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Von schlechten Vorzeichen und ungewissen Nachwirkungen
Folgen von COVID-19 für das Herz
Der Verlauf einer COVID-19-Erkrankung hängt stark von Begleiterkrankungen ab. Insbesondere Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems und Faktoren wie Diabetes und Adipositas spielen eine wichtige Rolle. Das Virus könnte das Herz aber auch längerfristig schädigen. Darüber ist allerdings noch nicht viel bekannt.
COVID-19 mit seinen akuten und Spätfolgen für das Herz war auch ein Thema bei der mehrtägigen virtuellen 87. Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung“ (DGK), die am Samstag zu Ende gegangen ist.
Mittlerweile sei sehr gut bekannt, dass der Verlauf von Patient:innen mit COVID-19 in erheblichem Umfang von Begleiterkrankungen abhängt, legte der Intensivmediziner Uwe Janssens, „Past Präsident“ der „Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ (DIVI), bei einer Pressekonferenz anlässlich der Tagung dar. Laut Janssens zählen hierzu insbesondere die „in der Kardiologie wohlbekannten Risikofaktoren“ wie
- arterielle Hypertonie,
- Diabetes mellitus,
- Adipositas,
- vorbestehende koronare Herzerkrankung und eine
- vorbestehende Herzinsuffizienz.
„Diese Vorerkrankungen haben eine signifikante Bedeutung für die Prognose der Patienten mit COVID-19 und nehmen einen unabhängigen Einfluss auf die Sterblichkeit“, so die Überzeugung des Intensivmediziners.
Aktivierung von Plaques und Mikrothrombosen
Die bei COVID-19 beobachtete ausgeprägte Entzündungsreaktion im gesamten Organismus könne bei Vorerkrankungen der Gefäße, besonders der Herzkranzgefäße vorhandene Plaques aktivieren, gab der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler als Begründung an. Dies führe zu Thrombosen und diese wiederum häufig zu einem Herzinfarkt.
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Auch lokale Durchblutungsstörungen würden beobachtet, die ein akutes Koronarsyndrom wie den Herzinfarkt weiter verschlimmern könnten. Außerdem beträfen systemische Entzündungsreaktionen häufig auch die kleinsten Gefäße, woraus sich Mikrothrombosen entwickeln könnten. In der Behandlung von COVID-19-Patient:innen spielt die Thomboseprophylaxe für Janssens deshalb eine wesentliche Rolle.
Virus im Herzgewebe nachgewiesen
Die ersten Anzeichen für eine Beteiligung des Herzens bei einer SARS-CoV-2 Infektion seien bereits zu Beginn der Pandemie festgestellt worden, berichtete Dirk Westermann vom UKE Hamburg. Bei vielen Patient:innen mit schwerem COVID-19 sei beispielsweise ein Anstieg des Troponins beobachtet worden. Westermann befasst sich wissenschaftlich mit der Frage, inwieweit das Virus im Herzgewebe selbst vorhanden ist und was dies für mögliche Spätfolgen bedeuten könnte. In einer Autopsiestudie, die schon seit einigen Monaten läuft, konnte sein Forschungsteam das Virus bei etwa 40 Prozent (16 von 39) der an COVID-19 verstorbenen Patient:innen im Herzgewebe nachweisen. Die Patient:innen verstarben laut Westermann schneller an COVID-19 als Patient:innen ohne kardiale Infektion, hatten aber keine Herzmuskelentzündung.
Hat die Erschöpfung mit kardialen Folgen zu tun?
„Trotz dieser Erkenntnisse gibt es derzeit immer noch mehr Lücken als Wissen über die Auswirkungen einer COVID-19-Erkrankung auf das Herz“, betont der Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. Beispielsweise lägen bisher keine Daten für überlebende Patient:innen vor, die darüber Aufschluss geben, ob das Herz bei schweren Verläufen auch besonders schwer betroffen ist oder ob es auch bei milden Verläufen einen langfristigen Einfluss von SARS-CoV-2 auf das Herz-Kreislauf-System gibt. Außerdem sei noch völlig unklar, ob sich die häufig beschriebenen Erschöpfungssymptome nach COVID-19 durch eine Herzerkrankung infolge der Infektion erklären lassen.
Der Kardiologe hat aber auch eine gute Nachricht: Bisher gebe es keine Daten, die belegen, dass Menschen nach einer SARS-CoV-2- Infektion eine Herzinsuffizienz entwickeln. Westermann rät Patient:innen nach überstandener COVID-19-Erkrankung dringend dazu, kardiale Symptome immer rasch mit der richtigen Diagnostik abklären zu lassen und kardiovaskuläre Begleiterkrankungen weiter optimal zu behandeln.
„Tsunami“ chronischer Erkrankungen befürchtet
Indessen warnt auch ein namhafter US-amerikanischer Kardiologe vor einem „Tsunami“ chronischer, vor allem kardiometabolischer Erkrankungen, infolge der SARS-CoV-2-Pandemie. In „Circulation“, der Flaggschiff-Zeitschrift der „American Heart Association“, fordert Robert M. Califf, ehemaliger Commissioner der FDA, rasche und umfassende Maßnahmen, um den dramatischen Anstieg aufzuhalten. Unter anderem empfiehlt der Herzspezialist die gründliche Echtzeit-Verfolgung von chronischen Erkrankungen, ähnlich den schnellen Daten-Dashboards, die für die fortlaufende Erfassung von COVID-19-Fällen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen implementiert wurden.
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Außerdem schlägt er eine neue Initiative namens „Operation Warp Evidence“ vor, die dem Vorbild der „Operation Warp Speed“ für die schnelle Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen in den USA folgen soll. Califf meint damit eine schnelle, priorisierte klinische Studieninfrastruktur, mit der die Risiken und Vorteile neuer Therapien im Vergleich zu bestehenden Therapien für chronische Erkrankungen gezielter bewertet werden sollen.
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