Schwarze Kassen und fingierte Erlöse

Wer führte AvP in die Pleite?

Stuttgart - 20.11.2020, 17:50 Uhr

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)

Schwarze Kasse, Luftbuchungen, fingierte Rechnungen  – die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die AvP in die Insolvenz trieben, resultieren offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen. (Foto: Atstock Productions / stock.adobe.com)


Auszahlungen entgegen der BaFin-Anordnung

Der Geschäftsführer wurde jedoch von Mathias Wettstein, dem Vorstandsvorsitzenden der AvP Service AG, am 11. September abberufen, weil dieser sich weigerte, entgegen der BaFin-Anordnung Abschlagszahlungen an die Apotheken vorzunehmen. Wettstein wies einen anderen Mitarbeiter der AvP Deutschland GmbH an, die Überweisungen vorzunehmen. Insgesamt soll es um eine Summe von 183 Millionen Euro gegangen sein – letztlich konnten nur rund 127 Millionen Euro an Abschlagszahlungen realisiert werden.

Aufgrund dieser Vorkommnisse bestellt die BaFin am 13. September Ralf Bauer zum neuen, „starken“ Sonderbeauftragten mit sämtlichen Aufgaben und Befugnissen eines Geschäftsleiters, weil nicht ersichtlich war, ob ein neuer Geschäftsführer existierte, und weil es entgegen der Anordnung zu Auszahlungen gekommen war. Als sich für Bauer in den Folgetagen herausstellte, dass die AvP Deutschland GmbH insolvenzreif war, beantragte er mit Schreiben vom 15. September beim Amtsgericht Düsseldorf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Kleiner Fisch oder großer Hai – ein Fazit

Der Ermittlungsbericht von AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos ist zwar eine detaillierte und nachvollziehbare Chronologie der Geschehnisse. Doch als abschließende Erklärung für die Pleite des Apothekenrechenzentrums reichen die Ausführungen keinesfalls. Dafür existieren noch zu viele offene Fragen. Die angeblichen Entnahmen des AvP-Geschäftsführers in Höhe eines niedrigen, einstelligen Millionenbetrags stellen nur einen Bruchteil der tatsächlich fehlenden Mittel dar, unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um ein Darlehen handelte oder nicht. Doch das Missmanagement führte zu Defiziten, die Hoos in seinem Bericht auf 50 Millionen Euro beziffert. Darum muss man hinterfragen, wie dieses Defizit den Wirtschaftsprüfern und der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin über all die Jahre verborgen bleiben konnte.

Doch das Drama geht noch weiter: Der Insolvenzverwalter beschäftigt sich bekanntlich intensiv mit der Frage, ob offenen Forderungen aus Rabattverfall im Sinne der Gläubiger noch einbringlich sind. Dabei geht es um eine Spannweite zwischen 37,2 Millionen Euro und 137,4 Millionen Euro. Der Erfolg erscheint aber fragwürdig, denn warum sollten Krankenkassen in einer Phase der niedrigen bis negativen Zinsen Zahlungen an Apotheken bzw. Rechenzentren zurückbehalten, wenn dies zusätzlich noch zu einer finanziellen Mehrbelastung für sie führt? Falls diese Forderungen aus Rabattverfall nicht realistisch sind, könnte der Fehlbetrag schlimmstenfalls auf mindestens 200 Millionen Euro anwachsen.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte heute auf Anfrage, am 12. August 2020 Anklage gegen „ein Mitglied des AvP-Managements" erhoben zu haben. Der Fall gehe zurück auf eine Geldwäscheanzeige vom 19. August 2018. Damit ist klar, dass es sich um den angestellten Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH und der Dialog im Gesundheitswesen GmbH handeln muss. Ihm wird vorgeworfen, Unternehmensgelder veruntreut zu haben. Konkret soll es um 800.000 Euro gehen, die er sich zu Privatzwecken entnommen hat. Die Corona-Pandemie hätte den Beginn eines Gerichtsverfahren seit August bisher hinausgezögert, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Und wer weiß: Ermittlungsverfahren gegen zwei weitere Personen aus dem AvP-Dunstkreis wegen betrügerischer Insolvenz laufen nach wie vor und so könnten die Fälle womöglich noch zusammengeführt werden.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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