Neuer Entwurf für Corona-Impfverordnung

Priorisierung wird konkreter

Berlin - 16.12.2020, 17:55 Uhr

Wer bekommt die ersten Vakzinen gegen COVID-19? Das soll eine Verordnung regeln. (Foto: Trsakaoe / stock.adobe.com)

Wer bekommt die ersten Vakzinen gegen COVID-19? Das soll eine Verordnung regeln. (Foto: Trsakaoe / stock.adobe.com)


Der Startschuss für die Corona-Impfungen rückt näher – doch wer wird die ersten Impfdosen erhalten? Anfang Dezember hatte das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Referentenentwurf für eine Impfverordnung vorgelegt, der hinsichtlich der prioritär zu impfenden Personengruppen noch Lücken aufwies. Nun liegt ein überarbeiteter Entwurf vor, der diese Lücken schließt. Nach wie vor erwähnt sind Apotheken. Sie gelten als Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur und ihrem Personal steht damit ein Anspruch mit „erhöhter Priorität" zu. Final ist der neue Entwurf aber noch nicht.

Die Frage, welche Bevölkerungsgruppen zuerst geimpft werden sollen und auf welche Weise eine solche Priorisierung zu regeln ist, hat in den vergangenen Tagen für Diskussionen gesorgt. Vor allem die FDP kritisiert die Vorbereitungen der Bundesregierung für die COVID-19-Impfungen. Sie bemängelt unter anderem, dass eine einfache Verordnung bestimmen soll, in welcher Reihenfolge bestimmte Bevölkerungsgruppen geimpft werden sollen. Die Bundestagsfraktion der Liberalen findet, hier geht es um so Wesentliches, dass es in einem Gesetz geregelt werden muss – sie hat daher auch einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der am morgigen Donnerstag im Parlament beraten werden soll.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), und ihre Kollegin von der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, verteidigten jedoch heute bei einer aktuellen Stunde zur Umsetzung der Nationalen Impfstrategie COVID-19 im Bundestag den Verordnungsweg: Im Dritten Bevölkerungsschutzgesetz habe man die Kriterien für die Priorisierung in der Verordnung hinreichend vorgegeben. Zudem müsse man angesichts der weiteren Impfstoffzulassungen flexibel Anpassungen an den Regelungen zur Priorisierung vornehmen können – dies sei nur mit einer Verordnung möglich, sind beide Politikerinnen überzeugt.

Tatsächlich macht der mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz eingeführte § 20i Abs. 3 SGB V Vorgaben, wer prioritär geimpft werden soll, solange der Impfstoff noch nicht für alle ausreicht. Das sind zum einen Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie diejenigen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen. Als weitere prioritär zu impfende Gruppe haben insbesondere diejenigen Personen einen Anspruch auf eine Schutzimpfung, die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Was das nun konkret bedeutet, soll die Coronavirus-Impfverordnung regeln. Und für diese hat das Bundesgesundheitsministerium heute einen überarbeiteten Referentenentwurf vorgelegt. Er schreibt den ersten Entwurf von Anfang Dezember fort, der bei den bevorzugt zu impfenden Personengruppen noch Leerstellen aufwies, weil noch Stellungnahmen der Ständigen Impfkommission und der Länder ausstanden.

Der neue Entwurf bleibt bei drei Prioritätsstufen – und macht dies jetzt in den Titeln der einzelnen Paragrafen noch deutlicher: Es geht um höchste, hohe und erhöhte Priorität.

Höchste, hohe und erhöhte Priorität

Höchste Priorität (§ 2 des Verordnungsentwurfs) haben demnach

1. Personen, die das 80. Lebensjahr vollendet haben,

2. Personen, die in stationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer, geistig behinderter oder pflegebedürftiger Menschen behandelt, betreut oder gepflegt werden oder tätig sind,

3. Personen, die im Rahmen ambulanter Pflegedienste regelmäßig ältere, geistig behinderte oder pflegebedürftige Menschen behandeln, betreuen oder pflegen,

4. Personen, die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit sehr hohem Expositionsrisiko in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig sind, insbesondere auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, Rettungsdiensten, SARS-CoV-2-Impfzentren sowie in Bereichen, in denen infektionsrelevante aerosolgenerierende Tätigkeiten durchgeführt werden,

5. Personen, die in medizinischen Einrichtungen regelmäßig Personen behandeln, betreuen oder pflegen, bei denen ein sehr hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht, insbesondere in der Hämato-Onkologie oder Transplantationsmedizin.

Folgende Personen haben mit hoher Priorität (§ 3 des Verordnungsentwurfs) Anspruch auf Schutzimpfung:

1. Personen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben,

2. Personen, bei denen ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht:

a)      Personen mit Trisomie 21,

b)      Personen mit einer Demenz oder geistigen Behinderung,

c)      Personen nach Organtransplantation,

3. eine enge Kontaktperson

d)      von pflegebedürftigen Personen nach § 2 Nummer 1 und nach Nummer 1 und 2, die von dieser Person oder von ihrem gesetzlichen Vertreter bestimmt werden,

e)      von schwangeren Personen, die von dieser Person oder von ihrem gesetzlichen Vertreter bestimmt werden,

4. Personen, die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit hohem oder erhöhtem Expositionsrisiko in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig sind, insbesondere Ärzte und sonstiges Personal mit regelmäßigem unmittelbaren Patientenkontakt, Personal der Blut- und Plasmaspendedienste und in SARS-CoV-2-Testzentren,

5. Personen, die in Obdachlosenunterkünften und Asylbewerberunterkünften untergebracht oder tätig sind,

6. Personen, die im öffentlichen Gesundheitsdienst oder in besonders relevanter Position zur Aufrechterhaltung der Krankenhausinfrastruktur tätig sind.

Sodann haben folgende Personen haben mit erhöhter Priorität (§ 4) Anspruch auf Schutzimpfung:

1. Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben,

2. Personen, bei denen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht:

a)      Personen mit Adipositas (BMI >30),

b)      Personen mit chronischer Nierenerkrankung,

c)      Personen mit chronischer Lebererkrankung,

d)      Personen mit Immundefizienz oder HIV-Infektion,

e)      Personen mit Diabetes mellitus,

f)       Patienten mit einer Herzinsuffizienz, Arrhythmie/Vorhofflimmern oder koronare Herzkrankheit oder arterieller Hypertension,

g)      Personen mit zerebrovaskulären Erkrankungen /Apoplex,

h)      Personen mit Autoimmunerkrankungen,

i)       Personen mit  Krebserkrankungen,

j)       Personen mit Autoimmunerkrankungen,

k)      Personen mit COPD oder Asthma bronchiale,

l)       Personen mit rheumatischen Erkrankungen,

3. Personen, die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit niedrigem Expositionsrisiko in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 tätig sind, insbesonderen in Laboren und Personal, welches keine PatientInnen mit Verdacht auf Infektionskrankheiten betreut,

4. Personen, die in besonders relevanter Position in staatlichen Einrichtungen tätig sind, insbesondere in den Regierungen und Verwaltungen, bei den Streitkräften, bei Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, in den Parlamenten und in der Justiz,

5. Personen, die in besonders relevanter Position in weiteren Einrichtungen und Unternehmen der Kritischen Infrastruktur tätig sind, insbesondere im Apothekenwesen, in der Pharmawirtschaft, in der Wasser- und Energieversorgung, Ernährungs- und Abfallwirtschaft, im Transport- und Verkehrswesen sowie in der Informationstechnik und im Telekommunikationswesen,

6. Personen, die als Erzieher oder Lehrer tätig sind,

7. Personen, mit prekären Arbeits- und/oder Lebensbedingungen, insbesondere Saisonarbeiter, Beschäftigte in Verteilzentren oder der Fleisch verarbeitenden Industrie,

8. Personen, die im Einzelhandel tätig sind.

Weitere Priorisierung innerhalb der Gruppen möglich

Und was bedeutet dies nun für die Impfpraxis? Dazu heißt es im Verordnungsentwurf:

„Die Länder und der Bund sollen die vorhandenen begrenzten Impfstoffkapazitäten so nutzen, dass Anspruchsberechtigte nach § 2 vorrangig berücksichtigt werden, gefolgt von Anspruchsberechtigten nach § 3, diese wiederum gefolgt von Anspruchsberechtigten nach § 4. Innerhalb der jeweiligen Personengruppen nach den §§ 2, 3 und 4 können dabei auf Grundlage der jeweils vorliegenden infektiologischen Erkenntnisse, der jeweils aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut und der epidemiologischen Situation vor Ort bestimmte Anspruchsberechtigte vorrangig berücksichtigt werden.“

Der Verordnungsentwurf enthält überdies weitere Vorgaben für das Prozedere rund um die Impfung. So regelt er beispielsweise, wie die Terminvergabe erfolgt, wie die Anspruchsberechtigung gegenüber dem Impfzentrum oder dem mobilen Impfteam nachzuweisen ist und welche Daten dem Robert Koch-Institut für die Impfsurveillance zu übermitteln sind.

Nun erfolgt offenbar noch ein letzter Schliff – dann kann die Verordnung im Bundesanzeiger erfolgen. Laut Entwurf soll sie bereits am 15. Dezember in Kraft getreten sein. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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