Ampel-Koalition

Kommt jetzt die Legalisierung von Cannabis?

Berlin - 14.10.2021, 12:15 Uhr

Schon jetzt soll es wegen Cannabis-Konsums immer wieder zu Unfällen im Straßenverkehr kommen, mit unschuldigen Verletzten. (x / Foto: 5r6t7z8u / AdobeStock)

Schon jetzt soll es wegen Cannabis-Konsums immer wieder zu Unfällen im Straßenverkehr kommen, mit unschuldigen Verletzten. (x / Foto: 5r6t7z8u / AdobeStock)


Bei den Sondierungen für eine mögliche Ampel-Koalition mag es vor allem bei Fragen der Finanzen – zwischen der FDP auf der einen und der SPD und den Grünen auf der anderen Seite – noch einige nicht unerhebliche Differenzen geben. Doch in einem Punkt sind sich alle einig: Sie wollen die Legalisierung von Cannabis vorantreiben. Aber es kommt Gegenwind von Suchtexperten und Polizeigewerkschaften. 

Den Stein ins Rollen brachte am gestrigen Mittwoch Karl Lauterbach. Der SPD-Gesundheitsexperte, der sich derzeit zum wiederholten Male Hoffnungen auf das Amt des Bundesgesundheitsministers macht, sprach sich im Interview mit der „Rheinischen Post“ dafür aus, eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu erlauben. Dabei betonte er, dass er jahrelang eine Legalisierung abgelehnt habe. „Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss“, so Lauterbach weiter. „Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßencannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben.“ Dieses Phänomen sei neu und verändere die Lage. „Ich bin deswegen dafür, dass wir in einem möglichen Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP einen Passus zur legalen und kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene formulieren.“

FDP und Grüne wollen Abgabe in lizenzierten Geschäften

Damit rennt Lauterbach bei den potenziellen Koalitionspartnern offene Türen ein. So plädiert der FDP-Nachwuchs ebenfalls in der „Rheinischen Post“ für eine noch weitergehende Reform. „Statt den kleinsten gemeinsamen Nenner braucht es nun große Reformen, die weit über die Legalisierung von Cannabis hinausgehen“, äußerte der Chef der Jungen Liberalen, Jens Teutrine. „Die Prohibition, Kriminalisierung und Stigmatisierung von Cannabis ist gescheitert.“ Nur eine vollständige Legalisierung würde notwendige Qualitätsstandards und Jugendschutz sicherstellen. 

Nicht ganz so weit geht die „Mutterpartei“ FDP in ihrem Wahlprogramm: Dort fordert sie eine kontrollierte Freigabe von Cannabis; Besitz und Konsum sollen volljährigen Personen erlaubt werden, der Verkauf soll in lizenzierten Geschäften erfolgen. Ganz ähnlich sind die Vorstellungen der Grünen: Sie wollen laut ihrem Wahlprogramm „mit einem Cannabiskontrollgesetz auf der Grundlage eines strikten Jugend- und Verbraucherschutzes einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen und klare Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr einführen“. 

Lauterbachs eigene Partei ist dagegen zurückhaltender. Die SPD möchte die regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene erst in Modellprojekten von Ländern und Kommunen erproben, „begleitet durch Maßnahmen der Prävention, Beratung und Behandlung im Jugendbereich“, heißt es im Wahlprogramm. Zudem soll bundeseinheitlich geregelt werden, dass der Besitz kleiner Mengen von Cannabis strafrechtlich nicht mehr verfolgt wird. 

Kühnert: Erwachsene sollen Cannabis in Apotheken erwerben 

Doch der Ex-Jusovorsitzende und stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert möchte gleich Nägel mit Köpfen machen. Im Podcast „In Your Face“ vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sprach er sich für eine regulierte Legalisierung aus. Danach soll Cannabis in Apotheken ausschließlich an Erwachsene abgegeben werden. Damit verbindet er die Hoffnung, dass Minderjährige nicht mehr so leicht an Cannabis kommen. „Wenn alle berechtigten Erwachsenen zum Beispiel in Apotheken ihr Cannabis erwerben, hätte man den Schwarzmarkt für ganz große Teile der Bevölkerung zugemacht“, so Kühnert. Zudem würden unerwünschte Nebenwirkungen, die durch das Strecken von Stoff entstehen können, ausgeschlossen: „Denn in Apotheken wird ja nicht irgendwas verkloppt, was mein Kumpel Martin zu Hause auf dem Balkon gezüchtet hat.“

Kinder- und Jugendpsychiater warnen vor verminderter Intelligenz

Aber es sind bei Weitem nicht alle glücklich über die wohl bevorstehende Legalisierung von Cannabis. So verweist der  Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur darauf, dass regelmäßiger Cannabis-Konsum gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gefährlich sei. Eine kürzlich vorgelegte Studie habe gezeigt, dass die Gehirnentwicklung unter dem Einfluss des Cannabis-Wirkstoffs THC Schaden nehme. Als Folgen nennt Thomasius verminderte Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Zudem erhöhe sich auch die Gefahr, an einer Psychose zu erkranken, um den Faktor 3,2, bei starkem Konsum von Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als 10 Prozent sogar um den Faktor 4,8, wie eine 2019 im Fachjournal „The Lancet Psychiatry“ veröffentlichte Studie gezeigt habe. 

Gewerkschaft der Polizei: Probleme mit Bekifften im Straßenverkehr

Auch die Polizeigewerkschaften warnen mit Nachdruck die Unterhändler der Ampel-Koalition vor einer Legalisierung von Cannabis. So sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Oliver Malchow der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ), es mache keinen Sinn, neben dem legalen, aber gefährlichen Alkohol „die Tür für eine weitere gefährliche und oft verharmloste Droge zu öffnen“. Es müsse endlich Schluss damit sein, „den Joint schönzureden“. Gerade bei Jugendlichen könne der Konsum von Cannabis zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen, so Malchow. Zudem würde eine Legalisierung dieser Droge den Schwarzmarkthandel nicht beseitigen. Und Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, befürchtet vorwiegend im Straßenverkehr fatale Folgen: „Wenn demnächst auch noch Bekiffte am Straßenverkehr teilnehmen, bekommen wir ein Problem.“ Schon jetzt komme es wegen Cannabis-Konsums immer wieder zu Unfällen mit unschuldigen Verletzten.



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Auswirkungen

von zomp am 15.10.2021 um 19:31 Uhr

Ein hartnäckiger Irrtum steht hinter manchen Äußerungen: Die Gesetzgebung würde sich auf die Prävalenz des Konsums auswirken. Dem ist nachweislich nicht so! Prinzipiell ist das Strafrecht nicht geeignet problematisches Konsumverhalten zu therapieren.

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Lauterbach

von Dr. Peter M. Schweikert-Wehner am 14.10.2021 um 16:58 Uhr

der Pharmazeut liebt es genauer: Was ist denn nun "neuartiges Heroin"?
Immer wieder schön, die arrogante Floskel: "Als Arzt..."

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zwei Herzen wohnen ach in meiner Brust....

von Thomas B am 14.10.2021 um 15:44 Uhr

Über pro und contra wurde hinreichend diskutiert, da erwarte ich wenig neues....
Ich selbst will es im Laden eher nicht haben und wäre froh, wenn der Kelch an uns vorübergeht. Vergleichbare Aussage beim Impfen: Lasst das den Ärzten. Die können das! Sicher!

Aber wenn schon legalisieren, dann bitteschön über Apotheken! Am besten ohne Kontrahierungszwang.
Ihr lieben Entscheidungsträger: Erinnert euch an die desaströsen Geschichten mit den Selbst-/Schnelltests und
den Testzentren und vergleicht das Ergebnis mit der Maskenaktion und/oder der Pille danach.......

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