Ein Jahr Hämophilieversorgung in Apotheken

Hämophilie-Arzneimittel auf Rezept – was ist zu beachten?

Stuttgart - 01.09.2021, 12:15 Uhr

Seit 1. September läuft die Versorgung von Hämophiliepatienten über die Apotheken. Worauf müssen Apotheker bei Hämophilierezepten achten? (s / Foto: ustas / AdobeStock)

Seit 1. September läuft die Versorgung von Hämophiliepatienten über die Apotheken. Worauf müssen Apotheker bei Hämophilierezepten achten? (s / Foto: ustas / AdobeStock)


Apotheken dürfen seit 1. September 2020 Rezepte über Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie beliefern. Dürfen oder müssen sie sogar? Was hat es mit der „Zusammenstellung“ bei Abgabe von Hämophiliepräparaten auf sich? Genügt eine reine N-Verordnung? Und muss auch der innovative Antikörper Emicizumab (Hemlibra) dokumentiert werden, obwohl er nicht dem Transfusionsgesetz unterliegt?

Seit 1. September 2020 versorgen Apotheken auch Hämophiliepatienten mit Arzneimitteln. Waren Patienten mit Hämophilie zuvor auf spezielle Hämophiliezentren angewiesen, erhalten sie seit letztem Herbst ihre benötigten Faktorpräparate oder den Antikörper Emicizumab (Hemlibra®) in der Apotheke. Nicht nur für Patienten hat sich folglich der Vertriebsweg geändert, auch die meisten Apotheken betreten mit den Hämophilie-Arzneimitteln Neuland. Damit alles korrekt klappt: Was müssen Apotheker bei der Versorgung von Hämophiliepatienten beachten? Was hat es mit „Zusammenstellung“ und Zuzahlung auf sich? Woran gilt es bei der Dokumentation zu denken? Und was muss auf´s Rezept, sodass keine kostspielige Retaxation droht?

Hämophilieversorgung – seit 1. September 2020 über die Apotheke

Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom August 2019 hat die Versorgung von Hämophiliepatienten verändert: Sie erhalten – nach einer einjährigen Übergangsfrist – seit 1. September 2020 ihre Arzneimittel über die Apotheke. Zuvor waren sie auf spezielle Hämophilizentren angewiesen, und Apotheken im Gegenzug von der Versorgung von Hämophiliepatienten ausgenommen. Stattdessen lieferten die Hersteller von Hämophiliepräparaten diese direkt an spezialisierte Zentren, und die Patienten erhielten ihre Arzneimittel sodann direkt vom Arzt. Mit Hemlibra® (Emicizumab) kam jedoch ein Antikörper auf den Markt, der diesem Direktvertrieb nicht unterstellt war. Um weiterhin einen einheitlichen Vertriebsweg zu garantieren, entschied man sich mit dem GSAV, dass Apotheken die Arzneimittelversorgung mit Hämophiliepräparaten fortan stemmen sollten. Allerdings halten Hämophiliezentren auch weiterhin ein Notfalldepot, um im Akutfall Patienten helfen zu können.

Das Besondere mit der Zuzahlung und der „Zusammenstellung“

Patienten mit Faktor VIII-Mangel (Hämophilie A; 80 Prozent der Hämophiliepatienten) erhalten im Rahmen einer Langzeitprophylaxe regelmäßig (individuell täglich bis wöchentlich) intravenös Faktor VIII-Gerinnungskonzentrate. Seit Februar 2018 vereinfacht Emicizumab in Hemlibra® (Roche) die Langzeitprophylaxe bei Hämophilie A-Patienten – durch seltene Applikationen (wöchentlich, in der Erhaltungstherapie zweiwöchentlich oder vierwöchentlich), subcutane Gaben und einer Wirksamkeit auch trotz bereits gebildeter Hemmkörper gegen Faktor VIII. Leidet der Patient an Faktor IX-Mangel (Hämophilie B) sind Faktor IX-Gerinnungskonzentrate mit längerer Halbwertszeit von zwei bis drei Wochen verfügbar. Die Gabe erfolgt intravenös.

Häufig sind Hämophilie-Arzneimittel allerdings lediglich in kleinen Packungsgrößen auf dem Markt – die Patienten müssten folglich teils horrende Zuzahlungen für ihre benötigte Dosis leisten, würde für diese Präparate dasselbe gelten wie für „normale“ Arzneimittel. Diesem Umstand wurde jedoch in § 3 der Packungsgrößenverordnung Rechnung getragen: Hämophilie-Arzneimittel dürfen demzufolge fiktiv „zusammengestellt“ werden, und die Abgabe mehrerer Packungen gilt als Einzelpackung – somit fällt auch nur einmal die Zuzahlung an.

Dafür wurden eigens Normgrößenbereiche definiert, für Hemlibra® gilt:

N1: 2 Stück – N2: 4 Stück – N3: 11 und 12 Stück

Wie werden Hemlibra und andere Hämophiliepräparate gestückelt?

Für Hemlibra® gelten andere Normbereiche als für Präparate mit Blutgerinnungsfaktoren.

  • Blutgerinnungsfaktoren:

N1: 1 Stück – N2: 5 bis 6 Stück – N3: 29 bis 30 Stück

  • Hemlibra (Emicizumab):

N1: 2 Stück – N2: 4 Stück – N3: 11 bis 12 Stück

(CAVE: Für Faktorpräparate gelten andere Normbereiche!)

Verordnet der Arzt folglich Hemlibra® einmal mit 12 Stück und zweimal mit 4 Stück, werden 12 Fläschchen zu N3 zusammengefasst und je vier zu je N2: Der Patient zahlt 3 x 10 Euro – statt 200 Euro (10 Euro pro Fläschchen bei 20 Stück).

Es dürfen nur gleiche Wirkstärken zusammengestellt werden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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