Kabinett beschließt Verordnung zu Biozid-Produkten

Das Mückenspray darf in der Freiwahl bleiben

Traunstein - 12.05.2021, 12:15 Uhr

Künftig unterliegen bestimmte Biozidprodukte einem Selbstbedienungsverbot und dürfen nur nach Beratung durch Fachpersonal abgegeben werden. (b/Foto: TMAX / AdobeStock)

Künftig unterliegen bestimmte Biozidprodukte einem Selbstbedienungsverbot und dürfen nur nach Beratung durch Fachpersonal abgegeben werden. (b/Foto: TMAX / AdobeStock)


Am heutigen Mittwoch hat das Bundeskabinett die Verordnung zur Neuordnung nationaler untergesetzlicher Vorschriften für Biozid-Produkte beschlossen. Sie regelt unter anderem, dass bestimmte Biozidprodukte künftig einem Selbstbedienungsverbot unterliegen und nur nach Beratung durch Fachpersonal abgegeben werden dürfen. Für die Apotheken ändert sich zunächst nicht viel: Die neuen Regelungen dazu, was in Selbstbedienung abgegeben werden darf und welche Anforderungen an die Sachkunde dabei gelten, treten erst am 1. Januar 2025 in Kraft. Zudem unterliegen, anders als ursprünglich geplant, Mückensprays und ähnliche Produkte auch zukünftig nicht dem Selbstbedienungsverbot und dürfen weiter in der Freiwahl angeboten werden. 

Die Verordnung zur Neuordnung nationaler untergesetzlicher Vorschriften für Biozid-Produkte (Biozidrechts-Durchführungsverordnung – ChemBiozidDV) hat das Ziel, dass – so heißt es in der Einleitung – „die praktische Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 in Deutschland durch flankierende Regelungen verbessert wird“. Letztere enthält Vorschriften insbesondere zur Zulassung und Kennzeichnung von Biozid-Produkten, aber keine konkreten Vorgaben zu deren Verwendung. Die am heutigen Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedete ChemBiozidDV enthält dagegen umfangreiche Vorschriften für die Hersteller von Bioziden, aber auch für alle diejenigen, die entsprechende Produkte abgeben – so auch die Apotheken.

Anforderungen an Sachkunde müssen erfüllt werden

Ein wichtiger Punkt in der Verordnung ist, dass etliche Biozid-Produkte zukünftig nicht mehr in der Selbstbedienung abgegeben werden dürfen. Dazu gehören unter anderem „Rodentizide“  (Produkte zur Bekämpfung von Mäusen, Ratten und anderen Nagetieren durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung) und „Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden“ (Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden, zum Beispiel Insekten, Spinnentiere und Schalentiere, durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung). Darüber hinaus legt die Verordnung fest, dass diese Produkte nur von einer im Betrieb beschäftigten Person abgegeben werden dürfen, die bestimmte Anforderungen an die Sachkunde erfüllt. 

Stellungnahmen haben gewirkt

In einem Referentenentwurf vom August 2020 sollten von der Selbstbedienung auch noch ausgenommen werden: „Biozid-Produkte, die der Fernhaltung von Schadorganismen dienen aus der Produktart 19 ‚Repellentien und Lockmittel‘“. Damit hätten in den Apotheken unter anderem die Insektensprays aus der Freiwahl verschwinden müssen. Wenig erstaunlich, dass dieses Vorhaben auf keine Gegenliebe bei den entsprechenden Händlern stieß. So schrieb die ABDA in einer Stellungnahme vom vergangenen Oktober dazu: „Von dieser Regelung wären alle gängigen Mücken-und Zeckenschutzmittel betroffen. Der somit mit der Abgabe verbundene Aufwand steht unseres Erachtens in keinerlei Verhältnis zum Gefährdungspotential dieser Produkte (bzw. einer dadurch eventuell erreichten Verringerung desselben) für die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt.“

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) erklärte auf Nachfrage von DAZ.online, dass der betreffende Abschnitt „aufgrund der im Anhörungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen“ erheblich geändert worden sei. Der Kreis der Biozid-Produkte, die dem Selbstbedienungsverbot unterliegen, sei reduziert worden. „Dies betrifft insbesondere auch den auch für den Verkauf in Apotheken relevanten Bereich der Repellentien, die der Fernhaltung von Schadorganismen dienen, wie Mücken- und Zeckenschutzmittel zum Auftragen auf die Haut.“

Onlinehändler müssen Abgabegespräche führen

Auch eine weitere die Apotheken betreffende Vorschrift wurde gegenüber dem früheren Referentenentwurf geändert: die Anforderungen an die Abgabe im Online- und Versandhandel. Der Ministeriumssprecher äußert dazu: „Ferner ist eine bessere Angleichung der Abgabevorschriften für den Online- und Versandhandel an die für den stationären Handel vorgesehenen Regelungen (…) in dem Sinne vorgenommen worden, dass auch außerhalb des stationären Handels die Durchführung eines Abgabegesprächs mit einem Sachkundigen vorgeschrieben wird. Damit wurde der von Handelsunternehmen und Verbänden am Anhörungsentwurf breit geäußerten Kritik Rechnung getragen, dass der stationäre Handel gegenüber dem Online- und Versandhandel benachteiligt werde.“

Apothekenpersonal ist sachkundig, muss sich aber fortbilden

Bei der Frage der Sachkunde ging das BMU allerdings nicht auf die Kritik der ABDA ein. Diese hatte vorgeschlagen, dass das Apothekenpersonal von den vorgeschriebenen Fortbildungsmaßnahmen ausgenommen werden sollte oder nur deutlich reduzierte Fortbildungsmaßnahmen absolvieren müsste. Und so haben sich Sachkundeanforderungen an Apothekerinnen und Apotheker nicht verändert. Zwar ist die Qualifikation als Apothekerin und Apotheker unmittelbar als Sachkundenachweis anerkannt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 ChemVerbotsV). „Die Wertung, dass im weiteren Verlauf dann zusätzlich eine aktuelle Fortbildung nachgewiesen werden muss, findet sich – auch in Bezug auf die als sachkundig anerkannten Apothekenberufe –  bereits in der Chemikalien-Verbotsverordnung und erscheint im vorliegenden Zusammenhang sachgerecht und geboten“, so der Ministeriumssprecher. Immerhin wird die Anregung der ABDA aufgegriffen, die entsprechenden  Fortbildungsveranstaltungen auch online anzubieten.

Unmittelbar als sachkundig anerkannt sind demnach Apotheker, Apothekerassistenten, Pharmazieingenieure sowie PTA und Apothekenassistenten. Die Fortbildungsveranstaltung können entweder als halbtägige (gilt dann für drei Jahre) oder als ganztägige Veranstaltung (gilt dann für 6 Jahre) gewählt werden.

Bis diejenigen Paragrafen der Verordnung, die insbesondere die Apotheken betreffen, in Kraft treten, dauert es ohnehin noch einige Zeit. Sie sind erst ab dem 1. Januar 2025 anzuwenden. Bevor die Verordnung selbst in Kraft treten kann, muss sie auch noch der Bundesrat beschließen – laut Auskunft der BMU-Pressestelle voraussichtlich am 25. Juni 2021.



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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