Paukenschlag in Berlin

Die Karten werden neu gemischt

Stuttgart - 07.11.2024, 17:50 Uhr

(Foto: IMAGO/AFLO)

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Die Apothekerschaft wird sich mit dem Ende der Ampel-Koalition gut anfreunden können. Allerdings bleiben nun auch wichtige Reformen auf halbem Weg stecken, kommentiert DAZ-Herausgeber und -Geschäftsführer Benjamin Wessinger. Das Ende der finanziellen Durststrecke ist nichts absehbar, und viele Apotheken werden das nicht überleben.

Der gestrige Mittwoch dürfte vielen Deutschen noch lange in Erinnerung bleiben: Nach dem Schreck am Morgen – unerwartet früh und beunruhigend deutlich stand Donald Trump erneut als Präsident der USA fest – gab es abends den nächsten Paukenschlag: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt FDP-Chef Christian Lindner als Finanzminister. Dass er damit das Ende der Ampel-Koalition besiegelte, dürfte ihm ebenso klar gewesen sein wie allen politischen Beobachtern.

Ob Lindner seinen Rausschmiss und damit das Ampel-Aus mutwillig provoziert hat oder ob er den Kanzler falsch eingeschätzt, sich mithin also schlicht und ergreifend verzockt hat, ist am Ende nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, welche Konsequenzen das Schlamassel haben wird – auch für die Apotheken und die Apothekerschaft.

Die Lauterbach’sche Apothekenreform dürfte nun endgültig vom Tisch sein. Zwar ist der Widerstand der FDP-Ministerien, die bisher den Referentenentwurf ausgebremst haben, nun zusammen mit den entsprechenden Minster*innen verschwunden. Doch selbst wenn das neue bzw. verbliebene Kabinett dieses Gesetz noch in den Bundestag brächte: Wo sollte dort die Mehrheit für das umstrittene Vorhaben herkommen? Ganz davon abgesehen, dass Scholz‘ erklärte Prioritäten auf ganz anderen Feldern liegen, und Lauterbach sich darauf konzentrieren dürfte, sein Herzensprojekt Krankenhausreform noch irgendwie ins Ziel zu bringen.

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Mit der Apothekenreform wird die „Apotheke ohne Apotheker*in“ beerdigt, und damit auch die größte strukturelle Gefahr für das Apothekensystem in dem Entwurf. Ebenfalls nicht kommen wird die Absenkung des prozentualen Abgabehonorars bei gleichzeitiger Erhöhung des Fixums.

Keine Skonti-Lösung oder neue pDL

Auf der anderen Seite werden nun aber auch Vorhaben gestoppt, die von den Apotheker*innen dringend gefordert wurden bzw. große Chancen dargestellt hätten. An erster Stelle die sehnlichst erwartete Wiederzulassung der Großhandelsskonti. Diese bleiben auf absehbare Zeit verboten, ebenso bestehen die für viele Apotheken wirtschaftliche desaströsen Auswirkungen weiter. Die vorgesehenen Impfungen mit allen Totimpfstoffen in Apotheken oder neue pharmazeutische Dienstleistungen wird es erst einmal nicht geben. Ob sich die geplanten Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband über Honoraranpassungen als große Chance, wie von Lauterbach angepriesen, oder wie von Kritikern befürchtet als gefährliches Sparinstrument der Kassen erwiesen hätten, werden wir wohl nie erfahren.

Bleibt Lauterbach Minister?

Festzuhalten bleibt, dass das Aus der Ampel den Apotheken auf der einen Seite hochgefährliche Strukturveränderungen erspart. Auf der anderen Seite fehlen nun weiterhin essenziell wichtige Finanzmittel in der Arzneimittelversorgung, und neue Geschäftsfelder bleiben weiter unerschlossen.

Und noch etwas ist klar: Jetzt werden die Karten neu gemischt. Auch wenn schon darüber spekuliert wird, ob Karl Lauterbach wie einstmals Ulla Schmidt auch in einer neuen Koalition seinen Posten behalten könnte. Welche Koalition künftig regiert, wer darin Gesundheitsminister*in wird und welche Reformideen dann entwickelt oder aus der Schublade geholt werden, das ist heute noch überhaupt nicht absehbar. Absehbar ist aber, dass bis zur Bildung einer neuen Regierung die finanzielle Durststrecke der Apotheken weitergeht – und dass zu viele Apotheken diese Durststrecke nicht überleben werden.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Glaskugel

von Michael Mischer am 11.11.2024 um 9:43 Uhr

In einem Punkt möchte ich der Analyse gerne widersprechen:

"Ob sich die geplanten Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband über Honoraranpassungen als große Chance, wie von Lauterbach angepriesen, oder wie von Kritikern befürchtet als gefährliches Sparinstrument der Kassen erwiesen hätten, werden wir wohl nie erfahren."

Hiervon bin ich nicht überzeugt: Auch eine neue Bundesregierung dürfte ein Interesse daran haben, sich der Problematik der Honorare zu entledigen und dies der Selbstverwaltung zu überantworten. Da können die Texte schnell wiederverwendet werden.

Zustimmen möchte ich dem Gedanken, dass die Apotheke ohne Apotheker*in Geschichte sein dürfte - nicht Geschichte ist aber die Frage, wie man bei zunehmendem Fachkräftemangel und zunehmender Landflucht eine Versorgungsstruktur auf dem Land aufrecht halten will. Bei Ärzt*innen experimentiert man mit Gemeindeschwestern, die per Telemedizin unterstützt werden - was ist die Idee unseres Standes bei den Apotheken?

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