid?
2016 wurden die Auflagen dann evaluiert. Es bleiben aber offenbar erhebliche Zweifel, ob alle Ärzte und Patienten davon ausreichend Kenntnis genommen haben. Seit 2017 müssen alle Packungen eine Patientenkarte enthalten. Außerdem äußerte die französische Arzneimittelbehörde ANSM Zweifel an der Wirksamkeit der Auflagen. Sie forderte die EMA auf, die bestehenden Maßnahmen zu evaluieren und möglicherweise weitere zu veranlassen, um das Risiko zu minimieren. Der PRAC (Pharmakovigilanzausschuss der EMA) prüfte die Sache und hielt weitere Maßnahmen für notwendig, um eine Einnahme von Valproat während der Schwangerschaft zu vermeiden. Er empfahl ein neues Schwangerschaftsverhütungsprogramm und neue Anwendungseinschränkungen.
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Ende 2018 informierten die Hersteller entsprechender Arzneimittel in einem Rote-Hand-Brief darüber. Demnach darf Valproat nur dann bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter angewendet werden, wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden. Eine Anwendung in der Schwangerschaft ist in allen Indikationen (Epilepsie, Migräneprophylaxe, bipolare Störung) kontraindiziert, einzige Ausnahmen sind Patientinnen mit Epilepsie, für die keine geeignete alternative Behandlung zur Verfügung steht. Soll Valproat bei Frauen im gebärfähigen Alter verschrieben werden, müssen die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms eingehalten werden. Andernfalls ist es bei dieser Patientengruppe kontraindiziert.
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