Prozess wegen Fehlbildungen

Gericht: Sanofi hätte bereits 1984 den Beipackzettel von Dépakine ändern müssen

Paris/Stuttgart - 11.01.2022, 09:14 Uhr

Nach Auffassung eine Pariser Gerichts hat Sanofi im Zusammenhang mit Dépakine sein Informationspflicht verletzt.(Foto: IMAGO / Stefan Zeitz)

Nach Auffassung eine Pariser Gerichts hat Sanofi im Zusammenhang mit Dépakine sein Informationspflicht verletzt.(Foto: IMAGO / Stefan Zeitz)


Obwohl das Fehlbildungsrisiko offenbar schon lange absehbar war, sollen 15.000 Schwangere in Frankreich zwischen 2007 und 2014 das valproinsäurehaltige Epilepsiemittel Dépakine eingenommen haben. Deswegen waren sowohl die französischen Behörden als auch Hersteller Sanofi in die Kritik geraten. Gegen den französischen Pharmakonzern war jetzt im April ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Vergangene Woche kam ein Pariser Gericht zu dem Schluss, dass Sanofi seine Informationspflicht verletzt habe.

Der Pharmakonzern Sanofi hat beim umstrittenen Epilepsie-Mittel Dépakine (Wirkstoff Valproinsäure) einem Pariser Gericht zufolge seine Informationspflicht verletzt. Bereits ab 1984 hätte Sanofi eine Änderung des Beipackzettels erwirken sollen, um klare und präzise Informationen entsprechend dem aktuellen Wissenschaftsstand zu geben, teilte das Gericht am vergangenen Mittwoch mit. Das Gericht befand, dass das Medikament und seine Nachfolger nicht den Sicherheitsstandards entsprachen. Das schwere Risiko äußerer Einwirkungen auf einen Fötus sowie das Risiko für geistige Störungen und Entwicklungsstörungen seien bis 2006 nicht als Nebenwirkungen aufgeführt worden.

Schwere Missbildungen bei Anwendung in der Schwangerschaft

Dépakine enthält den Wirkstoff Valproinsäure. Das Antikonvulsivum kann, wenn Mütter es während der Schwangerschaft einnehmen, bei Babys zu schwerwiegenden Missbildungen wie Neuralrohrdefekten, Kiefer-Lippen-Gaumenspalten und Schädigungen des Herzens oder der Nieren führen. Vor etwa zehn Jahren stellte sich zudem heraus, dass 30 bis 40 Prozent der Kinder aus solchen Schwangerschaften im Vorschulalter unter Entwicklungsstörungen oder einem verminderten Intelligenzquotienten leiden. Das Risiko für Autismus ist bei ihnen fünfmal höher als bei anderen Kindern. Laut einem früheren Bericht der französischen Gesundheitsbehörden nahmen zwischen 2007 und 2014 knapp 15.000 Schwangere das Medikament ein. Unklar blieb, für wie viele Kinder das Medikament gesundheitliche Folgen hatte. Eine Studie der Behörde für Medikamentensicherheit aus dem Jahr 2017 schätzt, dass zwischen 2.150 und 4.100 Kinder mit schweren Geburtsfehlern geboren wurden, nachdem sie zwischen 1967 und 2016 während der Schwangerschaft Dépakine ausgesetzt waren.

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Dépakine wird in Frankreich seit 1967 vermarktet. Im Jahr 2016 entschied das französische Parlament, das Opfer entschädigt werden. Gegen Sanofi wurden auch Untersuchungen wegen der Vorwürfe der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und der schweren Täuschung eingeleitet.

Das Gericht urteilte am Mittwoch auch, dass seine Entscheidung in Zeitungen verbreitet werden müsse. Für die weiteren Schritte einer Sammelklage zu Entschädigungen solle Sanofi gemeinsam mit dem Versicherer 120.000 Euro zahlen. Sanofi kündigte an, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen; das Urteil ist somit noch nicht rechtskräftig. Die Informationen seien entsprechend dem damaligen Wissensstand und der Entscheidungen der Gesundheitsbehörden angepasst worden. Man habe die Behörden alarmiert und sich stets transparent verhalten, so Sanofi.



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