Änderung der BtMVV

ABDA begrüßt Verlängerung der Corona-Ausnahmeregeln in der Substitution

Berlin - 27.01.2021, 09:15 Uhr

Bei der Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen soll es ein weiteres Jahr flexibler zugehen. (Foto: M.Rode-Foto / stock.adobe.com)

Bei der Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen soll es ein weiteres Jahr flexibler zugehen. (Foto: M.Rode-Foto / stock.adobe.com)


Das Bundesministerium für Gesundheit will die mit der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung festgelegten Ausnahmeregeln bei der Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen um ein Jahr verlängern. Die ABDA begrüßt diesen Schritt in einer Stellungnahme vom 22. Januar. Was den Plan des Ministeriums betrifft, Apotheken auch das Applizieren subkutaner Depotarzneimittel zur Substitution zu erlauben, bittet sie jedoch um einige Klarstellungen.

Wenn die Corona-Eilverordnung, mit der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im April 2020 die strengen Regeln im Arzneimittelsektor gelockert hatte, Ende März dieses Jahres ausläuft, sollen offenbar zumindest die Vereinfachungen im Bereich der Substitution vorerst erhalten bleiben: Im vorliegenden Referentenentwurf einer Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften ist vorgesehen, dass die einschlägige Passage aus der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung in die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) überführt werden – inklusive Verfalldatum: Die entsprechende Regelung tritt demnach am 1. April 2021 in Kraft und gilt bis 31. März 2022.

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BMG will Sichtbezug per Botendienst ermöglichen

Konkret soll es weiterhin möglich sein, dass zum Beispiel suchtmedizinisch nicht qualifizierte Ärzte gleichzeitig mehr als zehn Substitutionspatienten behandeln, Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch für bis zu sieben Tage zu verschreiben und Substitutionsverschreibungen auch ohne persönliche ärztliche Konsultation per Post oder durch Boten auszuhändigen, entweder an den Patienten selbst oder an eine von ihm bestimmte Apotheke. Darüber hinaus bleibt es gemäß Verordnungsentwurf vorerst dabei, dass Substitutionspatienten durch den Botendienst der Apotheke zu Hause mit ihren benötigten Arzneimitteln versorgt werden können.

Versorgungsschwierigkeiten vermeiden

„Infolge der durch die Pandemie ausgelösten besonderen gesundheitlichen Versorgungslage ist es insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie für Apotheken erforderlich, in bestimmten Bereichen von den Maßgaben des Betäubungsmittelrechts so abweichen zu können, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Betäubungsmitteln zu medizinisch-therapeutischen Zwecken weiterhin sichergestellt werden kann“, erläutert das BMG im Entwurf. „Dieses gilt insbesondere für Sachverhalte, in denen das geltende Recht zu nicht vertretbaren Versorgungsschwierigkeiten mit gesundheitlichen Schäden für die Patientinnen und Patienten führen würde.“

Die ABDA kann damit gut leben. „Wir begrüßen die Weiterentwicklung und die Anpassung des Betäubungsmittelrechts an den aktuellen Stand der Erkenntnisse“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf. Bezüglich der Fortführung der genannten Regelungen aus der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung hat sie keine Einwände – jedoch eine Anregung: „Unabhängig von dem Nachfolgenden bedarf es aus unserer Sicht nach wie vor der Regelung einer angemessenen Vergütung für Leistungen der Apotheken im Rahmen der Sichtvergabe.“

Apotheken sollen Buprenorphin-Depotarzneien applizieren

Es steckt jedoch noch mehr in der Vorlage aus dem Hause Spahn: „§ 5 Absatz 7 BtMVV gibt als Art der Anwendung von Substitutionsmitteln bei Patientinnen und Patienten das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch vor“, erläutert das Ministerium. „Die Vorgaben der BtMVV bei der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Patientinnen und Patienten werden mit der Ergänzung dieser Vorschrift um das „Verabreichen“ oder die „Anwendung gemäß der in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren“ erweitert, um dem Fortschritt in der Arzneimittelentwicklung und Medizin Rechnung tragen zu können.“ Das betrifft vor allem die Anwendung von Depotpräparaten als Substitutionsmittel. Ein solches Produkt mit dem Wirkstoff Buprenorphin weist demnach in seiner arzneimittelrechtlichen Zulassung als Anwendungsvoraussetzung aus, nur streng subkutan, nicht jedoch intravaskulär, intramuskulär oder intradermal angewendet werden zu dürfen. Andernfalls drohen Gewebeschädigungen und insbesondere thromboembolische Ereignisse. „Ein bloßes Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch ist somit aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht zulässig“, stellt das BMG fest. „Dem wird mit der Änderung Rechnung getragen.“

Grundsätzlich unterstützt die ABDA das Vorhaben, die in den Apotheken zulässigen Handlungen neben der bisher üblichen Sichtvergabe auf die Applikation eines subkutan anzuwendenden Arzneimittels auszuweiten. So werde es Apotheken, die im Rahmen der Substitutionstherapie schon bisher in Zusammenwirken mit dem substituierenden Arzt auf der Basis einer freiwilligen Vereinbarung in die Sichtvergabe eingebunden werden konnten, zukünftig möglich, auch bei der subkutanen Verabreichung von zugelassenen Depotsubstitutionsmitteln mitzuwirken. „Wir weisen in diesem Zusammenhang aber darauf hin, dass es zwischen der arzneimittelrechtlichen Zulassung und dem Wortlaut des § 5 Absatz 10 Satz 2 Nummer 2 BtMVV einen Widerspruch geben kann“, warnt die Bundesvereinigung.

ABDA warnt vor Rechtsunsicherheiten

Denn die Zulassung sieht laut Stellungnahme vor, dass die Anwendung des Depotsubstitutionsmittels durch medizinisches Fachpersonal vorzunehmen ist. „Demgegenüber unterscheidet der Wortlaut des § 5 Absatz 10 zwischen medizinischem, pharmazeutischem und pflegerischem Personal. Dies könnte dazu führen, dass Aufsichtsbehörden oder Strafverfolgungsorgane eine Anwendung durch pharmazeutisches Personal der Apotheke als rechtswidrig erachten.“ Und das könnte weitreichende Konsequenzen haben: „Mangels eines Kontrahierungszwangs für den Abschluss einer Vereinbarung nach § 5 Absatz 10 Nummer 2 BtMVV, wäre zu befürchten, dass Apotheken bei nicht ausgeräumten rechtlichen Bedenken davon absehen könnten, sich weiterhin für eine Einbindung in der Substitutionstherapie zu engagieren, was wir bedauern würden.“ Dem könne das Ministerium durch eine ausdrückliche Klarstellung in der Verordnungsbegründung eindeutig unterstreichen.

Zwar geht die ABDA davon aus, dass die geplanten neuen Möglichkeiten für Apotheken nicht im Gegensatz zum Heilpraktikergesetz stehen. Dennoch möchte sie auf Nummer sicher gehen: „Wir regen auch diesbezüglich an, dass in der Verordnungsbegründung ausdrücklich auf einen entsprechenden Willen des Verordnungsgebers hingewiesen wird, um Apotheken und ihrem Personal eine rechtssichere Einbindung in die Substitutionstherapie zu ermöglichen.“ Was die konkrete Formulierung betrifft, schlägt sie vor, statt „verabreichen“ lieber „gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren anzuwenden“ zu schreiben, um Unklarheiten zu vermeiden.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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