Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP

Letzter Schliff an neuen Coronaregeln

Berlin - 15.11.2021, 17:55 Uhr

Wie lässt sich das deutsche Volk jetzt am besten vor weiteren Coronainfektionen und COVID-19-Erkrankungen schützen? (Foto: IMAGO / Westend61)

Wie lässt sich das deutsche Volk jetzt am besten vor weiteren Coronainfektionen und COVID-19-Erkrankungen schützen? (Foto: IMAGO / Westend61)


Die möglichen Ampel-Koalitionäre haben an ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze gefeilt: Unter anderem geplant ist jetzt eine Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer, die Büroarbeiten verrichten. Ebenso soll künftig 3G am Arbeitsplatz gelten, wenn dort „physische Kontakte“ nicht ausgeschlossen werden können – ein entsprechender Nachweis muss mitgeführt werden, sonst sind Sanktionen möglich. Zudem fand heute die öffentliche Anhörung im Hauptausschuss des Bundestages statt. Die Meinungen der Experten zum Gesetzentwurf gehen auseinander – einig ist man sich jedoch, dass das Impfen der wichtigste Weg aus der vierten Welle ist.

Die Corona-Zahlen steigen dramatisch – dennoch halten SPD, Grüne und FDP daran fest, die epidemische Lage auslaufen zu lassen. Allerdings werden die Länder fast alle derzeit im Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Schutzmaßnahmen weiterhin ergreifen können. Die Absätze 1 bis 6 des § 28a IfSG sollen auch weiterhin angewendet werden können, soweit und solange die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID-19 in einem Bundesland besteht und dessen Parlament die Anwendbarkeit dieser Absätze im betreffenden Land feststellt. Gewisse Einschränkungen gibt es aber: Ausgangsbeschränkungen, die Untersagung von Sport, die Schließung von Schulen und die Schließung und Beschränkung gastronomischer Betriebe sowie sonstiger Gewerbe und des Einzel- und Großhandels sollen nicht mehr möglich sein. Kontaktbeschränkungen, die die möglichen Koalitionäre ebenfalls aus dem Instrumentenkasten streichen wollten, werden allerdings doch weiterhin geben können. Im Blick hat man dabei Ungeimpfte.

So will man regional unterschiedliches Infektionsgeschehen gezielt bekämpfen und zugleich die Verantwortung von der Exekutive zurück in die Parlamente verlagern. Nutzt ein Land die neue Öffnungsklausel und stellt fest, dass noch immer eine Gefahr besteht, gilt auch hier die von der epidemischen Lage bekannte 3-Monatsfrist: Nach drei Monaten muss die Feststellung gegebenenfalls erneut erfolgen – sonst sind die besagten Vorschriften nicht mehr anwendbar. Zudem soll der Bundestag ermächtigt werden, bis zum 19. März 2022 durch einen Beschluss die Geltungsdauer der Vorschriften um maximal drei Monate zu verlängern.

Zu den neuen Plänen zählt überdies, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr künftig zusätzlich zur Maskenpflicht die 3G-Regel einziehen zu lassen.

3G am Arbeitsplatz

Wieder eingeführt werden soll die ausgelaufene Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer – jedenfalls soweit es um Bürotätigkeiten oder ähnliches geht. Was die 3G-Regel am Arbeitsplatz betrifft, so soll es in einem neu gestrickten § 28b IfSG künftig heißen:


(1) Arbeitgeber und Beschäftigte dürfen Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten (…), wenn sie geimpfte Personen, genesene Personen oder getestete Personen (…) sind und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mit sich führen. (…)“

Änderungsantrag zu § 28a Abs. 1 IfSG in der Fassung


Laut SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bedeutet dies auch, dass Arbeitgeber den Impfstatus ihrer Beschäftigten abfragen dürfen. Vorgesehen ist zudem: Wer entgegen dieser Vorgaben eine Arbeitsstätte betritt, begeht eine Ordnungswidrigkeit.

Strafbarkeit auch bei falschen Genesenen- und Testzertfikaten

Zudem sollen nach einem Änderungsantrag auch Test- und Genesenenzertifikate unter strafrechtlichen Schutz gestellt werden. Vorgesehen sind in diesem Zusammenhang unverzügliche Dokumentationspflichten bei Genesenen- und Testnachweisen (§ 22 IfSG). So muss zum Beispiel die Testdokumentation künftig das Datum der Testung, Name und Geburtsdatum der getesteten Person und Informationen zur Art der Testung enthalten. Auch die zugehörige Strafvorschrift im Infektionsschutzgesetz wird nachjustiert: Klargestellt wird nicht nur, dass der Verstoß gegen die Dokumentationspflichten strafbewehrt ist, sofern er wissentlich und zur Täuschung im Rechtsverkehr erfolgte. Es soll nun auch strafbar sein, wenn eine hierzu nicht berechtigte Person eine Testung dokumentiert; ebenso das wissentliche Gebrauchen einer entsprechenden Dokumentation mit zwecks Täuschung im Rechtsverkehr.

Anhörung: Offenbarungsbefugnis für Apotheker?

Bei der Anhörung heute im Hauptausschuss des Bundestags gab es Zuspruch, wie auch Kritik. Die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann erklärte: „Das, was derzeit geplant ist, nur 2G, 3G im öffentlichen Bereich, das wird nicht reichen, um die Fallzahlen runterzubringen.“ Denn die meisten Kontakte spielten sich im Privaten ab, und durch Schulen und Arbeitsplatz gebe es viele Verbindungen zwischen Geimpften und Ungeimpften. „Impfen und Boostern sind der Weg aus der Pandemie“, betonte Priesemann. Alles andere diene nur der Überbrückung. Auch der Virologe Christian Drosten sagte, in der aktuellen „Hochinzidenz-Zeit“ verhindere man mit 3G in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht, dass Geimpfte, die unerkannt infiziert seien, Menschen ohne Impfung ansteckten. In stabilen Sozialgruppen, etwa am Arbeitsplatz, könne die 3G-Regel jedoch noch etwas ausrichten.

Änderungen im Strafgesetzbuch

Zur Sprache kamen auch die geplanten Änderungen im Strafgesetzbuch, mit der Strafbarkeitslücken im Bereich der Impfpassfälschung geschlossen werden sollen. Die Unionsfraktion hat hierzu einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt wird, der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war. Der Strafrechtsprofessor Dr. Jörg Eisele von der Universität Tübingen, kritisierte, dass SPD, Grüne und FDP – anders als die Union – keine Strafverschärfungen und keine Versuchsstrafbarkeit vorsehen. Die Ampelkoalitionäre in spe wollen in den Regelungen rund um gefälschte Gesundheitszeugnisse (§§ 277- 279 StGB) nur klarstellen, dass diese nicht nur an die Vorlage bei Behörden und Versicherungen anknüpfen. Strafbar soll es generell sein, wenn sie zur Täuschung im Rechtsverkehr unrichtig oder unbefugt ausgestellt und gebraucht werden. Wolle man es dabei belassen, müsse man zumindest mit einer Subsidiaritätsklausel sicherstellen, dass sie die Vorschriften für die allgemeinen Urkundendelikte (die mit höheren Strafen bedroht sind) nicht sperren. Die regte auch Professor Dr. Frank Zieschang, Universität Würzburg, an. Er ist zudem der Meinung, dass digitale Gesundheitsbescheinigungen keine Gesundheitszeugnisse im Sinne der Strafnormen darstellen. Diese müssten ausdrücklich genannt werden, sollen sie mit erfasst sein.

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Eisele begrüßte, dass schon die Eintragung unrichtiger Impfdokumentationen in Blankett-Impfausweise unter Strafe gestellt werden soll. Kritisch sieht er aber, dass dies strenger bestraft werden soll als das unbefugte Ausstellen oder der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Er sprach auch die „Strafbarkeitsfalle“ für Apotheken an: Unter anderem für sie stellt sich die Frage, ob sie ihre Schweigepflicht (§ 203 StGB) verletzen, wenn sie den Behörden von einer mutmaßlichen Fälschung berichten. Ob sie in einem rechtfertigenden Notstand handeln, sei für sie schwer abschätzbar. Daher schlägt Eisele vor, entsprechend den Regelungen in § 6 ff. IfSG (Meldepflicht bei bestimmten Krankheiten) bei einem Fälschungsverdacht eine besondere Offenbarungsbefugnis aufzunehmen.

Nun wird der Ausschuss nochmals über das Gesetzespaket beraten – am Donnerstag soll es der Bundestag verabschieden. Am Freitag soll dann der Bundesrat über die Zustimmung entscheiden.



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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