Interview mit Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins

„E-Rezepte gehören in die Apotheke vor Ort“

Stuttgart - 18.05.2021, 17:50 Uhr

Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins. (Foto: ABDA)

Anke Rüdinger, Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins. (Foto: ABDA)


Wie die Gematik vor wenigen Wochen mitteilte, sollen in der Fokusregion Berlin/Brandenburg im dritten Quartal 2021 alle Akteure das E-Rezept auf Herz und Nieren prüfen, bevor es zum bundesweiten Rollout kommt. Aktuell läuft dort noch das Modellprojekt „Zukunftsregion digitale Gesundheit“. Wir haben uns mit der Vorsitzenden des Berliner Apotheker-Vereins (BAV) Anke Rüdinger unterhalten: Welche Erkenntnisse konnten durch das zu Ende gehende Modellprojekt gewonnen werden? Was darf man sich nun vom anstehenden Testlauf in der Fokusregion versprechen? 

DAZ.online: Frau Rüdinger, geben Sie uns doch bitte einen aktuellen Überblick über das laufende E-Rezept-Modellprojekt in Berlin/Brandenburg: Wie viele Apotheken sind involviert und welche? 

Rüdinger: Das Bundesgesundheitsministerium fördert das E-Rezept-Modellprojekt im Rahmen der Initiative „Zukunftsregion Digitale Gesundheit“ in Berlin und Brandenburg seit Herbst 2019. Momentan sind knapp 60 Apotheken und 25 Arztpraxen in das Projekt eingebunden, zum größten Teil aus Berlin, aber auch aus Brandenburg. Die beteiligten Apotheken befinden sich dabei überwiegend in der Nähe von teilnehmenden Arztpraxen. Wir hatten uns zunächst zum Ziel gesetzt, dass bis Ende Februar 2020 im Rahmen unseres Projektes mindestens 100 elektronische Verordnungen ausgestellt und eingelöst werden. Dieses Ziel haben wir erreicht. In Kooperation mit dem Apothekerverband Brandenburg sollte anschließend die Akzeptanz elektronischer Verordnungen im ländlichen Bereich und in der Heimversorgung untersucht werden. Darüber hinaus wurde vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie die E-Rezept-Lösung so weiterentwickelt, dass eine kontaktlose Arzneimittelversorgung von Patientinnen und Patienten möglich wurde.

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Welche Erkenntnisse haben Sie bisher gewinnen können? 

Die Herausforderung bestand vor allem darin, Ärztinnen und Ärzte für die Teilnahme an unserem Modellprojekt zu gewinnen. Dagegen hatten wir deutlich weniger Mühe, Apotheken und Patientinnen und Patienten in das Modellprojekt einzubinden. 

Wie wird das Modell von allen Beteiligten angenommen? 

Wir haben von allen Teilnehmern ein positives Feedback zum E-Rezept bekommen. Sowohl die teilnehmenden Patientinnen und Patienten als auch die Apothekerinnen und Apotheker betonten, dass die E-Rezept-Lösung Zeit spare. Für die teilnehmenden Apotheken war außerdem die Erhöhung der Arzneimittelsicherheit ein positiver Faktor. Die elektronische Datenübertragung führt zu einer deutlichen Vereinfachung der Prozesse in den Apotheken. Sie scannen den QR-Code und sofort ist die Verordnung in der Warenwirtschaft. Der Nutzen der E-Rezept-Lösung für die Ärztinnen und Ärzten besteht vor allem in einer erleichterten Kommunikation mit den Apotheken, der Verbesserung der Patientensicherheit und einem geringeren Dokumentationsaufwand. Dem gegenüber steht aber ein aufwändiges System der elektronischen Signatur für jede einzelne Verordnung. Zurzeit wird überprüft, ob und wie das Verfahren der elektronischen Signatur für die Ärztinnen und Ärzte erleichtert werden kann. 

Hat es Sie überrascht, dass die Gematik nun für eine finale Testphase des E-Rezepts die Fokusregion Berlin/Brandenburg ausgewählt hat? 

Nein, das hat mich nicht so sehr überrascht. Ich begrüße die Entscheidung der Gematik sehr, vor einem bundesweiten Roll-Out des E-Rezeptes den gesamten Prozess zunächst in einer Fokusregion zu testen. Es ist wichtig, dass vor einem so großen Schritt wie der Einführung des E-Rezepts der gesamte Prozess von der Verordnung bis zur Abrechnung bei der Krankenkasse zunächst erstmal auf Herz und Nieren geprüft wird. Die bisherigen Modellprojekte wurden ja ohne die Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) durchgeführt, die die Gematik ab dem 1. Juli 2021 bereitstellt. Außerdem war immer nur ein Teil der an dem Prozess Beteiligten in die Modellprojekte eingebunden. Jetzt wird vor dem bundesweiten Roll-Out im vierten Quartal überprüft, ob wirklich sämtliche Prozesse funktionieren. Das E-Rezept wird nur dann ein Erfolg, wenn alle Beteiligten davon überzeugt sind. 

So erfolgt die Auswahl der Apotheken

Die Gematik hat als Zielgröße 50 Ärzte und 120 Apotheken genannt. Wie werden Apotheken für das neue Modell ausgewählt? Kann mitmachen, wer möchte? 

Interessierte Apotheken können sich an den Berliner Apotheker-Verein oder den Apothekerverband Brandenburg wenden. Da am 1. Juli 2021 voraussichtlich nur wenige Praxisverwaltungssystem-Anbieter startklar sein werden, erfolgt die Auswahl der teilnehmenden Apotheken aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu den teilnehmenden Arztpraxen. Bei der Ansprache der Arztpraxen wird auf die Erfahrungen des Projektmanagements unseres Modellprojekts zurückgegriffen. 

Was halten Sie davon, dass auch Versandapotheken bzw. Arzneimittelversender beteiligt sein werden? 

Die Gematik geht davon aus, dass für eine Beteiligung an der Testphase entweder die Apotheke oder die Arztpraxis oder die Patientinnen und Patienten aus Berlin oder Brandenburg kommen müssen. Wenn die Patientinnen und Patienten eine elektronische Verordnung an eine Versandapotheke schicken möchten, dann soll dies nach Ansicht der Gematik möglich sein. Aber warum sollten sie das tatsächlich tun? Ich bin überzeugt, dass in der Testphase die Patientinnen und Patienten ihre E-Rezepte hauptsächlich in den teilnehmenden Apotheken vor Ort einlösen werden. Nochmal: Es ist im Sinne aller Beteiligter, dass das E-Rezept zunächst in einer Fokusregion startet. Zu viele Fragen sind noch nicht oder nicht abschließend geklärt. Der Prozess der Arzneimittelversorgung endet ja nicht bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Auch die Abrechnungsprozesse müssen funktionieren. 

Erkennen Patienten die Vorteile des E-Rezepts? 

Das ist sehr verschieden. Manche, vor allem ältere Patienten befürchten, dass sie zukünftig keine Medikamente mehr bekommen können, wenn sie kein Smartphone haben, oder dass sie mit den E-Rezepten einfach nicht zurechtkommen. Darin sehe ich derzeit eine ganz wichtige Aufgabe für uns Apotheken vor Ort: Wir müssen den Menschen, unseren Kundinnen und Kunden klar machen, dass auch die E-Rezepte in die Apotheke vor Ort gehören und dass wir das schneller und besser können als ausländische Versender. Zum anderen müssen wir unseren älteren Kundinnen und Kunden, aber auch manchen Kolleginnen und Kollegen die Angst vor dem E-Rezept nehmen. Und noch etwas ist wichtig: Spätestens jetzt sollten sich alle Apotheken zeitnah an die TI anbinden lassen. Eine Apotheke, die nicht an die TI angeschlossen ist, kann kein E-Rezept empfangen und versorgen. 

Hinweis: Das vollständige Interview lesen Sie am kommenden Donnerstag in der DAZ-Printausgabe.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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