Ein Thinktank für den ABDA-Tanker?

Die ABDA im politischen Abseits

Stuttgart - 03.02.2021, 17:50 Uhr

Apotheker Ralf König vom Health Innovation Hub kritisiert die ABDA scharf. (Foto: Jan Pauls)

Apotheker Ralf König vom Health Innovation Hub kritisiert die ABDA scharf. (Foto: Jan Pauls)


Der Apothekenmarkt hat nicht erst seit der Coronakrise eine neue Dynamik erfahren. Die Weichen wurden von der Politik schon vorher gestellt – maßgeblich auch deshalb, weil die Blockadehaltung der ABDA inzwischen nicht mehr von Erfolg gekrönt ist. Beim 13. Kooperationsgipfel des BVDAK wurde darüber diskutiert, mit welchen Plänen die apothekerliche Standesvertretung dagegen eher offene Türen einrennen könnte.

Impfen gegen Grippe, Testen auf Corona, neue Services für die Patienten – Apothekeninhaber Ralf König, der auch als Director Pharmacy im Health Innovation Hub das Bundesgesundheitsministerium berät, hält 2020 für das Jahr der heilberuflichen Chancen für den Berufsstand. Doch seiner Meinung nach wurden von der Standesvertretung zu viele Möglichkeiten vertan. Aktiv gestaltet worden sei wenig. In der Diskussionsrunde beim digitalen 13. Kooperationsgipfel des BVDAK (Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen) machte er deutlich, dass es mehrere Male einen Elfer ohne Torwart gegeben habe, und die ABDA sei noch nicht mal in der Lage gewesen, den Ball zu berühren.

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Seine kritische Haltung äußerte er bereits im Interview mit DAZ.online vom Juli 2020. Wörtlich sagte er damals: „Wir müssen ehrlich anerkennen, dass wir bei der Steigerung der AMTS und der Adhärenz als Berufsstand die letzten Jahrzehnte versagt haben.“ Diese Feststellung hält er im Hinblick auf einen Neustart für notwendig.

In der Diskussionsrunde beim Kooperationsgipfel bekräftigte er diese Aussage und ergänzte, dass er bewusst niemanden von dieser Verantwortung ausschließen wolle. Königs Gesprächspartner waren Berlins Apothekerkammerpräsidentin Kerstin Kemmritz sowie Apotheker Stefan Hartmann, erster Vorsitzender des BVDAK. Moderiert wurde die Runde von DAZ-Herausgeber Benjamin Wessinger.

Berlin ist irritiert

König wies darauf hin, dass es in Berlin eine gewisse Irritation gebe hinsichtlich des Eindrucks von der Apothekerschaft. Einerseits träfen die Politiker bei ihren Reisen durchs Land auf sehr fortschrittliche und engagierte Apotheker:innen, andererseits stießen sie nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt auf die ausgeprägte Blockadehaltung der ABDA. Das hat laut König inzwischen zur Folge, dass nur noch wenige Politiker mit der ABDA kommunizieren. Fassungslos habe ihn beispielsweise gemacht, dass sich die Standesvertretung zum Thema Antigen-Tests so zögerlich geäußert hat. Erst unmittelbar vor Weihnachten sei es zu positiven Signalen in Richtung Politik und Apotheken gekommen. Hier hätte er sich mehr proaktives Vorangehen gewünscht.

Drei Tools, gegen die sich die ABDA gesträubt hat

Gastgeber Stefan Hartmann wies auf drei weitere konkrete Beispiele hin: So habe der Gesetzgeber im vergangenen Jahr die Impfmodellprojekte in Apotheken ermöglicht, den Botendienst liberalisiert sowie den Betrieb von Abholstationen erlaubt. „Das sind drei wertvolle Tools, gegen die sich die ABDA schon immer gewehrt hat“, so Hartmann. Das Angebot von Grippeimpfungen in der Apotheke verbessere das Angebot, die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich impfen zu lassen, und werte nicht zuletzt das Ansehen der Apotheker als Heilberuf auf. Mit dem liberalisierten und vor allem vergüteten Botendienst könne man eine patientengerechtere Versorgung gewährleisten und die Abholautomaten ermöglichten es den Apotheken, ihr Angebot und ihre Öffnungszeiten zu erweitern. Das sei gerade im Hinblick auf den Infektionsschutz in der Corona-Pandemie ein wichtiger Faktor.

Blockadehaltung: Schuld sind die standespolitischen Strukturen

Kerstin Kemmritz aus Berlin, die im vergangenen Jahr auch als Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer kandidiert hatte, konnte die Kritik nachvollziehen, doch wies gleichzeitig darauf hin, dass die gefühlte Blockadehaltung den standespolitischen Strukturen geschuldet seien. So habe die ABDA keine Basislegitimation, sondern baue vielmehr auf einer repräsentativen Demokratie auf. Das schließe aber nicht aus, auf Visionen und Expertise von der Basis zurückzugreifen: „Wir brauchen eine Art Thinktank für den ABDA-Tanker.“ Gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit und mit den immer weiter ausdifferenzierten Interessen im Berufsstand sei es wichtig, dass es regelmäßig zu einer Rückkopplung zwischen Spitze und Basis komme.

Keine Rücksicht auf das schwächste Glied

Der BVDAK-Vorsitzende Hartmann pflichtete seiner Berliner Kollegin bei: „Die Diskrepanz wird gefühlt immer größer.“ Er sieht es als den größten Nachteil, dass die ABDA nach wie vor versuche, immer auf einen kompletten Interessenausgleich zwischen allen Apotheken zu achten. Doch: „Beim Vorankommen darf man keine Rücksicht auf das schwächste Glied in der Kette nehmen.“ Zwar könne man versuchen, Dinge zu bewahren, aber das dürften tatsächlich nur die „wirklich guten“ sein. Das Motto „Wer wagt, gewinnt.“ ist aber für Kemmritz in diesem Zusammenhang offenbar nicht vorbehaltlos zu unterschreiben. Sie formuliert es eher so: „Wir müssen auch mal Visionen riskieren.“

Als Ausblick auf die nahe Zukunft wünscht sich König eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern. Hartmann betrachtet mit Sorge, dass es aktuell nur vier „Mini-Modellprojekte“ zur Grippeimpfung in den Apotheken gibt – er plädierte dafür, dieses Angebot zügig als Regelleistung zu etablieren. Kemmritz ergänzte, dass dies auch für Privatversicherte zu erweitern sei. Perspektivisch wünscht sich die Kammerpräsidentin eine wertschätzende Behandlung des Berufsstands von der Politik. Diese solle noch intensiver die Ideen und Bereitschaft der Apotheker:innen einbinden und einfordern. Hartmann hofft, dass es bei der Zukunftsgestaltung nicht mehr nur die ABDA geben wird. Vielmehr müsse es zu einem breiten Diskurs bei allen apothekenrelevanten Themen kommen.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

Sapere aude

von Reinhard Rodiger am 05.02.2021 um 0:35 Uhr

" „Beim Vorankommen darf man keine Rücksicht auf das schwächste Glied in der Kette nehmen.“

Das gilt nicht, wenn 60% als schwächstes Glied bezeichnet werden.Eine zweiseitige Politik, die nur 40% für wertig hält, öffnet dem Dystopiewillen das Tor. Der herrschenden Erpressungsstrategie durch unseriöse Retaxpraktiken, durch ministerielle Drohung, der willkürlichen Ertragsminderung,Pleiten von Finanztransferfirmen, der Vertrauensbrüche und der missbräuchlichen Nutzung leicht entzündlicher Lynchstimmung ist schwer konstruktiv zu entkommen.

Die Polarisierung ist klar.Kapitalgesteuerte Unternehmen suchen den Umsturz und werden gefördert.Größe ist allein entscheidend.Der Auftrag verlangt aber Diversität. Alle politischen Handlungen stützen den Abbau von Verteilten Kräften.Genau diese haben in der Krise bewiesen, dass sie wirksam sind.Die Politik muss die Frage beantworten, wie das bei der nächsten Pandemie aussehen soll, wenn diese 60% weg sind.Ja , Diversität kann teurer sein,ist aber lebenserhaltend.Durch die nicht digitalisierbaren Dinge.Sie wird minimiert und bestraft.

Eins müsste doch klar sein: Der Missbrauchspotenz der Krankenkassen, die niemandem angemessenen Gewinn gönnen, ist niemand auf Dauer gewachsen.Das gilt international.Die politische Erpressung - durch den Minister- lähmt .Denn,wenn wir nicht tun,was er will,dann hat er keine Zeit .Es ist wohlfeil, immer dann den Markt zu rufen, wenn es darum geht, Missstimmung zu feuern.Dass es um einen atypischen Markt geht, bleibt ausgeblendet.Neues ist nur machbar, wenn dies berücksichtigt wird.

Daraus ergibt sich als Kernpunkt der Vision für die Zukunft die Diversität als Lebensgrundlage ernst zu nehmen und die Erpressung und Vertrauensbrüche nicht mehr als Stilmittel gelten zu lassen.Die Politik muss verstehen, dass das Trockenlegen nicht hilfreich ist und Planungssicherheit unverzichtbar ist.Es wird eine Blüte geben wie im Frühjahr im Okawangodelta, wenn diese Arbeit wieder den Wert hat,den sie verdient. Entwertung von Kompetenz darf nicht der Treibstoff der Zukunft sein.Sie ist es, die die komplette Kommerzialisierung stört, weil sie kostet und das up-scaling hindert.

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Rückblick

von Hubert Kaps am 04.02.2021 um 11:01 Uhr

Wenn ich mich recht entsinne, haben sich alle maßgeblichen Strukturen intensiv dafür eingesetzt, dass wir ins Präventionsgesetz mit aufgenommen werden werden. Dies hätte schon vor Jahren Perspektiven eröffnet, Dienstleistungen gegen Honorar in der Apotheke anzubieten. Es wäre der Moment gewesen, endlich von der verengten , leidigen Honorardiskussion wegzukommen, um durch echte zusätzliche Standbeine zukunftsfähig zu werden.
Was soll man machen, wenn wir dann vom Gesetzgeber doch nicht mit berücksichtigt werden- gegen jede Vernunft.
Nur weil man uns unter keinen Umständen irgendwelche Zusatzverdienste von Seiten der Krankenkassen gönnen möchte. Alle die hier enttäuscht sind, kann ich sehr verstehen, ich bin es auch. Aber es gibt eben Player, die uns, so wie wir sind, nicht mögen.

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ABDA im Abseits

von Pille62 am 04.02.2021 um 10:46 Uhr

..mit Herrn König bin ich völlig einig, das die ABDA den Berufsstand in den letzten 30 Jahren nicht gut vertreten hat.
Meiner Meinung nach sind die Etablierung von Vorsorge Maßnahmen wie das Impfen der Grippe, das Angebot der Testung verschiedenster Krankheitsbilder enorm wichtig, neben der Lieferung von Arzneimitteln und der Beratung der Kunden.Ich erwarte aber auch, das diese neuen Aufgaben auch zum Profitcenter werden.
Für mich heißt das, es muss nicht nur kostendeckend sein, sondern auch einen echten und guten! Beitrag zum Betriebsergebnis bringen und das sage ich als Angestellter und nicht als Betriebsinhaber.
Diese Einsicht hierzu sehe ich weder bei der Politik und schon gar nicht bei den Krankenkassen.


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ABDA im Abseits

von Dietmar Bittenbinder am 04.02.2021 um 10:06 Uhr

Dass die ABDA im Abseits steht, müssen die deutschen Vor-Ort-Apotheken sich selbst auf´s Kerbholz schreiben.
Es ist schon immer "jut gegangen", also weiter so. Man kann nur hoffen, dass die neuen Kollegen*innen an der Spitze tatsächlich in letzter Minute das Steuer herumreißen können. Dabei kann niemand sagen, es hätte und gäbe keine Visionäre und wohlmeinende Stimmen. Zu spät wäre es nicht, wenn endlich die immerhin noch 18.000 inhabergeführten Apotheken von kompetenten, professionell unterstützten Mitarbeitern im Rahmen einer gut durchdachten Strategie agieren würden. Bereits auf dem Deutschen Apothekertag 2014 wurde mit großer Euphorie einstimmig das m. E. von Andreas Kiefer vorgelegte Perspektivpapier „Apotheke 2030“ begrüßt und einstimmig beschlossen. Heute, nach 7 Jahren wurde zwar viel Geld aufgebracht, aber selbstherrlich der falsche Weg eingeschlagen, dieses Ziel zu erreichen. Als ein inzwischen fast 80- jähriger, engagierter "Dorfapotheker" weiß ich, von was ich rede und befürchte, dass sich daran auch nicht viel ändern wird, ehe das Kind ganz im Brunnen liegt und die Standesführer samt deren Medienvertreter nicht bereit sind, von ihren hohen Rössern zu steigen, um in aller Bescheidenheit mit IHREM Volk ernsthaft und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Schade, wenn noch weitere 5 - 10.000 Apotheken schließen müssten, denn es sind zu vieledabei, die das nicht verdienen.

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ABDA im Abseits

von Gregor Huesmann am 03.02.2021 um 18:54 Uhr

In dem Bericht kommt eine entscheidender Forderung vor: "Beim Vorankommen darf man keine Rücksicht auf das schwächste Glied in der Kette nehmen." Das Schlimme: Ein Großteil - wenn nicht mengenmäßig der größte Teil der Basis gehört dazu. Keine Grippeimpfung, kein Coronatest, wer will das schon? Ich sehe schwarz!

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AW: ABDA im Abseits

von Karl Friedrich Müller am 04.02.2021 um 8:27 Uhr

na ja, die Kirche mal im Dorf lassen. So auf die Schnelle sind die Voraussetzungen für Impfungen oder Corona Tests nicht zu schaffen. Vor allem die räumlichen.
Apotheken haben bisher anders funktioniert und gerade die Standesvertretungen haben sehr darüber gewacht, dass niemand aus der Reihe tanzt. Und nun soll alles, nach Spahnscher Manier, von heute auf morgen umgesetzt werden.
Dazu kommt für mich persönlich, so sehr mich die Coronatests in der Apotheke reizen würden, die Überlegung, was das für Konsequenzen hätte: noch mehr soziale Isolation. Besonders im Hinblick auf die Mutationen.
Alles gleich als "Schwachleister" abzutun finde ich nicht fair.

AW: Durchaus problematisch

von Stefan Haydn am 04.02.2021 um 14:03 Uhr

Genau da liegt das Problem.
Mit den neuen Virusvarianten sind die Schutzmaßnahmen noch eindringlicher einzuhalten.
Was ist denn beim Versagen dieses Schutzes? Der Testende sollte besser isoliert bleiben oder muss sich selbst ständig testen um andere nicht unbewußt zu gefährden. Mal vom persönlichen Risiko bei einer Ansteckung abgesehen.
Nach der eh schon enormen Isolationsphase nun nicht mal die eigene Familie noch? Nicht für alles Geld der Welt!
Vor allem auch nicht bei der niedrigen Vergütung im Vergleich zur Arztabrechnung.

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