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Strafbarkeitslücke bei Impfspassfälschungen?
Justizministerium prüft Anpassungsbedarf im Strafrecht
Ist es wirklich nicht strafbar, wenn jemand versucht, mit einem gefälschten Impfausweis in der Apotheke ein digitales COVID-19-Impfzertifikat zu erhalten? Die 3. Strafkammer des Landgerichts Osnabrück sieht hier eine Strafbarkeitslücke. Auch in der juristischen Literatur wurde auf eine solche schon hingewiesen. Doch bekanntermaßen gibt es im Recht häufig nicht nur die eine Auffassung. Darauf weist auch das Bundesjustizministerium in einer Anfrage der DAZ hin. Es prüft aber zugleich, ob eine strafgesetzliche Anpassung nötig ist.
Klar ist: Apotheker:innen und Apothekenangestellte, die digitale COVID-19-Zertifikate wissentlich unrichtig ausstellen, machen sich strafbar. Auch Ärzten, Ärztinnen und sonstigen Personen, die nach dem Infektionsschutzgesetz zur Dokumentation von Impfungen und der Ausstellung von Zertifikaten berechtigt sind, droht Strafe, wenn sie Impfungen falsch bescheinigen. Aber was ist mit jenen, die ein gefälschtes Impfbuch vorlegen, um ein solches Zertifikat zu erhalten – und die Fälschung möglicherweise selbst vorgenommen haben? Wer derzeit in Polizeimeldungen stöbert, liest meist, dass in solchen Fällen wegen Urkundenfälschung beziehungsweise Fälschung von Gesundheitszeugnissen ermittelt werde.
Die 3. Strafkammer des Landgerichts Osnabrück ließ am gestrigen Donnerstag per Pressemitteilung wissen, dass sie hier eine Strafbarkeitslücke sehe. Weder sei einer der neu ins Infektionsschutzgesetz eingefügten Straftatbestände erfüllt, noch die strafrechtlichen Normen rund um gefälschte Gesundheitszeugnisse verletzt. Der Knackpunkt bei den allgemeinen Regelungen im Strafgesetzbuch: Damit der Gebrauch eines gefälschten Gesundheitszeugnisses strafbar ist, muss dieses – mit Täuschungsvorsatz – einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorgelegt werden. Doch eine Apotheke ist keine Behörde, so die Osnabrücker Strafkammer. Ein Urteil hat sie nicht gefällt – ihre rechtliche Einordnung fiel im Rahmen eines Antrags auf gerichtliche Bestätigung einer Beschlagnahme eines mutmaßlich gefälschten Impfausweises.
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Bedeutet dies nun, dass sich Apotheken gar keine Gedanken mehr machen müssen, ob sie bei der Vorlage einer verdächtig unecht aussehenden Impfdokumentation die Polizei einschalten dürfen? Weil der betreffende Kunde ohnehin gegen keine Strafvorschrift verstößt? Oder handelt es sich hier einmal wieder um einen Fall von „zwei Juristen, drei Meinungen“? Und: War das wirklich so vom Gesetzgeber beabsichtigt?
Wir haben bei den Bundesministerien für Gesundheit (BMG) sowie für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) nachgefragt, wie man dort die Einschätzung aus Osnabrück sieht. Antwort kam von einer Sprecherin des Justizministeriums. Sie verweist zunächst darauf, dass die Strafverfolgung grundsätzlich in die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden und der unabhängigen Gerichte der Länder falle. „Die Anwendung des geltenden Rechts auf individuelle Fälle obliegt daher den zuständigen Behörden und Gerichten und wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz grundsätzlich weder bewertet noch kommentiert.“
Höchstrichterliche Klärung steht aus
Trotzdem äußert sich die BMJV-Sprecherin auch grundsätzlich: „Wer Impfzertifikate fälscht oder solche Fälschungen gebraucht, der bringt andere in gesundheitliche Gefahr. Solche Handlungen sind daher nach dem geltenden Recht in verschiedenen Konstellationen unter Strafe gestellt. Das BMJV prüft darüber hinaus kontinuierlich, ob für weitere Konstellationen gesetzlicher Anpassungsbedarf besteht. Die Frage, ob das Gebrauchen falscher Gesundheitszeugnisse, wie etwa Impfzertifikate, auch gegenüber Privaten strafbar ist, wird bislang unterschiedlich beurteilt und ist höchstrichterlich nicht geklärt.“
Angesichts der gegenwärtigen Welle offensichtlicher Fälschungen könnte es in absehbarer Zeit wohl eine höchstrichterliche Entscheidung geben. Allerdings gilt gerade im Strafrecht ein Bestimmtheitsgebot und ein Analogieverbot. Ein Gesetz muss also so klar formuliert sein, dass seine Tragweite zu erkennen ist. Schließlich kann seine Verletzung erhebliche Folgen nach sich ziehen.
Derweil prüft das BMJV nach Angaben der Sprecherin bereits – auch unter Berücksichtigung der Osnabrück Entscheidung –, ob strafgesetzliche Anpassungen in diesem Bereich erforderlich sind.
Was die Strafvorschriften des Infektionsschutzgesetzes betrifft, verweist die Sprecherin auf das BMG – doch dieses hat sich bislang nicht geäußert. Es ist aber sicher nicht auszuschließen, dass sich in dem äußerst schnellen Gesetzgebungsverfahren zu dieser Änderung einmal wieder eine ungewollte Ungenauigkeit eingeschlichen hat.
2 Kommentare
Änderungen an Impfausweisen
von Dieter Kaiser am 07.11.2021 um 9:29 Uhr
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Impfausweise
von Scarabäus am 01.11.2021 um 10:16 Uhr
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