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Interview mit Landrat Roland Bernhard
„Die Apotheker-Lösung ist das Markenzeichen des Böblinger Modells“
Roland Bernhard ist ein begehrter Mann: Der Landrat von Böblingen in Baden-Württemberg kann sich derzeit vor Presseanfragen kaum retten. Er ist der Initiator des sogenannten Böblinger Modells, bei dem Apotheker Corona-Testzentren betreiben. Im Gespräch mit DAZ.online berichtet er, wie diese Kooperation zustande kam, welche Erfahrungen er aus der Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten mitnimmt und was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beachten sollte, damit seine Erweiterung der Nationalen Teststrategie bundesweit zum Erfolg werden kann.
DAZ.online: Herr Bernhard, das sogenannte Böblinger Modell sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Maßgeblich beteiligt ist auch ein Apotheker: Björn Schittenhelm war der erste, der in Ihrem Landkreis ein Corona-Schnelltestzentrum betrieben hat. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Bernhard: Ich hatte vorher bei der Pandemiebekämpfung vor allem mit Ärzten Kontakt und die Apotheker bis dahin gar nicht auf dem Schirm. Herr Schittenhelm hat mir sein Konzept für den Betrieb eines Testzentrums vorgestellt und ich war begeistert von der Idee eines so jungen, engagierten Apothekers. Wir haben noch ein paarmal darüber gesprochen und letztlich war sein Konzept so ausgereift, dass wir seitens des Gesundheitsamts eine Beauftragung ausgesprochen haben. Ich bin sehr dankbar für die Kooperation, denn ich war von Anfang an überzeugt davon, dass die Schnelltests eine wichtige Säule im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus sein würden. Es ist in der aktuellen Situation wichtig, solche Initiativen zu unterstützen – ob Arzt oder Apotheker, ist dabei erstmal egal. Mein Ziel war es, innerhalb kürzester Zeit wirklich massenhaft Tests anbieten zu können. Inzwischen ist diese Apotheker-Lösung sogar zum Markenzeichen des Böblinger Modells geworden. Das ist eine tolle Werbung für die Präsenzapotheken in Deutschland. Und auch den digitalen Ansatz, den Herr Schittenhelm gewählt hat, finde ich super.
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Die Initiative kam offenbar so gut an, dass inzwischen vier weitere Testzentren im Landkreis Böblingen eröffnet haben.
Ja, das stimmt. Auch diese Testzentren werden von Apothekern betrieben und geleitet. Mir war es allerdings wichtig, für geregelte Rahmenbedingungen zu sorgen: Es wäre sicher nicht sinnvoll, wenn die Testzentren in einen wirtschaftlichen Wettbewerb treten müssten. Deshalb haben wir den Landkreis so aufgeteilt, dass jedem Testzentrum Kommunen mit insgesamt ungefähr gleich vielen Einwohnern zugeordnet sind. Jedes Testzentrum ist so für etwa 80.000 Menschen zuständig. Zudem haben wir dafür gesorgt, dass im Fall eines positiven Tests Kooperationsvereinbarungen mit niedergelassenen Ärzten greifen und die Infizierten entsprechend direkt an eine Arztpraxis weitergeleitet werden. Gleichzeitig lassen wir unseren Apothekern ausreichend Beinfreiheit. So schreiben wir zum Beispiel nicht vor, welchen Test sie verwenden müssen, sondern nur, dass es ein hochwertiger Test sein muss.
Sie plädieren also dafür, die Leistungserbringer mit ihrer Aufgabe nicht allein zu lassen, sondern sie organisatorisch zu unterstützen?
Ja. Einer muss doch den Hut aufhaben und alles koordinieren. Das kann die Kommune sein oder eben wie bei uns der Landkreis. Einfach zu entscheiden, ab jetzt gibt es Gratis-Schnelltests in den Apotheken und Praxen, reicht nicht aus. Da braucht es einen Rahmen. Das muss nicht unserer sein, aber am Ende muss es gelingen, dass die Akteure zusammenspielen – Ärzte, Apotheker, Kommunen und Gesundheitsämter. Und dafür muss jemand die Verantwortung übernehmen.
Wie steht es um die Auslastung der Testzentren in Böblingen?
Der ganz große Run auf die Zentren ist bisher ausgeblieben. Dennoch können wir recht erkleckliche Zahlen melden: Inzwischen hat das Personal in den Testzentren bereits fast 9.000 Tests durchgeführt. Dabei muss man natürlich bedenken, dass die Zentren erst nach und nach eröffnet haben, das erste am 21. Dezember 2020 und das fünfte erst am 8. Februar 2021. Das ist auch der Tag, seit dem wir unseren Bürgern kostenlose Tests anbieten.
Wie viele der knapp 9.000 Tests waren positiv?
Wir haben 123 infizierte Personen rausgefischt. Das sind 123 unterbrochene Infektionsketten. Für mich ist das ein toller Erfolg, auch wenn die Zahl natürlich nicht riesig ist.
Nationale Teststrategie: Noch viele offene Fragen
Welche Menschen kommen nach Ihrer Erfahrung mit welcher Motivation in die Testzentren?
Das ist ganz unterschiedlich. Natürlich kommen diejenigen, die planen, ein Pflegeheim oder die Oma zu besuchen. Aber auch Unternehmen fragen nach. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo Begegnungen wieder nötig sind, nicht alles lässt sich im Homeoffice erledigen. Ich glaube, dass perspektivisch mit den Freiheitsgraden auch die Nachfrage bei Schnelltests steigen wird. Vermutlich wird die Teilnahme an bestimmten Events nur mit Vorliegen eines negativen Testergebnisses möglich sein. Wir können nicht warten, bis alle durchgeimpft sind, dann geht unsere Wirtschaft in die Knie. Deshalb sollten wir die Testmöglichkeiten nutzen, um schrittweise Lockerungen zu wagen.
Auch auf Bundesebene sollen Schnelltests jetzt an Bedeutung gewinnen. Wie stehen Sie zu deren Anwendung im privaten Bereich?
Für uns war das keine Option. Ich bin auch weiterhin dafür, die Tests von geschultem Personal durchführen zu lassen und nicht, dass sich jeder selbst zuhause testet. Da gehört schon eine offizielle Struktur dazu. Das gilt ganz besonders, wenn man daran bestimmte Freiheiten knüpft – etwa den Besuch von Veranstaltungen oder im Restaurant.
Haben Sie persönlich in den vergangenen Wochen und Monaten etwas über das Apothekenwesen gelernt?
Unwahrscheinlich viel! Das kommt auch durch die enge und sehr konstruktive Zusammenarbeit mit Herrn Schittenhelm. Ich kenne die Apothekenwelt kaum, vieles lasse ich mir von ihm erklären und bin sehr angetan von der Kompetenz, die der Berufsstand mitbringt. Umgekehrt bekommt er einen Einblick in die kommunalen Strukturen und erfährt zum Beispiel, wie schwer es ist, Geld zu beschaffen. Glücklicherweise hat er sich finanziell auf einen Deal eingelassen: Die 29 Euro, die die Selbstzahler zunächst zahlen mussten, konnte der Landkreis nicht bezahlen. Wir haben uns dann auf 18 Euro je Test geeinigt. Das entspricht auch genau dem Satz aus der Bundestestverordnung. Dafür profitiert er von einer höheren Auslastung seines Testzentrums, wenn der Landkreis seinen Einwohnern die Tests bezahlt.
Wackelt das Modell, wenn künftig alle Apotheken und Arztpraxen Corona-Schnelltests anbieten können und diese vom Staat finanziert werden?
Es steht zunächst einmal jeder Apotheke frei, ob sie Corona-Schnelltests anbieten möchte oder nicht. Das ist keine Zwangsbeglückung, jeder Betrieb kann diese Entscheidung für sich selbst treffen. Es wäre auch gut, wenn einige mitmachen würden, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wäre es allerdings fair, wenn diejenigen, die sich beteiligen möchten, uns zumindest darüber informieren, damit wir besser planen können und kein destruktiver Wettbewerb entsteht.
Was raten Sie Bundesgesundheitsminister Spahn: Worauf sollte er bei seiner Teststrategie achten?
Er muss zunächst einmal die Frage beantworten, wie er gewährleisten will, dass letztlich auch wirklich mehr Tests durchgeführt werden. Noch vermisse ich einen geordneten Rahmen, innerhalb dessen sich die nötigen Strukturen bilden können. Zudem bleibt zu klären, welchen Baustein genau die Selbsttests in der Strategie darstellen sollen. Bisher gibt es keine Abgrenzung zu professionell durchgeführten Tests. Soll ein negativer Selbsttest ein Freibrief sein etwa für die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen? Oder sind sie lediglich als Ergänzung zu professionellen Angeboten gedacht? Welchen Wirkungsgrad haben sie? Da sehe ich noch viele offene Fragen.
2 Kommentare
9 €
von Thomas am 22.02.2021 um 10:51 Uhr
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super
von Karl Friedrich Müller am 22.02.2021 um 9:40 Uhr
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