Sachsen

Apotheker-Eilantrag gegen Testpflicht bleibt erfolglos

Berlin - 08.04.2021, 17:55 Uhr

Nicht jeder ist vom Nutzen der Corona-Schnelltests überzeugt. (Foto: IMAGO / Pressedienst Nord)

Nicht jeder ist vom Nutzen der Corona-Schnelltests überzeugt. (Foto: IMAGO / Pressedienst Nord)


Eine bundesweite Testpflicht für Unternehmen gibt es nicht. In Sachsen schreibt jedoch die Corona-Schutz-Verordnung solche Selbsttests für Arbeitnehmer und Selbstständige mit Kundenkontakt vor. Dagegen ist ein sächsischer Apothekenleiter vor Gericht gezogen. Die Testpflicht schränke ihn unter anderem in seiner Berufsfreiheit ein, argumentierte er. Zudem zeigten die Schnelltests ohnehin meist falsche Ergebnisse. Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat den Eilantrag des Pharmazeuten, die fragliche Norm zunächst vorläufig außer Kraft zu setzen, allerdings weitgehend abgelehnt.

Im jüngsten Bund-Länder-Beschluss zur Corona-Pandemie, der vor allem wegen der zunächst geplanten, dann aber abgeblasenen Osterruhe Furore machte, wurden abermals die Unternehmen aufgefordert, ihren Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie zu leisten. Wo Homeoffice nicht möglich ist, sollen den in Präsenz Beschäftigten regelmäßig Testangebote gemacht werden. Und zwar mindestens  einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zweimal pro Woche – inklusive Bescheinigung. Man setzt zunächst auf Selbstverpflichtung.

Doch zum Beispiel in Berlin und auch in Sachsen hat man auf Landesebene Verordnungen erlassen, die Arbeitgeber:innen verpflichten, ihren am Arbeitsplatz präsenten Mitarbeiter:innen zweimal pro Woche einen kostenlosen Schnelltest anzubieten.

In der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung gab es bis vor kurzem folgende Regelung:

§ 3a Testpflicht

(1) Arbeitgeber sind ab dem 22. März 2021 verpflichtet, ihren Beschäftigten, die an ihrem Arbeitsplatz präsent sind, ein Angebot zur Durchführung eines kostenlosen Selbsttests mindestens einmal pro Woche zu unterbreiten.

(2) Alle Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt sind ab dem 15. März 2021 verpflichtet, einmal wöchentlich eine Testung auf das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Die Tests sind vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Testung muss die jeweils geltende Mindestanforderung des Robert Koch-Instituts erfüllen. Der Nachweis über die Testung ist für die Dauer von vier Wochen aufzubewahren.

(…)

Doch ein sächsischer Apothekeninhaber ging gegen diesen Passus vor – im Rahmen eines sogenannten Normenkontrollantrags. Er wollte ihn zunächst per Eilantrag außer Vollzug setzen lassen – bis die Sache in einem Hauptsacheverfahren geklärt ist.

In ihrem umfassenden, 43-seitigen Beschluss kommen die Richter:innen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts allerdings zu dem Ergebnis, dass sie dem Antrag nur im Hinblick auf einen Satz des einschlägigen Paragrafen, der jedoch nicht die Testpflicht als solche betrifft, stattgeben. Und so ist der Satz „Die Testung muss die jeweils geltende Mindestanforderung des Robert Koch-Instituts erfüllen“ mittlerweile aus der Verordnung gestrichen – die übrigen Bestimmungen haben hingegen Bestand.

Zu viel Aufwand, zu wenig Nutzen

Doch was genau bemängelte der Apotheker? Er sieht sich durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eingeschränkt. Er und seine Mitarbeiter:innen wollten solche „Verpflichtungen zu sog. kostenlosen Selbsttests, die vom Arbeitgeber zu bezahlen seien, nicht“, heißt es im Beschluss. Er sei von der Testpflicht auch persönlich betroffen. Bereits der übliche Aufwand für Corona-Maßnahmen sei – auch bezüglich der Kosten – enorm hoch. An der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bestünden schon deshalb gravierende Zweifel, weil die Schnelltests, „selbst wenn sie nur von fachkundigem Personal durchgeführt würden, meistens falsche Ergebnisse anzeigten“. Wenn überhaupt, sei eine Testung nur bei konkreten Symptomen sinnvoll, argumentierte der Pharmazeut. Die Verordnung zwinge den Antragsteller jedoch, sich und seine Mitarbeiter:innen auch ohne jeden Verdacht zu testen, also als Teil einer „landesweit angeordneten Massentestung“.

Die Regelung könne auch nicht auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 29 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützt werden, meint der Apotheker. Denn diese Normen würden nicht als Ermächtigungsgrundlage zitiert. Zudem seien weder er selbst noch einer seiner Mitarbeiter krankheits- oder ansteckungsverdächtig.

Übertreibt Sachsen?

Der Antragsteller setzt sich mit jedem Satz des Paragrafen der Landesverordnung auseinander und erklärt, warum er ihn nicht für haltbar hält. Unter anderem gibt es aus seiner Sicht mildere Mittel als eine Testpflicht für Beschäftigte und Selbstständige mit direktem Kundenkontakt: Und zwar die üblichen Schutzmaßnahmen (Maskenpflicht, Plexiglasscheiben, Hygienekonzepte, Desinfizieren der Hände, regelmäßiges Lüften etc.). Dass die meisten Länder keine vergleichbare Regelung hätten, sei ein deutliches Indiz, dass es der Freistaat Sachsen schlicht und einfach übertreibe. Auch deute nichts darauf hin, dass ausgerechnet in Apotheken trotz der dort gelebten umfangreichen Hygienekonzepte ein messbares, relevantes Ansteckungsrisiko bestehe.

OVG: Landesverordnungsgeber war ermächtigt

Doch der Freistaat, vertreten durch das Sächsische Sozialministerium, gegen das sich der Antrag wendet, hält dagegen. Und das weitgehend mit Erfolg. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht sieht den Landesverordnungsgeber „voraussichtlich“ durch die einschlägigen, in der Pandemie geschaffenen Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz ermächtigt, Testpflichten für Beschäftigte in Unternehmen anzuordnen. Dabei ist zu beachten: In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, müssen rasch die Interessen abgewogen werden – eine letztgültige rechtliche Bewertung ist eben nicht möglich, sondern ist dem sogenannten Hauptsacheverfahren vorbehalten – daher das Wort „voraussichtlich“. Das Gericht meint: Wird statt einer voraussetzungsunabhängigen Gewerbeausübung eine solche an eine Testpflicht gekoppelt, zählt dies zu den Beschränkungen im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG.

Die Richter:innen sind zudem der Überzeugung, dass die verfolgte Teststrategie nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst festzulegen ist – die Verordnung reiche also. Anderes folge auch nicht aus dem Risiko kurzzeitiger unberechtigter Quarantänemaßnahmen für durch Schnell- oder Selbsttests falsch-positiv Getestete.

Was die in der Sächsischen Verordnung genannte „Mindestanforderung des Robert Koch-Instituts“ betrifft, macht das Gericht allerdings deutlich, dass diese Regelung nicht erforderlich sei. Denn die Geltungsdauer der Verordnung sei nur auf einen kurzen Zeitraum von wenigen Wochen beschränkt und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Entwicklungen könnten daher vom Normgeber ohnehin auf praktikable Art und Weise zeitnah in einer nachfolgenden Verordnung berücksichtigt werden. Dazu komme, dass eine eindeutige und klar erkennbare Bewertung des RKI zu „Mindestanforderungen“ von Testungen in dessen Veröffentlichungen mit einer üblichen Internet-Recherche gar nicht auffindbar ist.

Der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Das Hauptsacheverfahren kann nun weiterlaufen – aber wann hier eine Entscheidung fallen wird, ist kaum absehbar.

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. März 2021, Az.: 3 B 83/21



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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