„Es sollte eine individuelle Entscheidung sein”

Das sagt ein französischer Apotheker zur Impfpflicht

Marseille - 30.07.2021, 16:45 Uhr

Für Frankreichs Apotheker soll bald ebenso wie für alle anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen eine COVID-19-Impfpflicht gelten. (Foto: IMAGO / IP3press) 

Für Frankreichs Apotheker soll bald ebenso wie für alle anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen eine COVID-19-Impfpflicht gelten. (Foto: IMAGO / IP3press) 


Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will für viele Berufe eine COVID-19-Impfpflicht einführen, auch für Beschäftigte in Apotheken. Ein französischer Apotheker erklärt gegenüber der DAZ, was er darüber denkt. 

Geht es nach Staatspräsident Emmanuel Macron, müssen sich bald sämtliche Beschäftigte im medizinischen Sektor in Frankreich gegen das Coronavirus impfen lassen. Ob die Impfpflicht auch für Apotheker gelten soll, war zunächst nicht klar. Die größte Apotheker-Gewerkschaft in Frankreich, die FSPF, hatte zunächst verkündet, dass Apotheken nicht betroffen seien. Eigentlich sollten nur solche Beschäftigten erfasst werden, die im direkten Kontakt mit Risikopersonen stehen. Drei Tage später teilte die FSPF dann mit, dass sich künftig auch Apothekeninhaber und ihre Angestellten gegen das Coronavirus impfen lassen müssen.

Der Grund dürfte sein, dass sämtliche Apotheken in Frankreich täglich nicht nur etliche Corona-Tests, sondern auch Impfungen durchführen. Die geplante Impfpflicht hat die Nachfrage dabei noch in die Höhe getrieben.

Apotheker-Gewerkschaft: Müssen Vorbild für Patienten sein

Tatsächlich hatte die Apotheken-Gewerkschaft ihren Mitgliedern die Impfung zuvor bereits empfohlen und sogar die Einführung der Impfpflicht gefordert: „Für die FSPF geht es darum, ein gutes Vorbild für unsere Patienten zu sein und zu verhindern, dass die besonders vulnerablen unter ihnen, mit denen wir regelmäßig in Kontakt sind, sich infizieren”, heißt es in ihrer Begründung.

Während Angestellte aus dem Pflegesektor an einigen Orten streiken und auf den großen Demonstrationen gegen die Impfpflicht sichtbar sind, gab es von Apothekerseite bisher keinen deutlichen Widerstand. Das dürfte schon daran liegen, dass sich ein Großteil der dort Tätigen ohnehin bereits hat impfen lassen.

Guillaume Grecias, Inhaber der Pharmacie Sakakini in Marseille, schätzt, dass über 90 Prozent seiner Kollegen und deren Personal immunisiert sind – genau wie er selbst und alle seine Angestellten. Es scheint somit mehr Geimpfte unter den Apothekern zu geben als unter dem Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen, von denen nach Angaben des französischen Gesundheitsministeriums bis Anfang Juli etwa 55 Prozent geimpft waren.

Ohne Impfung droht Suspendierung

In der Apotheke von Grecias werden täglich mehrere Dutzend Antigentests und Impfungen durchgeführt. Die Angestellten kommen dabei zwar etwas näher in Kontakt mit den Kunden, aber nur sehr kurz und sie tragen Schutzkleidung und Maske. Beides findet zudem draußen in einem Zelt vor der Apotheke statt, im Grunde besteht kein großes Infektionsrisiko. Grecias hat bei seinen Angestellten daher auch nie nach einer Impfung verlangt, sie haben sich freiwillig dafür entschieden. Falls das von Präsident Emanuel Macron geplante Gesetz die letzten verfassungsrechtlichen Hürden passiert, ist er jedoch ab dem 15. September verpflichtet, den Impfstatus seiner Angestellten und seinen eigenen offiziell nachzuweisen.

Ausnahmen für Genesene und aus medizinischen Gründen

Ungeimpfte dürfen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Apotheken arbeiten. Ausnahmen sollen nur für Genesene gelten und für Personen, die belegen können, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.

Angestellte, die wegen der Impfpflicht nicht mehr arbeiten dürfen, dürfen nicht entlassen werden, wie von Macron ursprünglich geplant. Sie können aber suspendiert werden, der Arbeitgeber ist dann nicht mehr verpflichtet, ihnen ihr Gehalt zu zahlen. Arbeitsrechtlich sind dabei noch einige Fragen noch offen. So ist nicht klar, ob die Angestellten vielleicht das Recht haben werden, auf einem Posten ohne Kundenkontakt eingesetzt zu werden. Und ob sie durch die Suspendierung nicht sogar schlechter als durch eine Kündigung gestellt werden könnten, da sie während dieser keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten.

Unklarheit besteht auch für die Apothekeninhaber: Wenn sich ein Angestellter doch noch impfen lässt oder eine Infektion durchmacht, hätte er das Anrecht darauf, in den Job zurückzukehren. Somit ist für den Arbeitgeber nicht klar, ob oder wann jemand seine Beschäftigung wieder aufnehmen kann.

Ungeimpfte Inhaber

All das werde in jedem Fall zu Problemen führen, sagt Grecias. Die Frage ist auch, was dem Inhaber einer Apotheke droht, der sich selbst nicht impfen lassen möchte. Theoretisch dürfte er dann seine Arbeit nicht mehr ausüben. Dass eine Apotheke in diesem Fall geschlossen wird, kann sich Grecias aber nicht vorstellen.

Wie bewertet er ganz persönlich das umstrittene Projekt der Regierung? Grecias äußert sich vorsichtig: Die Impfung von Erwachsenen halte er „insgesamt für eine gute Sache”. Auch wenn sie bei Jüngeren wohl eher dem Schutz der anderen diene. „Bei Kindern, hört es für mich allerdings auf”, sagt der Apotheker, die Nutzen-Risikoabwägung falle bei ihnen anders aus. Im Gegensatz zur deutschen STIKO, die die Impfung aus diesem Grund nur Minderjährigen mit Vorerkrankungen empfiehlt, empfehlen die zuständigen Stellen in Frankreich die Corona-Impfung auch für gesunde 12- bis 17-Jährige. Begründet wird das mit dem Schutz der Bevölkerung.

Kein Freund staatlichen Zwangs

Grecias Angestellte und viele andere in Apotheken Beschäftigte, die bald von der Impfpflicht betroffen sein könnten, sind ebenfalls noch sehr jung. „Aber sie sind immerhin volljährig”, sagt er. Ein Verfechter vom staatlichen Zwang ist er dann aber doch nicht: „Es sollte eine individuelle Entscheidung sein,” sagt Grecias.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Was ist denn das?

von Michael Mischer am 02.08.2021 um 8:41 Uhr

Mehr Boulevard war selten!

"Das sagt ein französischer Apotheker zur Impfpflicht"
Wohlgemerkt: EIN Apotheker - eine nicht repräsentative Einzelmeinung die ungefähr die gleiche Bedeutung hat wie jede andere. Und die Relevanz des sprichwörtlichen Sacks Reis.

"Guillaume Grecias, Inhaber der Pharmacie Sakakini in Marseille, schätzt, dass über 90 Prozent seiner Kollegen und deren Personal immunisiert sind"
Er schätzt also, weiß es also nicht. Um die Relevanz dieser Aussage abzuschätze, wüsste ich als Leser jetzt schon gerne: Auf welcher Basis schätzt er? Extrapoliert er seine Apotheke? Aus dem Stammtisch mit den Kollegen vor Ort? Einfach so, Pi mal Daumen?

Dieser Artikel versucht noch nicht einmal, Qualitätsjournalismus vorzutäuschen - ich hoffe, das ist ein Ausrutscher und nicht die Zukunft der DAZ!

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