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Interview mit Medizinrechtler Effertz
Darum sollten Apotheker sich beim Impfen gegen COVID-19 noch gedulden
So lassen sich Haftungsrisiken vermeiden
Was wäre in diesem Zusammenhang noch wichtig, um Haftungsthemen zu vermeiden?
Natürlich könnte man jetzt eine lange Liste aufstellen. Aber zum einen würde das unnötig abschreckend wirken – unnötig, weil Ärzte diese Probleme theoretisch auch täglich haben und damit gut umgehen können – und zum anderen würde die Bedeutung der Kernpunkte dann untergehen. Besonders wichtig ist mir, dass man neben der ordnungsgemäßen Durchführung die Themen Aufklärung und Einwilligung ernst nimmt. Bekannt dürfte inzwischen sein, dass Impfungen grundsätzlich eine Körperverletzung darstellen. Dies kann eben nur dann straffrei bleiben, sofern eine Einwilligung vor dem Eingriff vorlag und nicht widerrufen wurde. In diesen Zeiten und vor dem Hintergrund der gesetzlichen Neuerung sollte dabei beachtet werden, dass Apotheker es nun auch mit Minderjährigen und möglicherweise nicht einwilligungsfähigen Patienten zu tun bekommen können. Das ist eine neue Herausforderung, da nicht einfach auf das Alter abgestellt werden kann, sondern die geistige und sittliche Reife in jedem Einzelfall beurteilt werden muss. Als Orientierung kann lediglich festgehalten werden, dass man unter 14 Jahren nur ausnahmsweise von einer Einwilligungsfähigkeit ausgehen können wird. In der Praxis wird dies dazu führen, dass auch Apotheker nun erstmals Einwilligungen von Erziehungsberechtigten einholen müssen. Umgekehrt muss auch gelten, dass der Wille des Kindes umso eher berücksichtigt werden muss, je reifer es wirkt. Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn die Eltern zwecks Impfung des Kindes vorstellig werden, dieses die Impfung allerdings ablehnt. Hier ist somit Einfühlungsvermögen und Urteilskraft gefragt.
Gibt es in diesem Zusammenhang oder in Bezug auf die SARS-CoV-2-Impfung auch Besonderheiten bei der Aufklärung?
Theoretisch weniger, weil die Aufklärung immer verständlich sein muss. Dies meint nicht nur, dass die Sprache des Impflings beherrscht und frei von Fachvokabular sein sollte, sondern eben auch, dass sie den geistigen Fähigkeiten des Impflings entspricht. Rein praktisch hat das bei Kindern natürlich sehr wohl einen Einfluss, da das verständliche Niveau erst gefunden werden muss. An diesem Beispiel wird auch klar, warum eine Aufklärung immer mündlich zu erfolgen hat. Alle Formulare, die immer fleißig erstellt und ausgefüllt werden, sind nur Hilfsmittel, dürfen das Gespräch aber niemals ersetzen. Im Übrigen gelten bloß unterschriebene Aufklärungs-/Einwilligungsbögen ohne individuelle Anmerkungen/Unterstreichungen/Notizen eher als Beweis gegen eine ordnungsgemäße Aufklärung, als für diese.
In Bezug auf die Eigenart der Impfung als solcher und die aktuelle Lage mag man mich jetzt als vorsichtig abstempeln, aber ich würde hohe Ansprüche an die Aufklärung insbesondere bei Erstimpfungen sehen. Denn der Zweck der Selbstbestimmungsaufklärung ist es dem Impfling eine mündige und – wie der Name schon sagt – selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. Bedenkt man nun die mediale Berichterstattung, die tendenziell wohl eher als Angst schürend zu bewerten ist, und den gesellschaftlichen Druck auf Nicht-Geimpfte, so dürfte es geboten sein, dieser Klientel einen „nüchternen“ und fachlich-neutralen Blick zu verschaffen. Denn inzwischen werden erste Stimmen laut, dass die Einwilligungen dieser Impflinge inzwischen unwirksam sein könnten, da die Entscheidung eben nicht mehr selbst-, sondern fremdbestimmt wäre.
Das ist interessant. Aber ist das in der Apotheke überhaupt ein Thema? Die Apotheker werden doch lediglich in die Booster-Kampagne einbezogen.
Ehrlich gesagt, dachte ich das auch eine Weile. Es wird durchgängig nur von Auffrischimpfungen gesprochen. Doch bin ich unlängst stutzig geworden, da das Gesetz eindeutig keine entsprechende Beschränkung der Erlaubnis beinhaltet. Auch die Gesetzesbegründung spricht letztlich von Schutzimpfungen und Auffrischungsimpfungen, zu denen die ärztlichen Schulungen befähigen sollen. Insofern ist die angesprochene Konstellation zumindest nicht ausgeschlossen. Allerdings wäre ich hier eher zurückhaltend und würde dieses Thema den Ärzten überlassen. Das kann man durchaus auch medizinisch begründen, denn im Fall einer Boosterung wären allergische Reaktionen oder ähnliches aus der Vergangenheit bereits bekannt. Im Fall einer Erstimpfung besteht somit nicht nur ein größeres Informationsbedürfnis, sondern auch ein höheres medizinisches Risiko.
Die Themen Delegationsmöglichkeiten und Versicherungsschutz sind für unsere Leser ebenfalls ein relevantes Thema. Gibt es hier inzwischen weitere Erkenntnisse?
Mit dem Versicherungsschutz ist das immer so eine Sache. Das ist eigentlich keine rechtliche Fragestellung. Wir Juristen befassen uns mehr mit der Frage, wer für Schäden haftet. Eine Versicherung übernimmt diesen Schaden dann im Deckungsfall. Zudem herrscht im Versicherungswesen der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Versichert ist, was im Vertrag steht. Insofern ist meine Antwort dieselbe wie damals beim Thema Grippeschutzimpfung. Jeder Apotheker, der hier mitmachen will, der sollte sich dringend eine entsprechende Deckungszusage seiner Versicherung für das Vorhaben geben lassen. Denn typischerweise ist die Impftätigkeit bisher nicht explizit aufgeführt. Als Orientierung dienen dann Vergleichswerte aus dem ärztlichen Bereich. Personenschäden werden überwiegend bis zu 2 Millionen Euro und Sachschäden bis zu 100.000 Euro abgesichert. Im Übrigen „munkelt“ man, dass die gängigen Anbieter die Zusage ohne Prämienerhöhung anbieten werden, da es ein schlechtes Licht auf sie werfen würde, die politischen Bemühungen anderenfalls zunichtezumachen.
Neben Testzentren und Gesundheitsämtern
Lauterbach will in Apotheken gegen Corona impfen lassen
Pro und Kontra
Sollen Apotheker impfen dürfen?
Das Thema Delegation ist meines Erachtens recht einfach. Wie bereits erwähnt, unterliegen SARS-CoV-2-Impfungen grundsätzlich dem Arztvorbehalt. Der Arzt seinerseits darf wie gehabt delegieren. Die in § 20b IfSG geschaffene Ausnahme für Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker hingegen ist eine abschließende Aufzählung. Solche Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich eng auszulegen, so dass eine Delegation der Impfung oder wesentlicher Teile durch diese an andere Berufsgruppen nicht infrage kommt. Vorbereitende Tätigkeiten hingegen wie die Ermittlung des Impfstatus, Terminvergabe, „Einchecken beim Termin“, Aushändigen von Informationsmaterial und Aufklärungsbögen, Abfragen, ob Fragen bestehen, die ggf. mit der/dem Approbierten zu klären sind, Vorbereiten der Dokumentation im Impfpass sowie Vorlage zur Unterschrift und so weiter sind aus meiner Sicht problemlos delegationsfähig.
Und wie sieht es mit der Vorbereitung des Impfstoffs aus?
Sofern wir uns gedanklich in der Apotheke befinden, gilt das, was immer gilt: pharmazeutisches, nicht approbiertes Personal darf unter Aufsicht unterstützen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies anders sein sollte. Denn eine „Apothekervorbehalt“ für diese Tätigkeit existiert nicht. In diesem Zusammenhang stellt sich dann oftmals die Frage nach der Dokumentation. Hier kann ich lediglich anraten, sich bei der zuständigen Aufsicht zu erkundigen, damit es keine Probleme gibt. Allerdings handelt es sich bei einer Rekonstitution in systematischer Hinsicht grundsätzlich nicht um eine dokumentationspflichtige Rezeptur oder Defektur im Sinne der Apothekenbetriebsordnung.
Zusatzfrage: Wo dürfen interessierte Apotheker impfen? Wären Impfaktionen zum Beispiel mit einem Impfbus der Apotheke zulässig?
Hier muss man drei Konstellationen unterscheiden. Wenn der Apotheker unter ärztlicher Verantwortung handelt – also Delegationsleistung –, so kann der Arzt das meines Erachtens frei entscheiden. Denn er muss selbst definieren, was fachlich erforderlich ist und dies dann verantworten. Sofern der Apotheker in eine „geeignete Struktur“ eingebunden ist, sprich ein Impfzentrum, ein mobiles Impfteam etc., so liegt die Verantwortung beim Betreiber der Einrichtung. Das ist oftmals die Kassenärztliche Vereinigung, die diese Aufgabe vom Land übernommen hat. In beiden Konstellationen ist die Frage für den Apotheker nicht sonderlich relevant. Nur wenn der Apotheker höchstpersönlich als Inhaber einer Apotheke in die Impfkampagne einsteigen will, so stellt sich die Frage nach den geeigneten Räumlichkeiten. Der Gesetzgeber lässt diese Frage unbeantwortet und das Muster-Curriculum liegt noch nicht vor. Gleichwohl können die Anforderungen nicht wesentlich von den Anforderungen der Grippeimpfungen abweichen. Zur Frage, wo diese Räumlichkeiten dann eingerichtet werden können, müssen die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung berücksichtigt werden. Insofern würde der Grundsatz der Raumeinheit zu den Betriebsräumen gelten. Gleichwohl hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz in den letzten Jahren bereits aufgeweicht. So sind etwa externe Lagerräume in „angemessenere Nähe“ nicht nur zulässig, sondern auch für pharmazeutische Tätigkeiten freigegeben. Insofern existiert für die zuständigen Behörden meines Erachtens ein ausreichend großer Ermessensspielraum, die Apotheker bei deren Vorhaben zu unterstützen.
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