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Corona-Impfen unter MS-Therapie: Das Timing muss stimmen

Stuttgart - 15.04.2021, 10:45 Uhr

Ein gutes Timing der Corona-Impfung in Abstimmung mit den MS-Arzneimitteln kann sinnvoll sein. (Foto: Jacob Lund / stock.adobe.com) 

Ein gutes Timing der Corona-Impfung in Abstimmung mit den MS-Arzneimitteln kann sinnvoll sein. (Foto: Jacob Lund / stock.adobe.com) 


Wirken die Impfstoffe überhaupt?

Daneben fürchten Patienten aber auch, dass ihre immunmodulierenden Arzneimittel die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe verringern und sie somit trotz Impfung nicht gut vor SARS-CoV-2 geschützt sind. Nach Einschätzung von Bar-Or sind die mRNA-Impfstoffe hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen mit MS-Arzneimitteln jedoch sicher. „Es handelt sich nicht um Lebendimpfstoffe und nicht um inaktivierte Impfstoffe. Es gibt kein Risiko in Bezug auf Wechselwirkungen mit krankheitsmodifizierenden MS-Arzneimitteln“, sagte er. Es könnte allerdings sein, dass die Arzneimittel die Impfantwort individuell verringern, es sei jedoch „unwahrscheinlich“, dass der virale Schutz des Impfstoffs dadurch aufgehoben wird.

Das Timing ist wichtig

Sinnvoll kann jedoch ein gutes Timing der Impfung sein. Laut Bar-Or hängt nämlich die Auswirkung eines MS-Arzneimittels auf die Impfwirksamkeit davon ab, wo das MS-Medikament ins Immunsystem eingreift und wann es seine Wirkung entfaltet.

Drei Monate nach und vier Wochen vor Ocrevus

Bei B-Zell-depletierenden Therapien, wie Ocrelizumab (Ocrevus®), empfiehlt Bar-Or eine COVID-19-Impfung mindestens zwölf Wochen nach der letzten Ocrevus®-Gabe und mindestens vier Wochen vor der nächsten Ocrevus®-Infusion (komplettes Impfschema abgeschlossen). Ocrelizumab erhalten MS-Patienten alle sechs Monate als intravenöse Infusion, sodass ihnen zwei Monate zwischen den Infusionen für Impfungen bleiben. Daten aus früheren Impfstoffuntersuchungen (Tetanus, Pneumokokken, Influenza) unter Ocrelizumab zeigten, dass Ocrevus® die „Immunantwort der Patienten auf den Impfstoff leicht abschwächte, jedoch nicht unter den für den Schutz erforderlichen Schwellenwert“, erklärte Bar-Or (siehe Infokasten).

Noch vor Ofatumumab-Zulassung impfen

Ocrelizumab richtet sich, wie auch das erst im Januar 2021 von der EMA zur Zulassung empfohlene und im März in der EU zugelassene Ofatumumab (Kesimpta®), gegen CD20+ B-Zellen. B-Zellen spielen aktuellen Erkenntnissen zufolge mit eine wichtige Rolle in der Pathogenese von MS. Anders als Ocrelizumab wird Ofatumumab (nach Aufdosierung) alle vier Wochen als subcutane Injektion verabreicht. Novartis rechnet im zweiten Quartal mit der Zulassung. Gut wäre folglich, wenn MS-Patienten, die fortan Ofatumumab erhalten sollen, bis vier Wochen vor Therapiebeginn vollständig gegen COVID-19 geimpft sind.

Daten zu Tetanus-, Pneumokokken- und Influenza-Impfungen unter Ocrelizumab

Roche untersuchte die Impfeffektivität verschiedener Impfstoffe – Tetanus, Pneumokokken, Influenza – unter Ocrelizumab vs. Placebo oder Interferon. Acht Wochen nach Tetanusimpfung hatten 23,9 Prozent der Ocrelizumab-Patienten eine positive Immunantwort entwickelt, ohne krankheitsmodifizierende Therapie oder Interferon waren es 54,4 Prozent. Erhielten MS-Patienten einen 23-valenten Pneumokokken-Impfstoff (Pneumovax 23), ließ sich bei 71,6 Prozent der Geimpften eine positive Immunantwort gegen mindestens fünf Pneumokokken-Serotypen feststellen, in der Kontrollgruppe war dies bei 100 Prozent der Geimpften der Fall. Eine Boosterimpfung mit einem 13-valenten Pneumokokkenimpfstoff (Prevenar 13) verbesserte die Immunantwort nicht. Bezogen auf Grippe hatten 20 bis 60 Prozent der Ocrelizumabpatienten schützende Antikörper gegen fünf Influenzastämme, vier Wochen nach Impfung waren es 55,6 bis 80 Prozent. In der Vergleichsgruppe verbesserte sich der Influenzaschutz von 16,7 bis 43,8 Prozent vor Impfung auf 75 bis 97 Prozent nach Impfung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Gilenya & m-rna Impfung

von Michael am 14.05.2021 um 19:28 Uhr

Bei der 1. umfassenden Studie gab es KEINE Empfehlung für M-rna Impfung unter Gilenya, weil keine Imunantwort ausgelöst wird und folglich keine Antikörper gebildet wurden. Somit hat man einen trügerisch "Schutz", der keiner ist...
(https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/17562864211012835)
Tja, da müssen wir halt noch warten und brav Maske & Abstand halten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Impfen unter Gilenya

von Diana am 10.05.2021 um 20:39 Uhr

Ich bin unschlüssig, was bei einer Corona-Schutzimpfung mit Biontech mit meinem Körper passiert und ob ich überhaupt Impfschutz aufbauen kann oder ob Gilenya das verhindert?
Wievielmal und in welchem Absrand muss ich geimpft werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Impfen unter Gilenya

von Ute Kahl am 11.05.2021 um 10:35 Uhr

Hallo Diana, ich bekomme eine andere Therapie,Ocrelizumsb/Ocrevus, habe mich aber schon so schnell wie möglich impfen lassen. Die Impfung habe ich sehr gut vertragen, in 4 Wochen überprüft mein Arzt die Antikörperbildung.
Ein schwerer COVID Verlauf wäre schlimmer...
LG Ute

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