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Pharmazeutische Dienstleistungen
Krankenkassen fürchten „Apotheken-Hopping“
Die Bereitschaft ist da, an der Umsetzung wird noch gearbeitet: Ab 2022 sollen die Apotheken in Deutschland honorierte pharmazeutische Dienstleistungen erbringen. Aktuell verhandeln der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband über die konkreten Rahmenbedingungen. Das, was jetzt schon öffentlich kommuniziert wird, zeigt die Potenziale auf – gleichzeitig werden auch die Streitpunkte deutlich, beispielsweise bei der Frage, wer Dienstleistungen initiieren darf und wie die Durchführung kontrolliert wird.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband verhandeln derzeit über die Rahmenbedingungen der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Bis zum 30. Juni 2021 muss eine entsprechende Vereinbarung stehen. Perspektivisch sollen die Apotheken die jeweiligen Tätigkeiten dann ab Anfang 2022 für die Versicherten erbringen. Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) hatte die rechtliche Grundlage dafür geschaffen – nun geht es darum, Details und Feinheiten abzustimmen.
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Bei einer virtuellen Veranstaltung des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) am gestrigen Donnerstag referierte Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin für den Bereich Pharmazie, über die Sichtweise der Standesvertretung zu diesem Thema. Immerhin liegt es jetzt an den Spitzenorganisationen der Apothekerschaft, die Kassen von den jeweiligen Tätigkeiten zu überzeugen, sodass diese bereit sind, hierfür zu zahlen. Fest steht, dass die Apothekerinnen und Apotheker mit den pharmazeutischen Dienstleistungen einen deutlichen Mehrwert für die Patient:innen schaffen sollen. Was sich zunächst nach einer Plattitüde anhört, lässt sich in einen juristischen Kontext bringen: Pharmazeutische Dienstleistungen müssen über die Informations- und Beratungspflicht nach § 20 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) deutlich hinausgehen. Außerdem definiert der durch das VOASG neu geschaffene § 129 Abs. 5e im Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V), in welchen Situationen und für welche Zielgruppen die geplanten Maßnahmen konkret „zur Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneimitteltherapie“ beitragen sollen.
Apotheken sollen demnach mitwirken bei der
- Anwendung bestimmter Wirkstoffe, die nur in besonderen Therapiesituationen verordnet werden,
- Behandlung chronischer schwerwiegender Erkrankungen,
- Behandlung von Patient:innen mit Mehrfacherkrankungen und Mehrfachmedikation und
- Behandlung bestimmter Patientengruppen, die besondere Aufmerksamkeit und fachliche Unterstützung bei der Arzneimitteltherapie benötigen.
Die Apotheken sollen zur Vermeidung von Krankheiten und deren Verschlimmerung beitragen und auch die Patient:innen pharmazeutisch betreuen, die in Gebieten mit geringer Apothekendichte leben.
Jede Apotheke soll zumindest eine Dienstleistung anbieten können
Aus Sicht der ABDA existieren darüber hinaus aber noch weitere Anforderungen an die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Diese sollten nämlich am besten apothekenpflichtig sein, und nicht apothekerpflichtig – soll heißen, dass die Tätigkeiten vor allem an die Institution Apotheke gebunden sind und nicht von externen Anbietern erbracht werden können. Innerhalb der Apotheken sollen die Dienstleistungen (je nach Anforderung) aber dann durchaus auch von zum Beispiel PTA durchgeführt werden dürfen. Wichtig sei auch, so Eckert-Lill, dass alle Apotheken in Deutschland zumindest eine bis einzelne Dienstleistungen anbieten können. Als Beispiele für die konkrete Mitwirkung der Apothekerinnen und Apotheker nannte sie die Aktualisierung des (elektronischen) Bundesmedikationsplans, die Begleitung von Patient:innen in der ersten Phase neuer Medikation – auch durch Kontrollen von zum Beispiel Blutdruck und Blutzucker, sowie die Durchführung einer Medikationsanalyse Typ 2a. Weitere konkrete Dienstleistungen nannte sie erwartungsgemäß nicht. Es seien jede Menge Vorschläge von den Apothekerkammern und einzelnen Apotheker:innen eingereicht worden, die man jedoch auf ein überschaubares Maß eindampfen konnte.
Apotheken sollen Patientenbedarf selbst erkennen
Weiterhin besteht die Standesvertretung darauf, dass weder Ärzte noch die Krankenkassen die pharmazeutischen Dienstleistungen verordnen dürfen, sondern die Apothekerinnen und Apotheker selbst den Bedarf bei den Patient:innen erkennen und daraufhin die jeweilige Dienstleistung initiieren. Auch den Versicherten selbst traut man in dem Zusammenhang nicht zu, dass sie sich selbst mit einer Nachfrage an die Apotheken wenden. Leistungen der Daseinsvorsorge würden erfahrungsgemäß wenig bis gar nicht nachgefragt, so die ABDA-Geschäftsführerin.
GKV für ärztliche Verordnung
Dass diese Vorstellungen nicht unbedingt auf Gegenliebe bei den Krankenkassen stoßen, zeigte sich auch beim virtuellen Meeting des VdPP. Drei Vertreter des GKV-Spitzenverbands waren als Zuschauer eingewählt und meldeten sich bei der anschließenden Diskussionsrunde zu Wort. Völlig unklar sei es noch, so ein Verhandlungsbeteiligter vom Spitzenverband, wie man ein „Apotheken-Hopping“ der Patienten verhindern könnte. Offensichtlich sind die Krankenkassen nicht bereit, den Kreis derer, die Gesundheitsleistungen (und damit Kosten) auslösen dürfen, weiter auszudehnen. Pharmazeutische Dienstleistungen sollen vielmehr von Ärzten verordnet werden, und zwar dann, wenn die Kriterien erfüllt sind und ein tatsächlicher Bedarf besteht.
Auch über diese Frage hinaus ist die Erwartungshaltung im Kassenlager hoch: Man will aus der Apothekerschaft innovative Ideen für Dienstleistungen vorgelegt bekommen. Tätigkeiten, die die Apotheken schon heute erbringen, wie Blutdruck- und Blutzuckermessungen, stehen dementsprechend weniger hoch im Kurs. Deutlich wurde aus der Wortmeldung auch, dass die Krankenkassen die Leistungserbringung der Apotheken überprüfbar machen wollen. Neben der Frage, ob die Dienstleistung überhaupt angezeigt ist und in einer angemessenen Zeit erbracht wird, geht es dabei auch um die Aspekte Erfolgskontrolle und Zieleinhaltung.
Vorfreude bei Patientenverbänden
Einfach ist es für den DAV also keinesfalls bei den Verhandlungen mit den Vertretern der Krankenkassen. Über mentale Unterstützung können sich die Apotheker aber zum Teil aus dem Bereich der Patientenverbände freuen. Carola Sraier, Patientenberaterin und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen (BAGP), die ebenfalls Referentin beim VdPP-Meeting war, hält viel von den pharmazeutischen Dienstleistungen. Diese orientierten sich stets am Patientenwohl und steigerten die Arzneimittelkompetenz der Patientinnen und Patienten sowie die allgemeine Versorgungsqualität, so Sraier. Patient:innen und Angehörige bräuchten mehr als Beratung und Information, nämlich zielgruppenspezifische, verlässliche, qualitätsgesicherte Unterstützung durch die Apotheken vor Ort mit ihrem Engagement, unabhängige Beratung und Information zu Neben- und Wechselwirkungen sowie alternativen Therapieoptionen zu leisten.
Auf das vom Vertreter des GKV-Spitzenverbands vorgebrachte „Apotheken-Hopping“ entgegnete sie prompt: „Multimorbide, ältere Menschen im Pflegeheim werden sicher kein Interesse an ‚Apotheken-Hopping‘ haben, sondern daran, dass ihre Therapie und Lebensqualität optimiert werden.“
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